Frauenpolitik
Wie Parteien die Gleichstellung voranbringen wollen

Im aktuellen Gleichstellungsindex des Weltwirtschaftsforums (WEF) liegt Österreich unter insgesamt 146 Ländern auf Rang 47.   | Foto: Shutterstock
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Wie die österreichischen Parlamentsparteien die Geschlechtergleichstellung in der eigenen Partei vorantreiben, wie sie zu einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung stehen und was sie zu Quotenregelungen in Wirtschaft und Politik sagen – Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) beantworten die "Politischen Sommerfragen 2023" zum Thema "Gleichstellung".

ÖSTERREICH. Frauen stellen mit einem Anteil von 50,8 Prozent die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung dar. In wirtschaftlichen Führungs- oder politischen Spitzenpositionen sind sie jedoch deutlich unterrepräsentiert. Zudem existiert hierzulande immer noch eine signifikante Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Im aktuellen Gleichstellungsindex des Weltwirtschaftsforums (WEF) liegt Österreich nur auf Rang 47 von insgesamt 146 Ländern. Die Frauenpolitik erscheint in Österreich ausbaufähig – Anlass, um bei den fünf Parlamentsparteien nachzufragen: 

Wie treiben Sie die Gleichstellung in Ihrer Partei voran?

Karl Nehammer: Geschlechtergerechtigkeit ist in der ÖVP schlicht eine Selbstverständlichkeit - auf allen politischen Ebenen, vom EU-Parlament bis hin zum Gemeinderat.

Andreas Babler: Gleichstellung voranzutreiben gehört zu meinen Grundsätzen – natürlich auch in der Partei. Mein Team besteht zu einem großen Teil aus Frauen. Ich will, dass das Parlament vorangeht und für sich eine verpflichtende 50:50 Quote beschließt.

Herbert Kickl: Die FPÖ bietet allen Menschen Entwicklungsmöglichkeiten. Es gibt in der FPÖ auch viele Frauen, die politisch erfolgreich sind. Denken Sie nur an Dagmar Belakowitsch, Susanne Fürst, Petra Steger oder Rosa Ecker, die im Nationalrat hervorragende Arbeit leisten.

Werner Kogler: Wir Grüne wissen: Frauen sollen verstärkt in politische Ämter und Entscheidungspositionen. Denn nur dort, wo Frauen in führenden Funktionen sind, werden ihre Anliegen auch klargesehen und stark vertreten. Wir Grüne haben Gleichstellung daher bereits in unseren ersten Statuten 1987 verankert. Damit ist seit jeher festgelegt, dass in allen gewählten Organen oder Funktionen zumindest 50 Prozent Frauen sein müssen, eine Frauenmehrheit ist natürlich möglich. Bereits jetzt haben wir von allen Parteien den höchsten Frauenanteil im Nationalrat, Bundesrat sowie in unserem Regierungsteam. Mit 56 Prozent sind wir Grünen zudem die Partei mit dem höchsten Frauenanteil in allen Landtagen.

Beate Meinl-Reisinger: Indem wir Gleichstellung leben. Als einzige weibliche Parteivorsitzende möchte ich hier auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Im Nationalrat haben wir einen Frauenanteil von 53 Prozent unter den Abgeordneten – ohne Quote. Auch in den Landtagen liegen wir mit einem Frauenanteil von 45 Prozent im Spitzenfeld. Wie schaffen wir das? Durch spezielle Ausbildungsprogramme und eine starke Selbstverpflichtung unserer Führungskräfte.

Sind Sie für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung?

Karl Nehammer: Ehrlicherweise sind wir da noch immer hinten nach. Echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt, dass die Eltern schlicht und ergreifend ein Angebot an Kinderbetreuung auch ganztätig, zur Verfügung haben. Denken Sie nur an Alleinerziehende. Nicht jeder hat Oma und Opa gleich um die Ecke. Ich will die Kinderbetreuungsangebote landesweit ausbauen. Für berufstätige Familien müssen ausreichend Kinderbetreuungsplätze ab dem 1. Lebensjahr zur Verfügung stehen. Dabei dürfen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht allein gelassen werden, zudem braucht es dazu ausreichend Pädagoginnen und Pädagogen und vor allem eine ausreichende Entlohnung.

