Experten warnen
Unser Lebensraum ist eine enden wollende Ressource

Die Geographen Martin Heintel, Yvonne Franz mit ihrem Buch "Kooperative Stadt- und Regionalentwicklung" auf der Uni Wien. | Foto: Markus Spitzauer
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In dem Buch "Kooperative Stadt- und Regionalentwicklung" gehen auf Initiative der GeographInnen Yvonne Franz und Martin Heintel von der Universität Wien mehrere Forscherinnen und Forscher der Frage nach, wie Kooperative Stadt- und Regionalentwicklung – als Lösungsmodell in räumlichen Veränderungsprozessen gelingen kann. Die beiden HerausgeberInnen warnten im Gespräch mit den RegionalMedien Austria vor nicht genützten Chancen bei Raumordnung und Bodennutzung und sprachen über die größten Herausforderungen. 

ÖSTERREICH. "Raum ist eine enden wollende Ressource. Es gibt nur so viel, wie innerhalb der Staatsflächen verfügbar ist, und davon ist relativ wenig Siedlungsraum ausgewiesen. Die wenige Fläche wird knapper", stellt Heintel fest, der eine Diskussion um "Raumgerechtigkeit" vermisst: "Wer erzielt zum Beispiel die Gewinne bei der Bodennutzung bzw. Umwidmung von Flächen?" Heintel spricht dabei auch das Thema "Schanigärten" an. Franz ortet auch eine Ungleichheit zwischen sozialen Schichten: etwa jenen, die im überhitzten Stadtteil in kleinen Wohnverhältnissen leben müssen, und jenen, die in begünstigten Freiräumen leben, in der Natur, in Parknähe oder mit Balkon. 

RegionalMedien Austria: Was für Auswirkungen hat das Thema Mobilität und Zweitwohnsitz innerhalb Österreichs im Kontext von Pandemie und Krise?
Martin Heintel: Durch die Mobilität der Gesellschaft insgesamt haben sich sehr viele Verflechtungszusammenhänge zwischen Stadt und Land ergeben. Das betrifft etwa Pendeln, Freizeit, Familien, und so weiter. Das Thema der Multilokalität, also mehrere Wohnungssitze gleichzeitig, hat sich durch die Pandemie dynamisiert und befeuert dieses Thema weiter, aber es ist nicht auslösend. 

Yvonne Franz: Wir sprechen hier noch gar nicht von der Vielzahl an Menschen, die nicht die Option haben, aufs Land zu ziehen oder einen Zweitwohnsitz zu finanzieren. Beides sind dominante Diskurse einer wohlstandsgeprägten Gesellschaft: In der Stadt wird es jetzt unangenehmer zu leben, vielleicht will man doch lieber das Eigenheim mit Gartenabschnitt. Das Thema hatten wir in der Pandemie, und wir sehen das ja auch beim Thema Klimawandel, dass hier eine riesige Ungleichheit besteht. Jene, die im überhitzten Stadtteil in kleinen Wohnverhältnissen leben müssen, und nicht die privaten Freiräume haben und nicht die Nähe zu einem Park oder einer neu geschaffenen kühlen Gasse.
Wir können nicht nur von Urbanisierung sprechen, wir müssen auch gleichzeitig paralelle Prozesse berücksichtigen. Zum Einen ein Suburbanisierungsdrang, viele Menschen wollen nach wie vor im Eigenheim in einem Speckgürtel leben. Dazu kommt die Digitalisierung. Wie wir arbeiten, verändert komplett unser Leben. Es gibt also viele Prozesse, die uns GeographInnen und RegionalentwicklerInnen Anknüpfungspunkte liefern, und wo wir uns vernetzen müssen, um diese Komplexität zu verstehen.

Inwiefern vernetzen?
Franz: Wir brauchen eine relationale - im Sinne einer vernetzten - Betrachtungsweise etwa für das Treffen von Widmungsentscheidungen. Etwa, um die Kausalitäten zu erkennen und auch die Konsequenzen aus den Entwicklungen zu erkennen, und zwar langfristig, über eine Wahlperiode hinaus. 

