Schulsprecherin Langhammer
Viele Lehrer können keinen Beamer aufdrehen

- Mira Langhammer, Bundesschulsprecherin: In der Oberstufe sind die Schülerinnen und Schüler doch recht reif, da sollte man ihnen zutrauen können, den Handykonsum quasi selbst zu regulieren.
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Mira Langhammer ist Österreichs Bundesschulsprecherin. Die oberste SchülerInnen-Vertreterin über das Handyverbot an Schulen, digitale Grundbildung, Gewalt und Mobbing, Deutschförderklassen und die neue Prüfungsordnung.
ÖSTERREICH. Die neue bundesweite Schulsprecherin sieht viele Errungenschaften der letzten Jahre in Gefahr. Und Mira Langhammer appelliert an das Lehrpersonal, sich selbst digital weiterzubilden bzw. sich ausbilden zu lassen.
MeinBezirk: Wie stehst du zum derzeit heiß diskutierten Handyverbot an Schulen?
Mira Langhammer: Es gibt tatsächlich Analysen, die besagen, dass Schülerinnen und Schüler immer häufiger vom Handy abhängig sind und eine Sucht entwickeln, die nicht gut ist. Die Handynutzung ist auch irgendwo gefährlich, vor allem im Bereich Social Media. Sie bringt neben vielen Chancen auch Risiken mit sich. Deswegen wäre mein Ansatz, in den Schulen anzusetzen, jedoch nicht über Verbote. Denn die Digitalisierung an den Schulen ist grundsätzlich positiv. Ich verstehe daher nicht, warum man heuer zwei Schritte zurückgehen will, nachdem wir einen Schritt vorwärtsgekommen sind, nur, weil das in anderen Ländern auch so passiert ist.
Trotzdem kann ich verstehen, dass die Handynutzung während des Unterrichts teilweise schwierig ist, insbesondere für Lehrerinnen und Lehrer. Aber in der Oberstufe sind die Schülerinnen und Schüler doch recht reif, da sollte man ihnen zutrauen können, den Handykonsum quasi selbst zu regulieren. Das Schwierige ist ja, das Handy wegzulegen. Das ist im Arbeitsleben ja auch notwendig. Es ist extrem wichtig, dass die Schule einen Bildungsauftrag wahrnimmt, um einen bewussten Umgang zu lernen: das Gerät wegzulegen, stumm zu schalten.
Weil du gerade angesprochen hast, die digitale Fertigkeit der Schülerinnen und Schüler: Laut einer EU-weiten Studie, hat nur ein Drittel der 14-Jährigen gezeigt, dass sie über digitale Kompetenz verfügen. Kannst du dir das erklären und wie könnte man die digitale Kompetenz in den Schulen in Österreich verbessern?
Die Ergebnisse haben mich auch negativ überrascht, weil doch in Richtung Digitalisierung in den letzten Jahren viel in Richtung Digitalisierung passiert, mit der digitalen Grundbildung, mit den digitalen Endgeräten und dem 8-Punkte-Plan. Wo man ansetzen müsste, ist bei den digitalen Endgeräten, die alle Schülerinnen und Schüler in der Unterstufe bekommen. Diese werden nicht ausreichend genutzt. Dazu gehört auch die Schulung des Lehrpersonals. Es gibt genügend Lehrerinnen und Lehrer, die nicht wissen, wie sie einen Beamer aufdrehen sollen oder wie sie ein YouTube-Video pausieren.
Was auch noch wichtig wäre, betrifft die Digitalisierung der Matura. In vielen Schulen ist es möglich, die Matura am Tablet oder Computer zu schreiben. Allerdings bieten das noch nicht alle Schulen an, was dann auch wieder unfair wird, weil ja alle den gleichen Text schreiben müssen. Beim Computer ist man wesentlich schneller, vor allem kann man Textblöcke verschieben und muss nicht Pfeile malen. Bei der Deutsch-Matura muss man noch eine Reinschrift schreiben, was dann am Computer natürlich entfällt.
Themawechsel: Mobbingfälle, steigende Suspendierungen, über 1.500 Verletzungen durch Fremdverschulden in Schulen laut AUVA – nur 2014 war die Zahl größer. Für das Bildungsministerium ist Gewalt das Thema Nummer eins in diesem Schuljahr. Mit Kinderschutzkonzepten und 14 Millionen Euro für Unterstützungspersonal will Bildungsminister Polaschek das Problem in den Griff bekommen. Was braucht es für präventive Maßnahmen?
