Unvereinbarkeit
Wirbel um Abbestellung der Leitung der Medizinmarktaufsicht
Nachdem die Ages zum Entschluss gekommen ist, die umstrittene Neubesetzung der Leitung der Medizinmarktaufsicht nicht wie geplant vorzunehmen und Gesundheitsminister Rauch die Bestellung zurückgenommen hat, fordert die FPÖ eine Überprüfung aller Corona-Beratergremien und -Kommissionen. Die Betroffene will sich rechtlich gegen ihre Abbestellung wehren.
ÖSTERREICH. Bereits Ende Jänner sorgte die Bestellung der bisherigen Pharmalobbyistin Helga Tieben für Aufregung, Anti-Korruptionsexperten orteten darin eine Unvereinbarkeit. Gesundheitsministerium und Ages wollten damals noch keinen Interessenskonflikt erkennen, nun hieß es, die Neubesetzung werde nicht wie geplant vorgenommen.
Posten wird neu ausgeschrieben
Die bisherige Direktorin für Zulassungsbereich und Innovation im Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig hätte laut einem Bericht der Salzburger Nachrichten eigentlich bereits am 1. April bei der Medizinmarktaufsicht beginnen und die Leitung Anfang Juni übernehmen sollen. Nun zog die Ages die Berufung zurück und auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bestätigte, dass der Posten neu ausgeschrieben werde.
Protestmails gegen Bestellung
5600 Menschen hatten Protest-Mails an den zuständigen Gesundheitsminister gesendet. Sie forderten Rauch auf, keine Pharmalobbyistin an die Spitze der Medizinmarktaufsicht zu berufen.
In einem Video-Interview hatte Tieben die Arzneimittelzulassung als "enorm reguliert" bezeichnet und beklagte beispielsweise das "strenge Korsett der Regularien". Ihr Ziel sei es, dass es "keine Hürden" gebe, "damit Produkte zum Markt kommen" (siehe Video).
FPÖ fordert Überprüfung aller Corona-Beratergremien und -Kommissionen
Was für die Medizinmarktaufsicht gelte, müsse auch für GECKO und Co. gelten, so FPÖ-Obmann Herbert Kickl am Sonntag in einer Aussendung. Es zeuge "von einer besonderen Portion an Doppelmoral, dass Gesundheitsminister Rauch den Saubermann gegen die Pharma-Lobby gibt, gleichzeitig aber kein Problem damit hat, dass in seinen Corona-Gremien Personen mit Querverbindungen zur Pharmaindustrie sitzen", kritisierte Kickl.
Es sei höchst an der Zeit, die diversen Mitglieder der Corona-Kommissionen und Beratergremien einer genauen Überprüfung auf Interessenkonflikte und Befangenheit zu unterziehen – und zwar auch nachträglich und rückwirkend, forderte Kickl Konsequenzen. In den diversen Corona-Experten- und Beratergremien – von GECKO bis zur Impfpflicht-Kommission – seien jedenfalls Personen vertreten, die Querverbindungen zur Pharmaindustrie aufweisen würden.
"Wenn etwa in einer Impfpflicht-Kommission, die darüber entscheiden soll, ob und wie der völlig unverhältnismäßige und sinnbefreite Impfzwang in Österreich umgesetzt wird, 100 Prozent der Mitglieder teils erschreckende Querverbindungen zur Pharmaindustrie aufweisen, muss man sich schon fragen, ob von Seiten des Gesundheitsministeriums, was Compliance bzw. Befangenheit betrifft, weggeschaut wird oder ob derartiges gar ein Qualifikationskriterium für einen Expertenposten darstellt", so Kickl weiter.
Tieben kündigt rechtliche Schritte an
Helga Tieben zeigte sich jedenfalls ob des Rückzugs ihrer Bestellung "fassungslos" und kündigte rechtliche Schritte an. Auch verwies die Betroffene in einer Stellungnahme darauf, dass sie im Dezember 2021 unter Einbindung des Gesundheitsministeriums einstimmig zur der Ages Medizinmarktaufsicht bestellt worden sei. Der Arbeitsvertrag sei beidseitig unterschrieben worden, Tieben habe nach 27 Jahren ihre vorhergehende Anstellung gekündigt.
Die österreichische Medizinmarktaufsicht ist für äußerst sensible Bereiche zuständig. Dazu gehören die nationalen Beiträge zur Europäischen Arzneimittelzulassung (EMA), die Aufsicht über den österreichischen Medizinmarkt (Arzneimittelsicherheit und Inspektionswesen) sowie die klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.
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