Heintel: Die verschiedenen Kompetenzen sind ja auch sehr interessant. Prinzipiell ist die kommunale Ebene die erste Instanz und zuständig für den ersten Aufschlag einer Flächenwidmung. Gleichzeitig sind die Länder bei größeren Standortentscheidungen beteiligt, also politisch und formal-verwaltungsrechtlich. Nur, wenn man mit einem Bürgermeister am Land diskutiert, wird er sagen, dass er nichts tun kann und die Entscheidungen quasi an ihm vorbeigehen. Das Land sagt dann, diese Entscheidungen werden auf kommunaler Ebene getroffen. Und beides stimmt. Je nachdem, worum es geht, wird das häufig so gespielt. 

Sie wehren sich in diesem Buch gegen den allgemeinen Gebrauch der Begriffe wie Land- oder Stadtflucht, Schrumpfung, oder sterbende Dörfer. Fährt man durch so manche Dörfer in Österreich, findet man oft Ortskerne mit leerstehenden Gebäuden, ohne Wirten, Bäcker oder Lebensmittelgeschäften vor. Die RegionalMedien NÖ haben mit der Aktion „Gemeinsam gegen den Leerstand“ ausführliche Ortsreportagen dazu gemacht. Und siehe da: Durch diese Recherchen konnte der Ortskern wieder belebt werden. Warum wehren Sie sich dagegen, dass diese Begriffe von JournalistInnen aufgegriffen werden? Aus Angst vor einer self fulfilling prophecy?
Heintel: Es geht weniger um das Beschreiben dessen, was man sieht, sondern es geht um die Frage, warum bestimmte Zusammenhänge letztendlich sichtbar werden. Und der Leerstand, gerade in ländlichen Regionen, vor allem im mittelständischen Bereich, ist vielfach selbst gemacht. Das ist etwas, was immer gern verborgen wird, vor allem wenn wir vom Thema Bodenversiegelung sprechen. 

"Wenn grüne Wiesen gewidmet und dann Kreisverkehre gebaut werden, dann muss man sich auch nicht wundern, wenn es im Zentrum keinen Einzelhandel mehr gibt."

Dahinter steht dann ebenso individuelles Einkaufsverhalten usw. Und dann wird gesagt, dass der Boden nicht versiegelt werden darf. Das ist sehr zirkulär. Natürlich gibt es auch andere Gründe, der Einzelhandel will heute mehr Fläche haben – das ist im kleinräumigen, mittelalterlichen Dorf von den Räumlichkeiten her oft nicht möglich. Vielfach hat es auch mit Eigentumsverhältnissen zu tun, , die schwer mobilisierbar sind. 

Das Ziel jeder Gemeinde ist es, unabhängig davon, wie kreativ und gut aufgestellt sie ist, Leerstand zu vermeiden bzw. den Leerstand neu zu bespielen. Wenn man ständig selbst davon spricht, wie leer alles steht, ist das keine Einladung, dorthin zu gehen. Das ist die "broken window-Theorie". Wenn etwas kaputt ist und man haut noch drauf, dann lädt das niemanden ein, das zu bespielen, Zuzug wird dann auch nicht gefördert. Die ständige mediale Erwähnung der Begriffe "sterbende Ortskerne", “Landflucht” sehen wir kritisch, weil es eine Art negativ-Branding ist, das auch instrumentalisiert wird, um gewisse Eigeninteressen zu schüren, und mit der Identität der Menschen nichts zu tun hat. Leerstand heißt ja nicht, dass die Ortskerne tot sind! Diese sind deswegen vielleicht gar nicht weniger innovativ. Wir sehen es nur nicht. Wir debattieren stark die sogenannten Coworking-Spaces, auch in peripheren Regionen. Viele Menschen werden in den Städten ausgebildet und gehen zurück in ihre Heimatgemeinden, und suchen dort ein modernes Arbeitsumfeld. Lokale PolitikerInnen werden immer jünger und innovativer und wollen Änderungen. Diese Impulse von außen braucht es. Ein vermeintlicher Leerstand ist auch ein enormer Potenzialraum für Neues!

Leerstand ist das Eine, Schrumpfung ist das Andere. Da wird oft von "schrumpfenden Regionen" gesprochen und stellt sich dann  als total undifferenziertes Pauschalurteil heraus. Aus wissenschaftlicher Sicht muss man das Alter anschauen, muss Zu- und Wegzug differenzieren, auch, was Ausbildungszyklen betrifft, und so weiter. Je genauer man hinschaut, desto schwieriger wird es letztendlich, empirisch evident von "schrumpfenden Regionen" zu sprechen. 

