Alexander Van der Bellen
"Zeiten zu stürmisch für Experimente und Chaos"

2016 wurde Alexander Van der Bellen mit 53,8 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt – er möchte für weitere sechs Jahr das höchste Amt im Staat bekleiden. | Foto: Peter Lechner/HBF
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  • 2016 wurde Alexander Van der Bellen mit 53,8 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt – er möchte für weitere sechs Jahr das höchste Amt im Staat bekleiden.
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Die Bundespräsidentenwahl naht – am 9. Oktober ist es so weit: Sieben Männer treten um das höchste Amt der Republik an. Um dir einen Eindruck der Bewerber zu vermitteln, haben wir alle Bundespräsidentschaftskandidaten gebeten, die gleichen Fragen zu beantworten. Das sagt Alexander Van der Bellen.

ÖSTERREICH. Der Amtsinhaber Alexander Van der Bellen stellt sich der Wiederwahl. Er gilt als aussichtsreichster Kandidat – aktuelle Umfragen sehen ihn bei rund 59 Prozent. Der gebürtige Kaunertaler ist mit 78 Jahren der älteste Bundespräsidentschaftskandidat. Kritikerinnen und Kritiker sowie seine Kontrahenten werfen ihm oftmals vor, als Bundespräsident zu passiv zu sein. Van der Bellen selbst sieht in seiner Art der Amtsführung vor allem einen Garant der Stabilität.

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RegionalMedien Austria: Bereuen Sie, dass sie die Regierungen der letzten zwei Jahre angelobt haben? Wenn ja, was würden Sie anders machen?
Alexander Van der Bellen: Es ist sicher nicht die Aufgabe eines verantwortungsvollen Bundespräsidenten, Chaos zu produzieren. Zu meinen Aufgaben gehört es, die vorgeschlagenen Regierungsmitglieder sehr genau zu prüfen. Bislang musste ich niemanden, der offiziell vorgeschlagen wurde, ablehnen, weil den Beteiligten schon im Vorhinein klar war, was mir als Bundespräsident wichtig ist.

Würden Sie die jetzige Regierung aus ihrem Amt entlassen? Wenn ja, warum?
Sie kennen mich: Mein Amtsverständnis ist es, unser Land vor Chaos und politischer Lähmung zu beschützten. Viele verlangen im Moment, in irgendeiner Form einzugreifen in die Regierung. Es gibt auch einige, die sich Neuwahlen wünschen. Meine Verantwortung ist die Stabilität. Und ich bin deshalb zu der Entscheidung gekommen, dass die Regierung jetzt das tun soll und muss, und zwar ohne Verzögerung, wofür sie gewählt wurde: Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Die Zeiten sind zu stürmisch für Experimente und Chaos, es würde monatelang nichts weitergehen, wenn wir jetzt wählen.

Welcher frühere österreichische BP ist für Sie ein Vorbild, und warum? Haben Sie andere Vorbilder in der Politik? Wenn ja, wen?
Meine politischen Vorbilder sind die Präsidenten John F. Kennedy und Nelson Mandela sowie der österreichische Kanzler Bruno Kreisky. Von fast allen meinen Vorgängern im Amt kann man etwas lernen.

Würden Sie sich in der zweiten Amtszeit öfter zu politischen Themen äußern?
Ich habe mich neben den üblichen Ansprachen 22 Mal im TV direkt an die Österreicherinnen und Österreich aufgrund aktueller Ereignisse und Krisen wenden müssen. In der Ibiza-Krise, in den ersten Tagen der Pandemie, oder auch rund um die Chats, die publik wurden. Ja, manchmal ist es angebracht, dass der Bundespräsident seine Stimme laut erhebt, wenn etwas falsch läuft. Aber: Es ist Aufgabe der Politiker zu arbeiten und nicht einander öffentlichkeitswirksam Dinge auszurichten. Viele Aufgaben des Bundespräsidenten werden diskret erledigt.

