KSV1870
Warum heuer Zahl der Firmenpleiten rekordverdächtig gering ist

Das paradoxe Bild von gesunkenen Insolvenzzahlen während einer der größten Wirtschaftskrisen des Landes -  aufgrund von künstlich eingreifenden Maßnahmen der Bundesregierung bleibt dieses Bild aufrecht, so die Experten von 1870. | Foto: 1870
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Überraschend zeigt sich trotz der größten Wirtschaftskrise seit dem Weltkrieg bei den Unternehmensinsolvenzen heuer die niedrigsten Insolvenzeröffnungszahlen seit 1990. Der KSV1870 erklärte bei einer Pressekonferenz, warum das so war, und wie die Unternehmen das heurige und nächste Jahr sehen. Außerdem fordert der Verband ein Ende des "Gießkannenprinzips" von der Bundesregierung und, dass Betriebe nicht künstlich am Leben gelassen werden.

ÖSTERREICH. Diese Statistik spiegelt nicht den tatsächlichen Zustand der Wirtschaft wieder. Denn bei einem Gesamtrückgang von fast minus 40 Prozent kam es im Jahr 2020 hochgerechnet zu gerade einmal 3.000 Insolvenzen: Bis zum ersten Lockdown waren die Insolvenzzahlen um nur fünf Prozent geringer als 2019, nach dem ersten Lockdown bis Ende des Jahres sind die Insolvenzzahlen auf die Hälfte zurückgegangen, sodass sich auf das Gesamtjahr gerechnet ein Minus von fast 40 Prozent ergibt. Das ergibt eine Analyse des KSV 1870, die der Schuldnerverband am Mittwoch vor Journalisten veröffentlicht hat.  

Dabei blieb die Zahl der betroffenen Dienstnehmer jedoch relativ gleich (-5,2 %), während die Passiva auf fast drei Milliarden Euro gestiegen sind.

Im Jahr 2020 um 40 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen als im Jahr davor. Vor allem in Westösterreich ist die Reduktion deutlich zu beobachten. Grund: Mehr KMU, die von den Förderungen profitiert haben. | Foto: KSV1870
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Größte Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

Das paradoxe Bild von gesunkenen Insolvenzzahlen während einer der größten Wirtschaftskrisen des Landes bleibt aufgrund von künstlich eingreifenden Maßnahmen der Bundesregierung aufrecht. „Für eine gesunde Volkswirtschaft ist es wichtig, dass das Insolvenzrecht regelkonform zum Einsatz kommen kann“, sagte Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Betrachtet man die Zahlen von Jänner bis Mitte März diesen Jahres, so habe diese verdrehte Situation eindeutig mit dem ersten Lockdown und den damals in Kraft tretenden Verordnungen begonnen.

Passiva trotz Insolvenzrückgangs deutlich gestiegen

Die Statistik zeigt, dass im Vergleich zum Vorjahr die Passiva in diesem Jahr um rund 75 Prozent auf fast drei Milliarden Euro angestiegen sind. Ohne der Commerzialbank-Pleite bleiben immer noch rund 2,2 Milliarden Euro. Somit belaufen sich die Schäden der rund 40.000 Gläubiger (ohne dieser Großinsolvenz) aufgrund eines Anstiegs an Großinsolvenzen immer noch auf ein Plus von 28 Prozent - trotz des massiven Rückgangs von Insolvenzen. Zudem wurden Finanzamt und Gesundheitskassa angehalten Insolvenzanmeldungen zu veranlassen. Diese machen sonst rund die Hälfte aus.

Insolvenzen in Westösterreich stärker zurückgegangen

Auffällig bei den Pleiten ist der große Unterschied zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern. Die Insolvenzzahlen in Tirol (-49,8 %), Salzburg (-49,2 %) und Oberösterreich (-49,8 %) sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr gesunken, als etwa in Niederösterreich (-34,8 %) und der Steiermark (-33,8 %). "Das ist dem geschuldet, dass es in Westösterreich weit mehr Klein- und mittlere Betriebe gibt, die von den Förderungen mehr profitieren konnten", so Götze vor Journalisten.

Der Rückgang der Insolvenzen spiegelt sich in allen Branchen wieder. Die Branche mit den meisten Pleiten ist jene der Unternehmensbezogenen Dienstleistungen mit einem Anteil von 30,3 Prozent (518 Fälle), gefolgt von der Bauwirtschaft mit 29,9 Prozent (510 Fälle) und dem Gastgewerbe mit 25,1 Prozent (428 Fälle). Auch hier zeige sich, dass durch die Stützung der Regierung weit weniger Fälle vermeldet wurden, als erwartet. Die größten Insolvenzen nach der Commerzialbank im Burgenland (800 Mio. Euro) waren die der Anglo Austrian Bank (Wien, 300 Mio. Euro) und der PELE-Stiftung in Wien (127,3 Mio. Euro). Die Firmengruppe Vapiano meldete mit 55,6 Millionen Euro Insolvenz an.

Weniger Pleiten in Westösterreich - der Rückgang war im Osten nicht so stark gegenüber 2019. | Foto: KSV1870
  • Weniger Pleiten in Westösterreich - der Rückgang war im Osten nicht so stark gegenüber 2019.
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Umfrage unter Unternehmen zeigt positives Bild

Nach dem Zusammenbruch der über Jahre konstanten Wirtschaftsleistung quasi über Nacht ist die kurzzeitige Entspannung aufgrund des neuerlichen Lockdowns jäh gestoppt worden. Trotzdem bewerten über die Hälfte (52 Prozent) der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit "sehr gut" bzw. "gut", wie die Anfang Dezember durchgeführte Umfrage "Austrian Business QuickCheck" des KSV1870 ergibt – Anfang September waren es nur 44 Prozent. 