Bleiben wir beim Thema Leerstand. Ein Problem ist ja auch, dass große Unternehmen und Handelsketten sich an den Ortsrändern ansiedeln und damit kleine Händler verdrängen und das Leben in den Ortskernen abwürgen. Vom Problem der Mobilität gar nicht zu sprechen. Sollen diese Unternehmen jetzt zusperren müssen? Ein Trend geht ja auch in die Richtung, dass viele Ketten kleine Läden in den Ortskernen eröffnen. Ist das aus Ihrer Sicht ok, oder soll man das aus wirtschaftlicher Sicht auf private Händler aufteilen?
Franz: Wenn Sie Selbstbedienungs-Regionalläden meinen, das ist keine Ortskernbelebung. Die gehen ja auch an die Ausfallstraßen und haben ihre Abruf-Mitnehmware. Die Ortskerne "sterben" ja nicht nur aufgrund der großen Handelsketten. Meine Forschung in urban geprägten Kontexten zeigt, dass enorme Schwierigkeiten in der Nachfolgeregelung liegen. Das Gesellschaftsproblem ist auch die Alterung bei den jetzt so beliebten eigentümergeführten Unternehmen: Wenn die BetreiberInnen in Pension gehen, wer übernimmt das Geschäft? Bei der Übergabe wird meist sichtbar, dass die Mieten, das Geschäftslokal teurer wird, oder substantiell renoviert werden muss. Wir müssten schauen, wie wir den neuen Generationen diese ökonomische Verwirklichung im Ortskern ermöglichen können. Dazu kommt das Thema Digitalisierung, also der Onlinehandel. 

Wir können nicht über Ortskernbelebung sprechen, wenn wir dann als KonsumentInnen alle bei den großen einschlägigen OnlinehändlerInnen einkaufen. Das wäre Symptombehandlung. Aber eigentlich sollten wir den Kern des Problems behandeln.

Stichwort Bodenfraß: Ein Problem ist ja auch, dass durch die Ansiedlung an der Peripherie die Nutzung des Bodens ad absurdum geführt wird. Welche Auswirkungen hat das konkret auf die Umwelt und was kann man dagegen tun? Ist die Bodenwidmung das Problem? Sollte diese einer anderen Kompetenz unterstellt werden?
Heintel: Grundsätzlich ist das Problem multipel: Der Kern der Kaufkraft in den Ortschaften wandert ab. Verlagerung des Handels ist ein Thema. Das zweite Thema ist natürlich Bodenversiegelung an sich, und die Frage ist eigentlich sehr einfach zu beantworten:

Raum ist eine enden wollende Ressource. Es gibt nur so viel, wie innerhalb der Staatsflächen da ist und davon ist relativ wenig Siedlungsraum da. Es gibt wenig Fläche, und die wird knapper.

Es gibt ökologische Argumente, die natürlich von Standort zu Standort unterschiedlich sind und es gibt vor allem Bestand, der aber anders in Wert gesetzt werden könnte, wie zum Beispiel Leerstand. Es gibt Unverhältnismäßigkeiten im Konsum und beim Verbrauch.

Die Flächenwidmung an sich ist nicht das größte Problem, sondern eigentlich ein gutes Instrument. Die Pläne werden alle zehn Jahre auf kommunaler Ebene adaptiert. Die Gemeinden haben meist genug Widmung im Flächenbestand, sodass es meist keiner weiteren Widmungen bedarf. Die Pläne an sich sind also von der gesetzlichen Lage her nicht das Problem, sondern vielmehr der Umgang damit. Eine Standardantwort darauf wäre, zu sagen, dass, wenn wir die Gesetze einhalten würden, es keine Probleme gäbe. Dann bräuchte es keine weiteren, härteren Regelungen. Nur, die Praxis zeigt, dass das in der Regel nicht so läuft. Sei es durch soziale Beziehungen, durch Schwerpunkte, die gesetzt werden wollen, durch Dehnung der Gesetzeslage, durch zu erwartende Umwidmungsgewinne beim Kauf pro futuro, auch von BürgermeisterInnenseite, die da ja meist einen guten Einblick haben, etc. 

Ein Instrument, das gerade stark diskutiert wird, auch im Zusammenhang mit dem österreichischen Raumentwicklungskonzept, ist die Raumgerechtigkeit, und da geht es auch sehr stark um Monetarisierung. Wer erzielt zum Beispiel die Gewinne bei der Bodennutzung bzw. Umwidmung von Flächen?  