Wie präsent sollte ein Bundespräsident in den Sozialen Medien sein? – und auf welche Art und Weise sollte er diese nutzen?
Einem Bundespräsidenten muss man vertrauen können. Deshalb sollte er in den Sozialen Medien vor allem so sein, wie er wirklich ist. Ich bin sehr gerne in Kontakt mit jungen Menschen, das macht mir große Freude. Und ich finde, ein bisschen Spaß gehört auch dazu. Ich glaube, das sieht man bei mir auch hin und wieder (lächelt).

Die Sommer werden immer heißer, Seen trocknen aus, große Brände werden häufiger, die Zahl der Hitzetoten steigt. Welche Ideen haben Sie, um dem Problem entgegenzuwirken?
Wir müssen unseren Nachkommen eine intakte Lebensgrundlage übergeben. Und ich werde keine Ruhe geben, bis ich sicher bin, dass auch unsere Kinder und deren Kinder diese Erfahrung von echter Naturverbundenheit machen können. Wir müssen etwas tun und wir können etwas tun. Je früher und abgestimmter, desto einfacher und effektiver. Aber jetzt verdammt noch mal.

Welches Land würden Sie in Ihrer Funktion als Bundespräsident zuerst besuchen?
Als überzeugter Europäer habe ich nach meiner Angelobung bewusst ein Zeichen für Europa gesetzt, indem ich zuallererst nach Brüssel und Straßburg gereist bin. Mein erster bilateraler Besuch galt kurz darauf unserem Nachbarn und engen Partnerland Schweiz. Welche Akzente ich im Fall einer zweiten Amtszeit setzen würde, hängt natürlich auch von den aktuellen Entwicklungen ab, das werde ich dann entscheiden. Jedenfalls wird die gute und enge Beziehung zu Deutschland, unserem wichtigsten Wirtschaftspartner, weiterhin eine große Rolle spielen.

Wen würden Sie gerne möglichst bald in die Hofburg einladen?
Sehr gerne eine Besuchergruppe aus dem Kaunertal! Aber ich freue mich immer über Besuch in der Hofburg. Ich lade auch regelmäßig politisch Verantwortungsträger aus Bund und Ländern, Wirtschaft, Sozialpartner und Zivilgesellschaft zum Austausch in die Hofburg.

Wen würden Sie eher ungern in die Hofburg einladen?
Das trifft auf so gut wie niemanden zu. Offen gesagt: Es geht dabei auch nicht um mich. Denn als Staatsoberhaupt ist es auch meine Aufgabe, verbindend zu wirken und das Gespräch mit allen zu suchen.

Worin liegt Ihres Erachtens nach derzeit die größte gesellschaftspolitische Herausforderung?
Ganz klar der Zusammenhalt in Österreich. Wir haben es mit multiplen Krisen zu tun. In einer vergleichbaren Situation hat sich Österreich in der zweiten Republik noch nicht befunden: Pandemie, Teuerung, Energiekrise und die Klimakatastrophe. Ich bin wirklich davon überzeugt: Gemeinsam sind wir stärker! Wenn wir zusammenhalten, können wir gut durch diese herausfordernden Zeiten kommen.

Die Wahl wird wohl zwischen sechs Männern entschieden – woran liegt es Ihres Erachtens nach, dass voraussichtlich keine Frau am Stimmzettel stehen wird?
Ich finde es sehr schade, dass auf dem Wahlzettel im Jahr 2022 keine einzige Frau stehen wird. Es ist für uns alle als Gesellschaft ein Verlust, wenn wir auf weibliche Expertise und weibliche Blickwinkel verzichten müssen. Ich bin überzeugt, dass gute Gleichstellungsmaßnahmen auf vielen Ebenen wichtig sind, um mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bekommen.

