Uneinigkeit bei Migration
Nehammer könnte EU-Gipfelerklärung blockieren

Österreich könnte die Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels zur Migration blockieren, sollten keine weiteren Schritte zu einem stärkeren Außenschutz erfolgen. Damit drohte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch.
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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) droht damit, die gemeinsame Abschlusserklärung beim EU-Sondergipfel zu blockieren. In einem Brief fordert er gemeinsam mit sieben weiteren Regierungschefinnen und -chefs einen stärkeren Außengrenzschutz. Unterdessen nannte das UNHCR den Vorschlag einer "Zurückweisungsrichtlinie" einen Verstoß gegen das Flüchtlingsrecht.

ÖSTERREICH. Kanzler Nehammer könnte die gemeinsame Abschlusserklärung der EU-Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel zur Migration blockieren. Mit dieser Drohung ließ er am Mittwoch in einem Interview mit der "Welt" aufhorchen. Österreich könne die Abschlusserklärung des EU-Gipfels "nicht mittragen", sollten keine "konkreten Schritte" erfolgen, um den Außengrenzschutz zu verstärken.

"Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget dafür", so die Forderung des Kanzlers. "Leere Worthülsen werden nicht ausreichen." 

Brief an EU-Kommission

Der Sondergipfel wird am Donnerstag und Freitag stattfinden. Im Vorfeld des Gipfeltreffens wurde bereits von acht Regierungschefinnen und -chefs Druck gemacht. In einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel werden zusätzliche Gelder für den Außengrenzschutz gefordert. Außerdem soll die raschere Rückführung abgelehnter Asylwerber möglich werden. Initiiert wurde das Schreiben von der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. 

Vizekanzler Kogler gegen Grenzzäune

Der Brief wurde von Kanzler Nehammer unterzeichnet, außerdem von den Regierungschefinnen und -chefs Estlands, Lettlands, Litauens, Maltas, Griechenlands und der Slowakei. Das aktuelle Asylsystem würde nicht funktionieren, wird in dem Schreiben kritisiert. "Einige Mitgliedstaaten haben gleich viele oder mehr Ankünfte und Anträge als während der Migrationskrise in den Jahren 2015 und 2016", so das Schreiben.

Druck auf Herkunftsländer ausüben

Nur jeder zweite Ankommende habe ein Anrecht auf Asyl, doch nicht einmal ein Drittel der abgelehnten Asylsuchenden könne abgeschoben werden. Die Herkunftsländer würden diese oft nicht zurücknehmen. Daher wird in dem Brief gefordert, dass Brüssel auf diese Herkunftsländer Druck ausüben soll. Dies soll über Handelsabkommen oder Visaanreize geschehen.

Außerdem solle die EU-Kommission einen "umfassenden Ansatz" für alle Migrationsrouten vorlegen. Darunter soll sich eine "weitere Stärkung des Schutzes der Außengrenzen" befinden, "einschließlich des Aufbaus von Infrastruktur und Luftraumüberwachung im Bereich vor den Seegrenzen".

Nehammer selbst hatte zuletzt mehrmals Mittel für Grenzzäune gefordert. Diese finden in dem Schreiben jedoch keine Erwähnung. Die Meinung in der EU bezüglich Grenzzäunen ist gespalten - EU-Kommission sowie Deutschland und Frankreich lehnen sie unter anderem ab. Unter den Befürwortern befinden sich neben Österreich auch Dänemark und Griechenland.

"Zurückweisungsrichtlinie"

Auch eine "Zurückweisungsrichtlinie" hatte Kanzler Nehammer in den vergangenen Wochen vorgeschlagen. Damit sollen Menschen, die keine "die praktisch keine Chance auf Asyl haben", direkt an der Grenze wieder abgeschoben werden können. Die EU-Kommission solle prüfen, ob dies rechtlich möglich wäre.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ließ mit dem Vorschlag einer "Zurückweisungsrichtlinie" aufhorchen. Fachleute sehen darin jedoch eine Verletzung des Flüchtlingsrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention. | Foto: BKA/Florian Schrötter
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Viele Fachleute sind sich jedoch einig, dass das rechtlich gänzlich unmöglich sei. Das Büro des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Wien etwa nannte den Vorschlag eine "eklatante Verletzung des Flüchtlingsrechts". Einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention sah Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk gegenüber der Tageszeitung "Der Standard".

Verletzung der Genfer Konvention

Die Genfer Flüchtlingskonvention legt das Verbot fest, Flüchtlinge in ein Land zurückzuweisen, in dem sie oder er Verfolgung oder eine weitere Zurückweisung befürchten muss. Dazu ist es notwendig, jeden einzelnen Asylantrag zu prüfen. Zu dieser Konvention haben sich die EU und alle Mitgliedsstaaten verpflichtet. 

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erläuterte, dass die "Zurückweisungsrichtlinie" nur Angehörige sicherer Drittstaaten - etwa Tunesien, Indien oder Marokko - betreffen würde. Wie diese Richtlinie aussehen soll und wie ohne individuelles Verfahren sichergestellt werden kann, dass Grund- und Flüchtlingsrechte nicht verletzt werden, ließ das Innenministerium bisher offen.

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