Andreas Babler: Unbedingt! Kinderbetreuung ist auf so vielen Ebenen wichtig. Für die Kinder, für die der Kindergarten die erste Bildungseinrichtung ist, und für die Eltern – insbesondere Frauen –, die Beruf und Familie leichter unter einen Hut bringen können, wenn ihre Kinder gut betreut sind. Deswegen fordern wir seit Jahren eine ganztägige, kostenlose Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr – und zwar mit Rechtsanspruch, vom Boden- bis zum Neusiedler See. Dafür braucht‘s auch mehr Geld und mehr Personal, so viel ist klar.

Herbert Kickl: Der FPÖ geht es um eine Wahlfreiheit und um die finanzielle Unterstützung all jener, die sich dafür entschließen, die Kinder zuhause zu betreuen. Hier herrscht aktuell ein Ungleichgewicht.

Werner Kogler: Ja. Wir haben erreicht, dass der Bund in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro den Ländern zur Verfügung stellt, um elementare Bildungseinrichtungen auszubauen, die Qualität und den Personalschlüssel zu verbessern und längere Öffnungszeiten zu gewährleisten. Die Umsetzung dieser Vereinbarung mit den Ländern wird jährlich überprüft und ein Bericht dazu veröffentlicht. Zudem haben Ausbildungsplätze für Elementarpädagoginnen und -pädagogen aufgestockt und neue Formen der Ausbildung für z.B. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger geschaffen.


Beate Meinl-Reisinger: Absolut. Schon seit Jahren fordern wir NEOS unermüdlich einen Rechtsanspruch auf flächendeckende, qualitativ hochwertige, möglichst kostenlose Kinderbetreuung in ganz Österreich samt einem warmen, gesunden Mittagessen – und zwar ab dem 1. Geburtstag. Gleichzeitig muss natürlich auch der Job als Pädagogin und Pädagoge aufgewertet werden. Denn das ist einer der wichtigsten Berufe unserer Gesellschaft. Die Arbeitsbedingungen müssen dafür Schritt für Schritt verbessert und die Gruppen verkleinert werden. Davon profitieren Kinder, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Eltern gleichermaßen. Denn nur flächendeckende Kinderbetreuung schafft echte Wahlfreiheit für Familien. 

Sind sie für eine Anhebung der verpflichtenden Geschlechterquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen?

Karl Nehammer: Natürlich ist es unser Ziel, noch mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Dennoch sollte sich der Staat nicht in die Führung privatwirtschaftlicher Unternehmen einmischen, eine verpflichtende Frauenquote erachte ich derzeit nicht als sinnvoll. 

Andreas Babler: Seit Anfang 2018 gilt eine 30-Prozent-Quote im Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen. Ich bin unbedingt dafür, dass diese Quote erhöht wird und vor allem auch eine Quotenregelung für die Vorstände kommt. Dort liegt die Frauenquote bei 8 bis 9 Prozent, das ist beschämend. In den Vorstandsetagen der ATX-Unternehmen gibt es mehr Männer, die Peter heißen, als Frauen. 

Herbert Kickl: Nein. Eine Quotenregelung diskriminiert Frauen, weil viele dann glauben, Frauen sind nur der Quote wegen in dieser Position. Frauen wollen – so wie Männer auch – aufgrund ihres Knowhows und ihres Wissens beruflich erfolgreich sein.

Werner Kogler: Ja. In Österreich gibt es seit 2018 eine gesetzlich verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter und großer Unternehmen von 30 Prozent. Diese hat gewirkt: Aktuell haben wir 30 Prozent Aufsichtsrätinnen – im Vergleich dazu waren es vor Einführung der Quote 19 Prozent. Zumal 47 Prozent der Beschäftigten Frauen sind, wäre eine weitere Anhebung der Quote auf zunächst 40 Prozent geboten.

