Matratzen-Startup
"Trau dich über Österreich hinaus zu denken"
- "Die Matratzenbranche ist noch eine eher konservative Branche mit vielen alt eingesessenen Unternehmen."
- Foto: MeinBezirk
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Verena Judmayer ist Co-Gründerin des Start-ups “MATR.“ Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Michaela Stephen hatte sie die Idee, eine nachhaltige Lösung für Matratzen in der Hotellerie zu schaffen, die im Kreislauf verbleiben können. 2022 folgte die Gründung von „MATR.“(vormals Sleepify). Heute vertreiben die Partnerinnen recycelbare Matratzen an Hotels, die sich für Kauf oder Miete entscheiden können, und kümmern sich auch um deren Lieferung, Rücknahme und Recycling. Mit ihrem Start-up sind die jungen Gründerinnen bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Zuletzt beim „Generali SMEnterprize 2024“ in der Kategorie – Start-up.
ÖSTERREICH. MeinBezirk durfte Frau Judmayer im Climate Lab besuchen, einem Co-Working-Space, der die Vernetzung von unterschiedlichen Start-ups und Unternehmen mit Fokus auf der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft voranbringen soll. Das Climate Lab befindet sich gleich neben der Fernwärme Wien-Spittelau und wurde vom Klimaschutzministerium (BMK) gemeinsam mit Wien Energie und anderen Partnern ins Leben gerufen.
MeinBezirk: Frau Judmayer, Sie haben “MATR.“ 2022 ins Leben gerufen. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Startup zu gründen?
Verena Judmayer: Wir haben "MATR" 2022 gegründet, weil wir auf ein großes Abfallproblem gestoßen sind. In Europa landen alleine über 30 Millionen Matratzen jedes Jahr im Müll. Wir dachten: Wow, was wird da für eine riesige Menge an Matratzen entsorgt! In Österreich alleine sind es ungefähr 1,4 Millionen Matratzen, was umgerechnet ungefähr so viel ist, wie 81 Mal der Großglockner. Für Bergliebhaberinnen wie mich ist das schon sehr schockierend, dass jedes Jahr so viele Matratzen entsorgt werden. Und das, obwohl alle von uns rund ein Drittel der Lebenszeit auf einer Matratze verbringen. Viele machen sich Gedanken, wie man privat nachhaltiger leben könnte, aber kaum jemand denkt wirklich an ein Produkt, das man so oft nutzt wie eine Matratze. Normalerweise werden diese im Sperrmüll entsorgt und landen dann in der Müllverbrennungsanlage. Das ganze Material wird faktisch vernichtet. Wir haben uns gedacht, wieso muss das sein, dass all diese noch wertvollen Materialien direkt in die Vernichtung gehen? Und was könnte man ändern oder wo muss man anfangen, um Änderungen zu bewirken? So haben wir angefangen, die Idee hinter „MATR“ zu entwickeln und heute nutzen bereits 15 Hotels unsere Matratzenlösung.
Welche Herausforderungen gibt es, um als Gründerin erfolgreich zu sein?
Ganz viel fängt bei einem selbst an, wie man jeden Tag ins Leben geht und wie sehr man Herausforderungen als Limitierung oder als Chance sieht. Eine Herausforderung, die es zu meistern gilt, um dann noch mehr zu wachsen, mehr zu lernen, besser zu werden und weiterzukommen. Ich glaube, dieses Mindset, diese Problemlösungskompetenz, ist etwas ganz Wichtiges. Es gibt auch unzählige Herausforderungen als Gründerin in der Matratzenbranche.
- Verena Judmayer (MATR) im Gespräch mit MeinBezirk.
- Foto: MeinBezirk
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Welche sind das speziell?