Den Ansatz des Ministeriums finde ich sehr gut. Wir sind diesbezüglich auch im Austausch. Das Wichtigste ist, dass hingeschaut und in jedem einzelnen Fall eingegriffen wird. Es ist natürlich sehr schwierig, das Problem generell präventiv zu beheben. Wenn etwas passiert, muss möglichst schnell gehandelt werden. Mit der Zunahme von Cybermobbing wird es allerdings schwieriger. Psychische Gewalt ist auf jeden Fall ein großes Problem unserer Generation und deswegen sehe ich da erneut die Notwendigkeit in der Aufklärung bezüglich Social Media, also bei der digitalen Grundbildung. Prävention und Aufklärungsworkshops zur Gewalt sind auf jeden Fall wichtig, am besten in der Unterstufe oder sogar schon in der Volksschule. Jede Person muss sich verantwortlich fühlen, etwas zu sagen, wenn etwas passiert – Kinder, Lehrpersonal oder Unterstützungspersonal, also über Schulpsychologie oder Schulsozialarbeit. Hier muss noch die Hemmschwelle gesenkt werden, damit man da überhaupt hingeht. Seit Corona wurde aber ein stärkerer Fokus darauf gelegt, sodass sich die Jüngeren eher trauen. Bei den älteren Schülerinnen und Schülern ist das nicht selbstverständlich.
Ein Pilotprojekt "100 Schulen – 1000 Chancen" des Bildungsministeriums, der Uni Wien und der staatlichen Innovationsstiftung für Bildung gibt 100 Schulen in Österreich mehr Ressourcen. Insgesamt wurden mehr als 23 Millionen Euro dafür reserviert. Die wichtigste Bedingung: Die Schulen arbeiten unter schwierigen Bedingungen – viele sozial schwächer gestellte Kinder, viele Eltern aus bildungsfernen Schichten, viele Kinder mit Migrationshintergrund. Der Arbeiterkammer ist das zu wenig – sie will einen bundesweiten "Chancenindex". Deine Meinung?
Mehr Ressourcen für Schulen, die schwierigere Bedürfnisse haben, wäre auf jeden Fall cool. Gerade in Wien sieht man das. Aber es gibt auch in anderen Städten diese Brennpunktschulen. Man kann auch viel machen in Richtung Schulautonomie. Wenn man den Schulen selbst mehr zutraut, kann man da gut ansetzen und auch viele verschwendete Mittel einsparen. Da bräuchte es aber eine große Aufrollung des gesamten Systems.
Wenn 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Wien nicht Deutsch als Erstsprache daheim sprechen, dann wird es natürlich schwierig, einen qualitativen Unterricht zu bekommen.
Hier mehr Geld zu investieren, wäre auf jeden Fall sinnvoll. Ideal wäre, das für alle 6.000 Schulen anzubieten. Andererseits gibt es auch positive Beispiele, die das mit den derzeitigen Ressourcen schaffen, die Open School in Wien zum Beispiel. Das ist eine Mittelschule, die genauso die gleichen Schwierigkeiten hat, wie jede andere Mittelschule in Wien. Die haben das einfach selbst in die Hand genommen und sich ein Konzept überlegt, über das die Schülerinnen und Schüler gut unterstützt werden.
Sind die Deutschförderklassen sinnvoll bzw. wie kann man Integration weiter fördern?
Die Deutschförderklassen sind ein guter Ansatz, allerdings reichen sie mittlerweile nicht mehr aus. Das Sinnvollste wäre es auf jeden Fall im Kindergarten schon anzusetzen und dort auf verstärkte Sprachförderung zu setzen. Im Kindergarten lernt man am einfachsten und hat nicht nebenbei noch Verpflichtungen wie eine Mathe-Schularbeit. Je früher man ansetzt, desto mehr können die Kinder dann auch voneinander lernen. Das Wichtigste ist auf jeden Fall, dass man in ein Umfeld kommt, wo man Deutsch wahrnimmt und man nicht die ganze Zeit verleitet ist, in seiner Muttersprache zu sprechen.
