Wirtschaft
Die große Insolvenzwelle in Österreich kommt 2021

Bis Jahresende rechnet das Arbeitsministerium mit rund 500.000 Arbeitslosen. Dazu kommt, dass immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Obwohl es somit angesichts der größten Wirtschaftskrise um die Finanzen der Österreicherinnen und Österreicher schlecht bestellt zu sein scheint, sinken die Privatinsolvenzen auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. | Foto: Markus Bormann/fotolia
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  • Bis Jahresende rechnet das Arbeitsministerium mit rund 500.000 Arbeitslosen. Dazu kommt, dass immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Obwohl es somit angesichts der größten Wirtschaftskrise um die Finanzen der Österreicherinnen und Österreicher schlecht bestellt zu sein scheint, sinken die Privatinsolvenzen auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren.
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Die Zahl der Firmeninsolvenzen ist im Jahr 2020 auf ein Rekorniveau gesunken, und auch Privatinsolvenzen gab es so wenig wie zuletzt 2006. Das zeigt eine Analyse von Europas Gläubigerschutzorganisation Creditreform. Doch Finanzexperten sind sich einig: Die große Insolvenzwelle steht Österreich erst bevor, spätestens wenn wieder das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte zugelassen wird und staatliche Regulierungen – seien sie noch so gut gemeint – zurückgefahren werden. 

ÖSTERREICH. Bis Jahresende rechnet das Arbeitsministerium mit rund 500.000 Arbeitslosen. Dazu kommt, dass immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Obwohl es somit angesichts der größten Wirtschaftskrise um die Finanzen der Österreicherinnen und Österreicher schlecht bestellt zu sein scheint, sinken die Privatinsolvenzen auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren.

Trotz der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und eines massiven Konjunktureinbruchs im Zuge der Covid-19-Pandemie ist die Zahl der Firmeninsolvenzen um 41,5 Prozent auf etwas mehr als 3.000 Verfahren zurückgegangen. So wenige Insolvenzen gab es in Österreich zuletzt vor 30 Jahren. Und auch die Privatinsolvenzen für das Jahr 2020 sanken in Österreich. Trotz einer hohen Arbeitslosigkeit ist die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren um knapp 27 Prozent auf rund 7.300 Verfahren gesunken. So wenig Insolvenzen gab es zuletzt im Jahr 2006. 

Zu den Gründen meint Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform: 

"Die Österreicherinnen und Österreicher sparen angesichts der unsicheren Wirtschaftslage und aus Angst um einen möglichen Jobverlust mehr als sonst. Das zeigt auch der bisher schwach anlaufende Weihnachtskonsum. Auch haben das großzügige Kurzarbeitsmodell sowie die Kredit- und Zinsmoratorien den finanziellen Druck bei manchen etwas entschärft.“ Die Hauptursachen für die Privatinsolvenz liegen wie immer im Arbeitsplatzverlust, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie im generell sorglosen Umgang mit Geld."

Die größte Firmenpleite im Jahr 2020 war die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland. | Foto: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung
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Bundesländervergleich: 12 von 10.000 Erwachsenen sind insolvent

Ein Bundesländer-Vergleich zeigt den stärksten Rückgang in Tirol (-37,1%), gefolgt vom Burgenland (-36,8%) und Wien (-29,8%). Generell findet jede dritte Privatinsolvenz in der Bundeshauptstadt statt, die sowohl Spitzenreiter bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (2.739 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit ist: 19 von 10.000 erwachsene Wiener mussten den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Österreichweit wurden hingegen 12 von 10.000 Erwachsenen zahlungsunfähig.

"Sollte der Wintertourismus nicht in die Gänge kommen und dadurch weiter viele Jobs verloren gehen, die Wirtschaft und der Binnenkonsum nicht schnellstmöglich nach der erhofften Impfmöglichkeit anspringen, wird der finanzielle Druck auf die Menschen steigen und mehr in die Schuldenregulierung führen", so Weinhofer: "Dann werden die Privatinsolvenzen sicher wieder auf mehr als 10.000 Fälle pro Jahr steigen. Aus konsumentenpolitischer Sicht ist es daher nachvollziehbar, dass die Bundesregierung Pläne schmiedet, die Entschuldungsdauer auch für Privatpersonen von fünf auf drei Jahre zu senken und diesen damit schneller die Rückkehr in den Wirtschaftskreislauf zu ermöglichen."

