Arbeiterkammer kritisiert
Tausende Familien warten auf Familienbeihilfe
Tausende Familien in Österreich warten auf die Auszahlung der Familienbeihilfe. Grund dafür ist die Überlastung der Finanzämter. Seit der Zentralisierung werden Anträge erst Monate spöter bearbeitet. Die Arbeiterkammer fordert, personell aufzustocken und Strukturmaßnahmen nicht am Rücken bedürftiger Familien auszutragen.
ÖSTERREICH. Familie M hat ein Kind mit besonderen Bedürfnissen. Dem Kind steht erhöhte Familienbeihilfe zu. Doch seit März wurde diese nicht ausbezahlt. Seit sechs Monate wartet die Familie auf die Bearbeitung ihres Antrags, bloß – niemand weiß, wie lange die Behörde noch brauchen wird.
Jeder Cent zählt in der Krise
Seit dem Frühjahr kommt es österreichweit zu Verzögerungen bei der Auszahlung der Familienbeihilfe kritisiert jetzt die Arbeiterkammer (AK). „Viele Eltern beschweren sich bei uns, dass sie bei der Hotline des Finanzministeriums nicht durchkommen oder an Stellen weitergereicht werden, die keine Auskunft geben können“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Dabei ist gerade jetzt in der Krise jeder Cent bitter nötig.
„Die Familienbeihilfe ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Sozialsystems, auf das sich Eltern verlassen können müssen. Das Finanzministerium muss schnell reagieren und die finanziellen Engpässe beseitigen“
, fordert die AK Präsidentin.
Kein Geld für's Baby
Prekär kann die Situation ganz schnell aber vor allem bei Eltern von neugeborenen Kindern werden. Denn der Bezug der Familienbeihilfe ist Voraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld. „Keine Familienbeihilfe, kein Kinderbetreuungsgeld und somit überhaupt kein Geld für frisch gebackene Eltern. Fragt sich, wer Windeln, Bekleidung, Babynahrung etc. bezahlen soll“, so Anderl. Zur finanziellen Misere kann sich aber noch ein weiteres Problem gesellen: Ohne Kinderbetreuungsgeld-Bezug besteht dann kein Krankenversicherungsschutz für Mütter bzw. Väter, wenn eine Mitversicherung beim Partner/bei der Partnerin nicht möglich ist.
Bearbeitungszeit reduzieren
Betroffene Eltern sind aber nicht nur all jene, die ein Neugeborenes zuhause haben, sondern auch Eltern von Kindern, die 18 Jahre geworden sind, denn dann muss eine Anspruchsüberprüfung durchgeführt werden, ob die Familienbeihilfe aufgrund von Studium oder einer Ausbildung weiter zusteht. Solange der Bescheid für die Zuerkennung fehlt, hängen vielfach auch andere Leistungen mit dran, die für viele Familien, aber auch Alleinerziehende, unbedingt notwendig sind – etwa der Freifahrtschein, der Familienzuschlag beim Arbeitslosengeld oder die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes. Anderl fordert daher, dass personell aufgestockt oder umgeschichtet wird, damit mehr Personal vorhanden ist, um Anträge und Anspruchsprüfungen zügig zu bearbeiten und durchführen zu können und damit die Bearbeitungsdauern zu verkürzen. Außerdem muss die Lücke im Versicherungsschutz geschlossen werden, Alleinerziehende müssen besser in den Versicherungsschutz einbezogen werden.
Niemand im Finanzamt erreichbar
„Zu all diesen Problemen gesellt sich noch, dass die Hotline des Finanzministeriums völlig überlastete ist. Viele Eltern beschweren sich bei uns, dass sie nicht durchkommen oder an Stellen verwiesen werden, die zu ihrem Anliegen keine Auskunft geben können. Diese Situation ist Eltern nicht zumutbar und muss schnellstens verbessert werden“, sagt die AK Präsidentin.
"Zentralisierung der Finanzämter war Fehler"
Die türkis-blaue Regierung setzte die Zentralisierung der Finanzämter mit 1. Juli 2020 um. Dabei wurden aus 40 Finanzämtern, die regional verankert waren, nur noch zwei Behörden mit bundesweiter Zuständigkeit geschaffen – das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe. Alle Warnungen, dass es Nachteile für all jene geben werde, die außerhalb Wiens zuhause sind, wurden damals von ÖVP und FPÖ ignoriert. Rund hundert Beschwerdefälle bei der Volksanwaltschaft bestärken die Kritik.
"Zahlreiche Beschwerden über Wartezeiten von vielen Monaten auf die Auszahlung der Familienbeihilfe bestätigen nun die damaligen Befürchtungen. Von Effizienz keine Spur! Auch Fachwissen wurde aus den Regionen abgezogen, Beschäftigte in den regionalen Dienststellen können die Betroffenen nur vertrösten. Und auf der Strecke bleiben jene, die das Geld so dringend brauchen!
“, ärgert sich Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer:
„Diese Zentralisierung ist ein völliger Fehlschlag! Es muss sofort wieder auf eine kundenorientierte, regional voll zuständige und vor Ort kompetente Beratung umgestellt werden!“
Parlamentarische Anfrage, aber Blümel bleibt untätig
Bereits im März 2021 wurde eine parlamentarische Anfrage dazu eingebracht, aber Finanzminister Blümel scheint das nicht sonderlich zu beschäftigen. Auch die Arbeiterkammer hat bereits öffentlich darauf aufmerksam gemacht. „Er versteht wohl die Sorgen jener Familien nicht, die jeden Euro umdrehen müssen, um ihr Leben finanzieren zu können. Sich jetzt auf Corona rauszureden, ist geradezu lächerlich. Blümel muss endlich zugeben, dass diese Zentralisierung auf Kosten der Familien geht und darum muss sie dringend wieder geändert werden"
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