In Vorarlberg überlegt die neue Landesregierung Einsparungen beim Assistenzpersonal vorzunehmen. Wie wichtig ist dieses Personal eigentlich für die Schulen?
Im Bildungsbereich zu sparen, kann ich nicht verstehen. Das ist meiner Meinung nach ein Irrsinn. Bildungspolitik ist auch eine Chancenpolitik! Alles, was wir in der Schule schon erledigen, etwa Integration oder politische Bildung, Digitalisierung, etc., ist eine langfristige Investition für ganz Österreich. Wir haben eines der teuersten Bildungssysteme, aber bei weitem nicht eines der besten. Da muss es eine Fehleranalyse geben. Wahrscheinlich muss man auf lange Sicht mehr Geld in die Hand nehmen, damit man schauen kann, wo Ressourcen eingespart werden können.
2025 wird die lang ersehnte neue Prüfungsordnung eingeführt. Fördert die Abschaffung der vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) zugunsten einer "abschließenden Arbeit" mit kreativen und forschenden Projekten tatsächlich kritisches Denken und wissenschaftliche Methodik, oder könnte dies die Vorbereitung auf universitäre Anforderungen mindern?
Meiner Meinung nach ist es schon eine Chance. Es hat in der Entwicklung eine Expertenkommission gegeben, wo auch Uni-Vertreter dabei waren, die gesagt haben, dass die VWA im Endeffekt nicht wirklich etwas gebracht hat, weil man auf der Uni dieses Know-how anders lernen muss. Leider hat es viele Schülerinnen und Schüler abgeschreckt, auf die Uni zu gehen, weil sie dachten, dass es dort so weitergeht. Das geht natürlich komplett am Ziel vorbei. Mit der abschließenden Arbeit können Schülerinnen und Schüler, die zum Beispiel einen musischen Schwerpunkt haben, das ganze Schuljahr über eine Sinfonie schreiben, zum Beispiel so, wie Mozart sie geschrieben hätte. Dazu recherchieren sie auch über Mozarts Leben. Das ist viel kreativer und weniger trocken als früher und macht auch mehr Spaß. Man muss ja trotzdem wissenschaftliche Quellen verwenden, den Prozess dokumentieren und dazu kommt das Zeitmanagement und die Präsentation. Diese Dinge waren auch der wahre 'Benefit' der VWA. Die Präsentation, die eine wichtige Fertigkeit ist, wird sogar verlängert.
Könnte die Erlaubnis zur Nutzung von KI-Anwendungen in Abschlussarbeiten die Eigenständigkeit der Schülerinnen und Schüler gefährden oder bietet sie eine notwendige Modernisierung im Umgang mit neuen Technologien?
KI darf man verwenden, muss es aber kennzeichnen. Das finde ich sehr sinnvoll. Da muss man den Schülerinnen und Schülern einfach vertrauen. Man legt bei der abschließenden Arbeit einen großen Schwerpunkt auf diesen Entstehungsprozess. Dadurch glaube ich, dass es teilweise fast mühsamer wäre, die KI zu verwenden, weil man ja die Schritte nachvollziehbar machen muss. Im Endeffekt sind es eh' die Schülerinnen und Schüler, die im Endeffekt darunter leiden, falls sie das machen. Man sollte sich überlegen, wie lehren wir die Schülerinnen und Schüler, wie sie die KI sinnvoll einsetzen können. Weil das Tool wird und unsere Gesellschaft verändern.
Man hört immer mehr von übergewichtigen, gestressten, depressiven Schüler: Gesundheit beginnt schon in der Erziehung, sagt man. Das Land Tirol will gemeinsam mit den Sozialversicherungen mit 1,6 Millionen Euro Gesundheitsunterricht an Tirols Mittel- und Polytechnischen Schulen ausbauen und auf Themen wie gesunde Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit setzen. Ist das ein guter Weg, oder sollte man Gesundheitsvorsorge in den Regelunterricht integrieren, zb. im Biologieunterricht?
Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, dass die Schule ihren Bildungsauftrag auch hier wahrnimmt. Das hat auch etwas mit Chancenpolitik zu tun. Denn wenn die Jungen vermehrt Gesundheitsprobleme haben, belasten sie später das Gesundheitssystem. Deshalb ist eine präventive Behandlung dieses Themas in der Schule wichtig.
Danke für das Gespräch.
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