Die Firmeninsolvenzen mit den meisten Mitarbeitern, die ihren Job verloren haben, sind 2020 die Vapiano Restaurant Betriebs- und Beteiligungs Gmbh in Wien sowie Kremsmüller in Oberösterreich und ATB Spielberg in der Steiermark. | Foto: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung
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Unternehmensinsolvenzen sinken auf das Niveau von 1990

Die Zahl der eröffneten Verfahren ging um rund 42 Prozent auf 1.800 Fälle zurück. Die mangels Vermögen abgewiesenen Verfahren sanken um knapp 40 Prozent auf etwa 1.200 Fälle. Die Insolvenzursachen liegen erstmals nicht hauptsächlich in Managementfehlern sondern im Kapitalmangel. Bei allen Insolvenzverfahren waren in Summe rund 14.000 Arbeitsplätze betroffen. Die Insolvenzverbindlichkeiten werden auf ca. 2,2 Mrd. Euro geschätzt.

"Um die wirtschaftlichen Folgen der zahlreichen Tätigkeitsverbote ganzer Branchen abzumildern, wurden massive wirtschaftspolitische Eingriffe verordnet, z.B. das teilweise Aussetzen der Insolvenzantragspflicht, das Moratorium hinsichtlich der Insolvenzanträge durch die ÖGK und die Finanzämter. Diese sind aber auch verantwortlich für die abnormale Insolvenzentwicklung, in der sich die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Unternehmen nicht widerspiegelt", so Weinhofer: "Es wäre aber nun an der Zeit, das Insolvenzrecht mit seinem bewährten Sanierungsinstrumentarium wieder uneingeschränkt und damit eine Marktbereinigung zuzulassen. Eine Prolongierung der Hilfsmaßnahmen und dadurch weitere Verschuldung des Staates würde nur den Überlebenskampf vieler Unternehmen hinauszögern, den letztlich alle Steuerzahler bezahlen müssten.“

Die meisten Insolvenzen gab es in der Bundeshauptstadt Wien gefolgt von den Bundesländern Niederösterreich und der Steiermark. | Foto: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung
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Bundesländervergleich der Firmeninsolvenzen

Den stärksten Rückgang verzeichneten die westlichen Bundesländer Tirol (-57,5%), Vorarlberg (-51,5%) und Salzburg (-50,6%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit knapp 11 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit 3,5 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten etwas mehr als 6 von 1.000 Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten.

2021: Kommt die Insolvenzwelle?

Die gravierenden Eingriffe der Wirtschaftspolitik erklären wohl das Paradoxon stark sinkender Firmeninsolvenzen in der größten Wirtschaftskrise. Man fragt sich nun, was für 2021 zu erwarten ist? Creditreform hat dazu seine Bilanzdatenbank mit den rund 150.000 hinterlegungspflichtigen Unternehmensbilanzen analysiert. Das Ergebnis: "Berücksichtigt man dazu die aktuelle Wirtschaftsentwicklung mit einem geschätzten Rückgang des BIP um mindestens 8 Prozent, ergibt sich eine Zahl von rund 50.000 Unternehmen, die insolvenzgefährdet sind und lediglich aufgrund der jahrelangen Niedrigzinsen überleben konnten und aufgrund der aktuellen Hilfsmaßnahmen weiter überleben können", so Weinhofer. Wann kommt nun die Insolvenzwelle? "Das dürfte spätestens dann der Fall sein, wenn wieder das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte zugelassen wird und staatliche Regulierungen – seien sie noch so gut gemeint – zurückgefahren werden. Diese Entwicklung wird maßgeblich davon abhängen, wann man die gesundheitlichen Risiken der Pandemie durch wirksame Impfstoffe in Griff bekommt. Klar ist aber, dass einmal der Zahltag kommen wird, für die Unternehmen und für alle Bürger als Steuerzahler."

Die meisten Privatinsolvenzen wurden in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich verzeichnet. | Foto: Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung
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Entschuldungsdauer für Private verkürzen ist "Harakiri"

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