Finanzminister Brunner
"Wir haben die schleichende Steuererhöhung beendet"

Finanzminister Magnus Brunner im Gespräch mit den RegionalMedien Austria: Wir haben ein Paket geschnürt, das ist auf der einen Seite die Abschaffung der kalten Progression. Diese wirkt, sobald Steuern bezahlt werden. Der zweite Teil ist die Valorisierung der Sozialmaßnahmen.  | Foto: Markus Spitzauer
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  • Finanzminister Magnus Brunner im Gespräch mit den RegionalMedien Austria: Wir haben ein Paket geschnürt, das ist auf der einen Seite die Abschaffung der kalten Progression. Diese wirkt, sobald Steuern bezahlt werden. Der zweite Teil ist die Valorisierung der Sozialmaßnahmen.
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Im Gespräch mit den RegionalMedien Austria erklärt Finanzminister Magnus Brunner, warum eine Gaspreisbremse in Österreich unlogisch ist, wie der Handel künftig bei Energiekosten unterstützt wird, und wer am meisten von der Abschaffung der kalten Progression profitiert.

ÖSTERREICH. Die Inflation drängt viele Menschen in die Armut. Finanzminister Magnus Brunner erklärt, wie welche Gruppen in Österreich von Unterstützungsmaßnahmen profitieren, und wie auch die Gemeinden von Zuschüssen Nutzen ziehen.

RegionalMedien Austria: Warum haben Sie sich entschieden, in Österreich keine Gaspreisbremse zur Unterstützung der Haushalte und der Wirtschaft als zusätzliche Anti-Teuerungsmaßnahme einzuführen?
Magnus Brunner: Es gab ja bereits unterschiedlichste Maßnahmen zur Unterstützung der Haushalte, wie auch der Wirtschaft. Seit Dezember gibt es zum Beispiel die Strompreisbremse, von der ein Haushalt im Schnitt mit 500 Euro pro Jahr profitiert. Beim Gas ist es schwieriger, weil etwa nur weniger als 25 Prozent der heimischen Haushalte mit Gas heizen, daher ist ein Heizkostenzuschuss logischer, damit wird weiter gedacht, als nur die Unterstützung für Gasheizungen. Dieser wird über die Länder abgewickelt - daher wird der Bund den Ländern 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen, damit der bereits bestehende Heizkostenzuschuss ausgeweitet werden kann. 

Wie sieht es mit der Unterstützung für den Handel aus, der Handelsverband fühlt sich vernachlässigt, zehn Prozent der Händler droht das Aus, wenn es keine adäquaten Lösungen gibt...

Beim Energiekostenzuschuss sind alle Unternehmen inkludiert. Zum Glück ist das Weihnachtsgeschäft sehr gut gelaufen, die Menschen haben wieder mehr konsumiert, die Touristen sind zurück, die Hotels voll.

Wäre eine Energie-Grundsicherung , also eine Weiterentwicklung der Energiekostenbremse, denkbar, dass ein bestimmtes Kontingent an Energie für alle kostenlos ist, und dann beginnt, progressiv zu steigen?
50 Millionen von den 500 Millionen Euro, die den Bundesländern als Heizkostenpaket zur Verfügung gestellt werden, sind für Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit bzw- Delogierungen gedacht. Dieser Wohn- und Heizkostenzuschuss ist eine wichtige Hilfe für Österreichs Haushalte. Oberste Priorität für die Bundesregierung ist und bleibt, die Kaufkraft zu erhalten. Und den Menschen die Sicherheit zu geben, dass sie sich ihr Leben auch weiterhin leisten können. Das haben wir mit unseren zahlreichen Hilfspaketen geschafft. Und das bestätigt auch der Budgetdienst des Parlaments: Wir haben durch unsere Hilfen kleine Einkommen heuer um bis zu zehn Prozent erhöht. 

Kritiker meinen, dass die Abschaffung der kalten Progression vor allem einkommensstarken Haushalten entgegenkommt. Ist das so?
Wir haben ein Paket geschnürt, das ist auf der einen Seite die Abschaffung der kalten Progression. Diese wirkt, sobald Steuern bezahlt werden. Damit haben wir die schleichende Steuererhöhung beendet. Der zweite Teil ist die Valorisierung der Sozialmaßnahmen. Davon profitieren auch diejenigen, die keine Steuern zahlen. Insgesamt hat der Parlamentsbudgetdienst festgestellt, dass von diesem Maßnahmenbündel vor allem die niedrigen Einkommen profitieren. Vor allem bei den unteren Einkommensstufen haben wir eine Kompensation über zehn Prozent. Da sind wir vor allem in die untersten Einkommensstufen gegangen. Der Sinn der Abschaffung der kalten Progression ist es, die schleichende Steuererhöhung abzuschaffen, also werden natürlich Steuerzahler damit entlastet. Diese Abschaffung wurde seit 40 Jahren von jeder Parlamentspartei gefordert, und jetzt wurde sie umgesetzt.

Ein Drittel der AlleinerzieherInnen bekommen in Österreich gar nichts, wenn der Partner /die Partnerin nicht zahlen bzw. nicht auffindbar sind. Wäre ein Unterhaltsvorschuss vom Staat für Alleinerziehende, wenn kein Unterhalt kommt, künftig denkbar?
Laut parlamentarischem Budgetdienst profitieren vor allem die unteren Einkommen und Alleinerziehende von den Maßnahmen. Für die konkrete Forderung ist der Sozialminister zuständig.