Ist damit auch zb. die Nutzung von Schanigärten gemeint?
Franz: Im urbanen Raum gilt es auch die Abgaben für Schanigärten neu zu bewerten. Es kann ja nicht sein, dass die öffentliche Hand den öffentlichen Raum großzügig z.B. durch Errichtung einer Fußgängerzone aufwertet und die Gastronomen allein sind jene, die die Gewinne abschöpfen. All das wird neu zu diskutieren sein. Insgesamt wird die Bodenknappheit in den letzten zwei Jahren sehr lebendig diskutiert. In Österreich hat auch eine Ausstellung des Architekturzentrum Wien dazu beigetragen, indem sehr deutlich visualisiert wurde, was es bedeutet, wenn Boden vergeben wird. Wir sind wahnsinnig ineffizient in unserer Bodennutzung. Wieso verdichte ich nicht das, was ich habe? Wieso entscheidet man sich bei Standorterweiterungen eher für eine kostengünstige riesige Halle anstatt für eine qualitätsvollere Lösung mit weniger Fläche?


Bisher hatten wir den wahnsinnigen Luxus zu konsumieren, was wir konsumieren wollten, ohne es zu hinterfragen. Durch den öffentlichen Druck wird ein Umdenken geschaffen, was es heißt, Biodiversität zu verlieren. 


Was verstehen Sie unter dem Begriff „kooperative Stadt- und Regionalentwicklung“? Welche Ziele könnten durch mehr Kooperationen erreicht werden?
Heintel: Unsere These ist, dass Fragen der Raumentwicklung nur mehr kooperativ gelöst werden können, aufgrund der Komplexität, aufgrund der Akteursvielfalt und so weiter. Dabei geht es einerseits um ein Zusammenspiel zwischen privaten und öffentlichen, aber auch um das von Bevölkerung und kommunalen Interessen, im Sinne einer Daseinsvorsorge. Da muss man anschauen, was spielt wo zusammen, wie kann ich die Akteure so zusammenbringen, dass Fragestellungen sinnvoll gelöst werden können. Standortfragen etwa sollten zukünftig nur noch interkommunal gelöst werden. Wenn sich zum Beispiel IKEA im Rheintal ansiedeln will, dann kann das nicht eine Frage von Götzis sein, sondern dann ist das eine Frage von allen Rheintalgemeinden, und dann muss man schauen, wo passt die Ansiedelung am besten hin, vom Anschluss her, der Fläche, und der Raumverträglichkeit her. Das sind ganz viele unterschiedliche Fragestellungen. Und am Ende muss man sich die Frage stellen, wie kann man diesen steuerlichen Gewinn, der in der Logik nur auf eine Gemeinde ausgeschüttet wird – deswegen "geiern" ja auch alle auf Standorte – so aufteilen, dass das unter allen Gemeinden im Einzugsbereich fair ist? 

Franz: Das Thema Bodenverkauf oder Bodenversiegelung ist eines von vielen, aber im Grunde geht es darum, dass wir mehr Wissen darüber brauchen und vermitteln müssen, wie die einzelnen AkteurInnen miteinander verbunden sind, und vor allem, mit welcher Logik sie handeln. Am Ende ist ja Kooperation mit Kommunikation gleichzusetzen. In dem Moment, wo ich meine Gegenüber – und das sind viele – besser verstehe und deren Handlungsweg verstehe, kann ich aus meiner Position besser darauf eingehen und meinen Standpunkt erklären. Es geht um das Verständnis füreinander, aber auch darum, konfliktfähig miteinander zu kommunizieren. 

Heintel: Kooperation findet ja primär leider erst dann statt, wenn Not am Platz ist. Das heißt, Kooperation aus dem Leidensdruck heraus veranlasst sich in der Regel durch monetäres Verlangen. Besser wäre, dass man sagt, man erkennt eine gesellschaftliche Problemstellung, Bodenversiegelung beispielsweise, wie kann man das lösen? Wen braucht man dazu, welche Akteure muss man einbinden, damit eine positive Gestaltung entsteht? Das ist natürlich aufwändiger und meistens zu einem Zeitpunkt eingetaktet, wo die Not noch nicht da ist. Es wäre aber wünschenswert, diese Anknüpfungspunkte in diesen verschiedenen Sprachen so zu vermitteln, dass das Problem früh genug erkannt und entsprechend früher gehandelt wird. Das würde im ökonomischen Sinn starke Vorteile bringen. 

Franz: Man kann Kooperation übrigens auch über Förderansätze als Bedingung einfordern, etwa durch die Einbindung von Bildungsinstitutionen, eine Kooperation mit wissenschaftlichen Experten. 