Eine erste wirtschaftliche Erholung wird hingegen frühestens für das zweite Halbjahr 2021 erwartet. „Positiv betrachtet ist das Glas der österreichischen Wirtschaft derzeit noch halbvoll. Wir müssen uns dieses Momentum beibehalten, damit die Unternehmen 2021 wieder voll durchstarten können“, so Ricardo-José Vybiral, Vorstand der KSV1870 Holding AG.


Für ein Viertel hatte 2. Lockdown weniger Folgen

Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass die wirtschaftlichen Folgen des zweiten Lockdowns „zumindest nicht negativer ausfallen als jene des ersten“. 30 Prozent der Befragten stufen die wirtschaftlichen Konsequenzen beider Lockdowns als „gleich negativ“ ein. Für ein Viertel hat der neuerliche Lockdown weniger Folgen gebracht, während 17 Prozent angeben, dass für sie keiner der beiden Lockdowns zu finanziellen Auswirkungen geführt hat. Demgegenüber stehen 16 Prozent, die aktuell mit gravierenderen wirtschaftlichen Folgen als im Frühjahr zu kämpfen haben. Vybiral begründet die stärkeren Folgen im ersten Lockdown damit, dass viele Unternehmer erst danach reagiert haben und auf eine digitale Agenda umgestiegen sind, was im zweiten Lockdown für viele hilfreich war.

Was den Unternehmern in Österreich Sorgen bereitet. Die Unsicherheit ist aber "Gift" für Investitionen, meinen die Experten von KSV1870. | Foto: KSV1870
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Entspannung frühestens im 3. Quartal 2021 erwartet

Wegen des ständigen Auf und Abs ist die größte Angst unter den Unternehmen die „Unsicherheit, wann die Corona-Krise endet“ (52 %) – gefolgt von der Gefahr, dass sich Mitarbeiter mit Covid-19 infizieren (40 %). Mit Blickrichtung Zukunft geht mehr als die Hälfte der befragten Betriebe davon aus, dass eine wirtschaftliche Erholung im kommenden Jahr eintritt, mehrheitlich wird diese allerdings erst ab dem  3. Quartal (27 %) erwartet.

Fachkräftemangel als größtes Zukunftsproblem

Als Herausforderungen der Zukunft werden der Fachkräftemangel (64 %) sowie der hohe Grad an Bürokratie (58 %) gesehen. Weitere Themen, die für Kopfzerbrechen sorgen, sind die „Überalterung der Gesellschaft“ (46 %), die Arbeitslosigkeit (45 %) und Cyber-Attacken
(38 %). Zudem wird die Digitalisierung (34 %) als essenziell bewertet.  

Experten gegen "Verschleppung" von Insolvenzen und Dumpingschlacht

Trotz des massiven Eingriffs der letzten Monate in unser Wirtschaftsleben, sei es zu einer dramatischen Insolvenzverschleppung gekommen, so die Experten. Künstlich am Leben gehaltene Unternehmen bieten nun ihre Leistungen zu Dumpingpreisen an und reißen damit an sich gesunde Unternehmen mit in den Abgrund, da sie nun ebenfalls vergünstigt anbieten müssen. "Am Ende werden wir vermehrt Insolvenzen und darüber hinaus Liquidationen erleben, bei denen aufgrund der fehlenden werthaltigen Aktiva Sanierungen unmöglich werden." Der KSV1870 rechnet daher ab dem 2. Quartal 2021 mit einem konstanten Insolvenzanstieg von rund 20 - 25  Prozent verglichen zu 2019, unter der Annahme, dass die Bundesregierung keine weiteren Hilfsmaßnahmen ergreift. Tipp von den Experten: Unternehmen sollen sich nicht scheuen, Insolvenz anzumelden. "Durch unsere Kultur der Insolvenzvermeidung und Schande, die damit verbunden ist, trauen sich viele Unternehmen nicht, diesen Schritt zu gehen", so Vybiral.

Nicht nach Gießkannenprinzip weiter fördern

Kurzarbeit, Härtefallfonds, besicherte Kredite, Fixkostenzuschüsse und steuerliche Erleichterungen: „Die Maßnahmen im Frühling waren wichtig, um die heimische Wirtschaft nicht in den Abgrund stürzen zu lassen. Dass hier Unternehmen, die nicht einmal in einem normal verlaufenden Insolvenzjahr überlebt hätten, künstlich am Leben gehalten werden, ist nur offensichtlich." 

Nun sei aber wichtig, dass die Betriebe sich selbständig erholen und nicht nach dem "Gießkannenprinzip" weiter vorgegangen wird, so Götze. „Um die gesamte Energie auf den dringend notwendigen Neustart konzentrieren zu können, wird es notwendig sein, möglichst bald den Krisenaktionismus hinter uns zu lassen und zu einem nachhaltigen volkswirtschaftlichen Handeln inklusive einem korrekt funktionierenden Insolvenzwesen zurückzukehren“, so Vybiral und Götze abschließend. Firmen, denen es schlecht geht, bringen sonst andere durch Dumpingpreise ins Schleudern.

Der KSV1870 hat im Dezember 2020 im Rahmen des dritten Austrian Business QuickCheck rund 600 Unternehmen zu den unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Krise auf ihren Betrieb befragt.

Weniger Privatkonkurse 2020 trotz Krise

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