Das Erneuerbaren Wärmegesetz, das den Ausstieg aus Gasheizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 regelt, und vorsieht, dass kaputte, aus fossilen Brennstoff betriebene Heizungen nur noch durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt werden dürfen, hätte am 1.1. 2023 starten sollen. Nun wurde es verschoben. Wird es 2023 kommen?
Ich bin ein Verfechter von allem, was dem Kampf gegen den Klimawandel nützt. Es muss nur vernünftig umgesetzt werden. Man muss auch den Hausverstand bedienen, weil man auch die Lebensumstände der Menschen berücksichtigen muss. Die verschiedensten Voraussetzungen in den unterschiedlichen Regionen Österreichs müssen auch adressiert werden. Das ist unser Zugang. Darum gibt es dazu ein paar offene Fragen, aber ich gehe davon aus, dass wir uns da einigen können. Es hat sich aber auch die Welt seit Februar 2022 verändert.

Gemeinden und Städte schlagen Alarm, weil die Gemeindemilliarde von den teuren Energiepreisen geschluckt werden. Das Zentrum für Verwaltungsforschung ortet ein Finanzloch von 1,2 Milliarden Euro in den Kommunen. Wird es noch mehr Geld für die Gemeinden geben?
Wir haben die Gemeindemilliarde als kommunales Programm gerade präsentiert, das von den Gemeinden so auch gefordert wurde. Das ist zusätzlich zu den vier Milliarden Euro, mit denen wir in den letzten zwei Jahren schon die Gemeinden und Länder unterstützt haben, ein riesiges Paket. 97 Prozent der Mittel sind abgeholt worden, es ist also gut angekommen. Deshalb haben wir für 2023 und 2024 noch einmal eine Milliarde für Investitionen im Energiebereich, Kindergartenausbau bis Straßenbau auf die Beine gestellt. Ich glaube, die Gemeinden sind ganz glücklich mit diesem Paket, auch wegen der riesigen Summe und der Form dieses Kommunalinvestitionsprogramms. Ursprünglich waren 500 Millionen im Budget vorgesehen, aber auf Wunsch der Gemeinden wurde das verdoppelt. Zusätzlich dazu gibt es noch 75 Millionen für Impfungen, die aber auch für andere Projekte verwendet werden können.

Das Zentrum für Verwaltungsforschung fordert, dass der Schlüssel für den Finanzausgleich, mit dem die staatlichen Steuereinnahmen zugunsten der Gemeinden überarbeitet werden soll, weil der Bund 68 Prozent der österreichweiten Steuereinnahmen bekommt, die Länder 20 Prozent und die Gemeinden nur zwölf Prozent. Ist das vorstellbar?
Die Finanzausgleichsverhandlungen haben gerade begonnen. Ich bin bereit, über alles zu sprechen. Man muss aber natürlich auch die Aufgabenverteilung berücksichtigen, also auch über die Kompetenzen und Strukturreformen reden. Bisher hat die Aufteilung nicht so schlecht funktioniert. Übrigens sind die Ertragsanteile der Gemeinden gestiegen. Das ist keine Einbahnstraße, da muss man auch über Anderes reden, gerade im Gesundheits-, oder im Pflegebereich, wo der Bund vieles übernommen hat.

Der Rechnungshof kritisiert die Vergaben der Investitionsförderungen von 2017 und 2020 als intransparent, nicht abgestimmt und mit hohem administrativen Aufwand verbunden. Wird das für die Investitionsmilliarde 2023 anders abgewickelt bzw. auch von anderer Seite als der Buchhaltungsagentur des Bundes?
Wir nehmen jeden Vorschlag des Rechnungshofs ernst. Das Eine oder Andere kann man anpassen, das werden wir auch tun. Es ist mir auch wichtig, dass mehr Transparenz herrscht. Auf der anderen Seite hat es sich sehr bewährt, die Gemeinden waren sehr zufrieden, und sagen, dass der Prozess sehr unbürokratisch war. Im Nachhinein ist es leicht, auf dem Papier zu kritisieren, aber die Gemeinden müssen auch die Chance haben, das entsprechend abzuwickeln. 

Sie wollten die Abschaffung der Kapitalertragssteuer für eine steuerliche Entlastung bei Wertpapieren durchsetzen. Diese liegt derzeit bei 27,5 Prozent. Da haben die Grünen bis jetzt noch nicht zugestimmt, und es gab auch Bedenken von VerfassungsexpertInnen, dass das nicht verfassungskonform sei. Werden Sie das trotzdem weiterverfolgen?
Die Verfasser haben aber nur eine spezielle Lösung behandelt. Unser Vorschlag für eine Behaltefrist ist mit vielen Expertinnen und Experten abgestimmt. Unser Vorsorgedepotmodell ist also verfassungskonform. Selbstverständlich bleibt das ein ganz wichtiges Thema, weil es um Vorsorge geht, sowohl um Altersvorsorge, als auch um Vorsorge für die Jungen. Es ist ganz entscheidend, dass wir das Thema Vorsorge in die Breite bringen. Das Sparbuch ist nicht mehr das, was es einmal war, also bleibt als Alternative nur der Kapitalmarkt. Jeder, der sich damit beschäftigt, will das unbedingt. Wir werden eine verfassungskonforme Lösung finden.

Können Sie sich vorstellen, die doppelte Steuerabgabe bei Pensionsversicherungen abzuschaffen? Denn wer privat in ein Pensionskonto einzahlt, hat ja für dieses Geld schon Steuern bezahlt. Sobald man das Geld ausgeschüttet bekommt, muss man nochmals Steuern zahlen…
Ich bin bereit, über alles zu reden, was die Vorsorge verbessert.

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