In einigen Stichworten bzw. in aller Kürze: Beschreiben Sie einen Tag als Bundespräsident.
Es wäre schön, wenn das tägliche Programm des Bundespräsidenten in einen Satz passen würde. Das Amt bringt unglaublich vielfältige Aufgaben mit sich, worüber ich auch sehr froh bin. Ein Teil ist trockene Aktenarbeit, darüber hinaus ist wichtig, stets über Abläufe und Geschehnisse im Land und in der Welt informiert zu sein. Ich verbringe also viel Zeit in Gesprächen – mit Expert:innen, die mich beraten und mit politischen Verantwortungsträgern. Zu meinem Job gehört es aber auch, für mich der schönste Teil an dieser Aufgabe, in direktem Kontakt mit den Bürgerinnen zu sein. Besonders schätze ich Treffen mit den vielen Vereinen, die unterschiedlichen Veranstaltungen und die vielen Anlässe in ganz Österreich unterwegs zu sein.

Wenn Sie eine Sache in Österreich mit einem Fingerschnippen auf der Stelle ändern könnten, was wäre das?
Mit einem Fingerschnippen lässt sich fast nichts im Leben lösen. Politik ist harte Arbeit, ist Kompromissfindung, Gesprächsbereitschaft und Lösungsorientierung. Aber wenn es eines gibt, dann, dass wieder mehr gemeinsam gemacht wird. Politik ist diskutieren und zusammenfinden. Wir müssen uns vor den einfachen Antworten hüten – und auch vor jenen, die solche vermeintlich anbieten.

Angenommen, Sie können umdekorieren: Wie richten Sie die Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg ein?
Die Hofburg ist ein unglaublich geschichtsträchtiger Ort für Österreich. Ich sehe es auch als eine meiner Aufgaben, dieses geschichtliche Erbe respektvoll zu erhalten. Als Repräsentationsort der Republik ist die Hofburg wichtig für Gesprächstermine und Einladungen von ausländischen Delegationen. Ansonsten ist sie für mich ein ganz normales Büro.

Würde mit Ihnen ein Haustier in die Hofburg einziehen?
Selbstverständlich. Meine Hündin Juli war in den vergangenen Jahren meine treue Begleiterin – auch bei der Arbeit. Sie kommt an manchen Tagen mit in die Hofburg und wäre natürlich auch bei einer zweiten Amtszeit dabei.

Wie gelangen Sie normalerweise zur Arbeit – und wie würden Sie als BP täglich zur Hofburg "anreisen"?
Wenn es der Terminkalender zulässt, gehe ich gerne zu Fuß. All zu oft brauche ich aber die Fahrtzeit, um Unterlagen zu lesen und mich auf nächste Termine vorzubereiten, Und das tue ich dann im Auto.

Schnellfrage-Runde:
In meiner Freizeit ... 
… gehe ich gerne gemeinsam mit meiner Frau Doris wandern.

Bei einem Lokalbesuch bestelle ich …
.. jedenfalls sofort eine Flasche prickelndes Mineralwasser und ganz sicher auch einen Espresso.

Meinen Urlaub verbringe ich …
... am liebsten in der wunderschönen Bergwelt des Kaunertals.

Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich ...
... meine Hündin Juli, ...
... weil ...
... mein Mensch dann schon besser wüsste, was ich will.

Ich interessiere mich sehr für ...
... unsere Heimat und alle, die hier leben

Wenig Interesse habe ich an …
... oberflächlichem Gerede.

Zuletzt gelesen habe ich …
... die Briefings meines energiepolitischen Beraters.

Wichtig ist mir …
... immer auch zu versuchen, mein Gegenüber zu verstehen.

Das möchte ich noch gerne loswerden:
… nutzen Sie Ihr Wahlrecht!

So haben die anderen Kandidaten geantwortet:

"Geimpfte und Ungeimpfte wurden gegeneinander ausgespielt"
Marco Pogo: "Ich werde kein stiller Präsident sein"
"Die Hofburg ist kein Laufhaus"
Haustier in der Hofburg? Keine Zeit dafür!
"Brot wird nicht mehr mit heimischem Getreide gebacken"
"Aktiver Bundespräsident ist 20 Stunden täglich im Job"

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