Beate Meinl-Reisinger: Wir halten uns hier an die EU-Vorgabe, die bis 2026 einen höheren Frauenanteil in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vorsieht. Wir NEOS zeigen bei uns aber vor, dass es auch ohne Quote geht, wenn es ein entsprechendes Anliegen ist.  

Soll ein Anreiz-/Strafsystem geschaffen werden, um die Gleichstellung in der Privatwirtschaft voranzutreiben?

Karl Nehammer: Wir haben hier bereits in der Vergangenheit Anreize für Unternehmen gesetzt, wie beispielsweise das Gütesiegel "equalitA".

Andreas Babler: Für mehr Gleichstellung in der Privatwirtschaft brauchen wir vor allem eine verpflichtende Transparenz bei den Gehältern. Man sieht zum Beispiel in Neuseeland, wie es funktioniert. Oder in Island, wo Unternehmen sachlich rechtfertigen müssen, wenn Frauen weniger als das ausgewiesene Durchschnittsgehalt verdienen. Unternehmen sollen saftige Strafen zahlen, wenn sie Männer und Frauen ungleich bezahlen.

Herbert Kickl: Nein. In der Privatwirtschaft zählen Qualifikation und Leistung, die Politik und der Staat haben sich in derartig betriebsinterne Dinge nicht einzumischen.

Werner Kogler: Ja, von den angesprochenen Quotenregelungen über die Transparenz bei Gehältern und vor allem durch: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Beate Meinl-Reisinger: Nein. Es sollte klar im Eigeninteresse der Wirtschaft sein, denn diverse Teams macht Unternehmen erfolgreicher.

Sind sie für eine Anhebung der verpflichtenden Geschlechterquote in Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen?

Karl Nehammer: Es gibt bereits eine verpflichtende Quote von 40 Prozent. Dies wird von den staatseigenen Unternehmen erfreulicherweise sogar freiwillig übertroffen. Das zeigt auch, dass Freiwilligkeit effektiver ist als Zwang.

Andreas Babler: Die Geschlechterquoten in Aufsichtsräten staatsnaher Betriebe zeigen, dass Quoten wirken. Die haben damals Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durchgesetzt. Aktuell liegt die Zielvorgabe bei 40 Prozent – höher geht immer.

Herbert Kickl: Nein. Eine Quotenregelung diskriminiert Frauen, weil viele dann glauben, Frauen sind nur der Quote wegen in dieser Position. Frauen wollen – so wie Männer auch – aufgrund ihres Knowhows und ihres Wissens beruflich erfolgreich sein.

Werner Kogler: Ja. Der Bund bzw. die Unternehmen des Bundes haben hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Aus diesem Grund haben wir 2020 eine Frauenquote in den Aufsichtsräten der Bundesunternehmen mit 40 Prozent vorgesehen. Seither hat sich in diesem Bereich auch einiges bewegt, denn aktuell liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Bundesunternehmen mit 50 Prozent sogar deutlich über der festgelegten Zielvorgabe.

Beate Meinl-Reisinger: Auch bei Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen halten wir uns an die entsprechenden EU-Vorgaben zu verpflichtenden Geschlechterquoten.

Politische Sommerfragen 2023

In der Reihe "Politische Sommerfragen 2023" wurden die Parteichefs und die Parteichefin der österreichischen Parlamentsparteien – Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) – zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen befragt. 

Insgesamt wurden mithilfe eines Fragenkatalogs zehn Themenfelder abgefragt. Die angeführten Fragen beantworteten die fünf Vorsitzenden Anfang Juli. Hier geht's zu allen bisherigen "Sommerfragen 2023" – die Seite wird laufend um neue "Fragerunden" ergänzt.

Fragerunde an die Leserinnen und Leser

Was hältst du von einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung?
Wie stehst du zu Quotenregelungen ?
Wer hat die besten Antworten zum Thema "Gleichstellung" parat?
Wem würdest du bei Nationalratswahlen am ehesten deine Stimme geben?

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