Sie unterteilen Regionen in soziale, smarte, unternehmerische und nachhaltige Regionen. Ist eine Region dann als „gesund“ zu bezeichnen, wenn diese Faktoren in einem Gleichgewicht sind?
Heintel: Diese Benennung bzw. diese Auswahl hat sich dadurch ergeben, dass wir in vielen Gesprächen, also mit Land, Bund, Gemeinden, Wirtschaft usw. das Gefühl bekommen haben, dass das gute Rahmen sind, um Entwicklungen der Gegenwart, die wünschenswert sind, zu beschreiben. Einfach gesagt, ja, so ist es. Ich glaube, es umschreibt sehr gut das, was gesellschaftspolitisch notwendig ist. Aber wir arbeiten auch an weiteren Modulen, der "resilienten Region" zum Beispiel. 

Was braucht es dann für das Thema Boden?
Heintel: Ich glaube immer noch, dass eine Raumordnung auf Bundesebene in vielen Bereichen eine gute Antwort wäre. Aber das ist politisch weder gewünscht noch opportun. Aber für bestimmte Fragen, vor allem der Flächenentwicklung, bedarf es einer weiteren Instanz oder einer weiteren Rückkopplung. Da muss ein bisschen mehr weg von den Gemeinden genommen werden. Das wird aber nicht passieren, daran gibt es kein Interesse. 

Gibt es auch andere Lösungen?
Heintel: Es gibt auch insofern andere Lösungen, weil jetzt schon viele Gemeinden zusammenfinden und kooperieren, aber nur im Kleinteiligen oder Situativen. Fragestellungen nach beispielsweise Leerstand funktionieren kleinteilig. Das ist dann freiwillig und sehr erfreulich, aber es ist nicht gesetzgebend verankert. Leitbild gebend, informell ist ja Vieles in Österreich gewünscht, aber wird mit der Faktenlage unterschiedlich interpretiert. 

Franz: Wir können weiter über juristische Rahmenbedingungen diskutieren, und die Rolle der Privatwirtschaft hinterfragen, aber wir müssen auch so ansetzen, dass jeder und jede versteht, was das eigene Handeln für Konsequenzen hat. Wir brauchen vom Kindergarten bis zur nicht-erwerbstätigen Phase im Leben regelmäßige Wissensupdates, was es bedeutet, wenn wir den Boden versiegeln. Und wir sehen jetzt in den aktuellen Protesten, Fridays for Future genauso wie "Die Erde Brennt", dass die jüngeren Generationen sehr deutlich und sehr viel offener die echten Probleme ansprechen und einfordern, dass gehandelt wird. Wir verstecken uns oft hinter der Antwort, dass wir mehr darüber diskutieren müssen, aber die Zeit ist nicht da! Also es braucht Bildung und Updates von Bildung. Auch Menschen, die schon im Pensionsalter sind, brauchen Wissensupdates. Wenn ich in meinem Lebenszyklus mit meinen Einstellungen weiter gehe, ohne von außen Impulse zu bekommen, bekomme ich überhaupt nicht mit, was die neuen Fragestellungen sind. Ich fordere lebenslangen Bildungserwerb ein!

Hinweis:
Franz, Yvonne und Heintel, Martin (Hg.) (2022): Kooperative Stadt- und Regionalentwicklung. Wien: facultas (= UTB 5880) ISBN 978-3-8252-5880-1; e-ISBN 978-3-8385-5880-6; e-PUB 978-3-8463-5880-1
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Anmerkung:
In den vergangenen drei Jahren wurden in Österreich zwischen 41 Prozent und 42 Prozent der neu in Anspruch genommenen Flächen auch versiegelt. Das sind rund 15-20 km2 pro Jahr, die dauerhaft verloren gehen, weil der Boden mit einer wasserundurchlässigen Schicht abgedeckt, also bebaut, betoniert, asphaltiert oder gepflastert ist. Damit kann der Boden wichtige Funktionen, wie die Fähigkeit Wasser zu speichern und zu verdunsten, Schadstoffe zu filtern und Kohlenstoff zu binden, nicht mehr erfüllen. Geht dies so weiter hat es dramatische Folgen für eine Reihe von Bereichen, wie z.B. die Biodiversität, die Nahrungsmittelversorgung, die Trinkwasserversorgung etc.
(Quelle: Umweltbundesamt)

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