Die Matratzenbranche ist noch eine eher konservative Branche mit vielen alt eingesessenen Unternehmen. Das heißt, wenn man dort als junge Gründerin aufschlägt, wird man nicht von Tag eins an ernst genommen. Da muss man sich schon ein bisschen ein Standing erarbeiten. Am Ende des Tages ist es aber egal, ob Mann oder Frau, man muss einfach erst viel arbeiten, um dann die Früchte zu ernten. Man muss sich aber sehr viele zweideutige Kommentare anhören, gerade bei Sales-Events. Wenn eine junge Frau Matratzen verkauft, kann man sich schon alles Mögliche sagen lassen. Irgendwo muss man da halt drüber stehen. Es ist aber auch ein bisschen ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass solche Kommentare, insbesondere von Männern, in der Berufswelt immer noch standardmäßig vorkommen. Dass eine Frau als Unternehmerin oder in einer Führungsposition ein gleiches Standing hat wie ein Mann in derselben Position, da gibt es noch viel Aufholbedarf – auch in der Art, wie man miteinander kommuniziert. Für uns gab es ganz viele tolle UnterstützerInnen, Männer wie Frauen, die wir mit unserer Idee begeistern konnten. Überwiegend waren es aber andere Frauen, die es in ihrer Branche zu etwas gebracht haben, die ihre Position nutzten, um dann wiederum junge Frauen wie uns zu unterstützen.
Gibt es aus Ihrer Perspektive als Gründerin und Unternehmerin einen Appell an die Politik, etwas zu verbessern?
Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann. Ganz wichtig wäre, dass man für den Schritt ins Unternehmertum das Risiko ein bisschen herausnimmt, damit man die Hürden, etwas auszuprobieren, verringert. Es gibt aktuell tolle Programme, die dabei unterstützen, dass man nicht z. B. zwei Jahre ohne Einkommen auskommen muss. Und dass, wenn man eine gute Idee hat, mithilfe von Förderungen diese entwickeln kann und der Lebensunterhalt erst einmal finanziert ist. Das ist vor allem für Gründerinnen eine tolle Sache, weil das die Angst herausnimmt und das Risiko minimiert, falls es nicht funktionieren sollte. Da gibt es auch super Programme, zum Beispiel von der Wirtschaftsagentur Wien mit dem Gründerstipendium. Es wäre sinnvoll, solche Programme in ganz Österreich zu etablieren. Es wäre aber auch sehr wichtig, dass man die Vereinbarkeit zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und der Gründung einer Familie beziehungsweise des Familienlebens besser gewährleistet. Aktuell sind die Rahmenbedingungen dabei nicht unbedingt unterstützend. Als Unternehmerin hat man ja in der Regel sowieso nicht die Intention, zwei Jahre in Karenz zu gehen, da man seine Projekte weiter vorantreiben muss. Aber auch die Entlastung des Partners einer unternehmerisch tätigen Person wäre ein wichtiges Thema, an dem man arbeiten könnte.
Welchen Tipp würden Sie jungen Frauen geben, die auch etwas erreichen wollen oder sogar gründen möchten?
Ein Tipp, den ich auf jeden Fall mitgeben kann, ist, dass man sich von Anfang an einen Sparringpartner sucht. Eine Person, die vielleicht in der Branche schon Erfahrung hat und die einen während der ganzen Entwicklung begleitet. Jemand, der hartes Feedback gibt, wenn es einmal sein muss oder man vielleicht selbst noch ein wenig in einer Traumwelt unterwegs ist, oder einem auch die eigenen Erfolge aufzeigt, wenn man zu sehr in daily Business fest hängt. Gerade am Anfang ist so eine Art MentorIn, eine Vertrauensperson, eine sehr gute Sache. Eine andere wichtige Sache ist es, aktiv Netzwerke aufzubauen und diese auch zu pflegen. Zu schauen, wo die Leute sind, die für mein Geschäft wichtig sind und dann auch wirklich versuchen, über den eigenen Schatten zu springen und die richtigen Personen auch anzusprechen. Ich glaube, das ist oft eine Hürde bei jungen Frauen, weil man – fälschlicherweise – davon ausgeht, man hätte nichts zu sagen, nicht so viel Erfahrung oder man fühlt sich selbst unsicher. Ein Tipp wäre auch noch, Think Big! Bleib nicht nur in deinem eigenen kleinen Umfeld, sondern trau dich auch größer zu denken, trau dich über Österreich hinaus zu denken. Diese drei Dinge würde ich auf jeden Fall gerne jeder Gründerin mitgeben.
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