Spendenaktion
Gemeinsam anpacken für das Hofkollektiv Wieserhoisl

Das Wieserhoisl am Warnblickweg 32 ist ein besonderer Ort in Deutschlandsberg | Foto: Tobias Pirklbauer
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  • Das Wieserhoisl am Warnblickweg 32 ist ein besonderer Ort in Deutschlandsberg
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Das Hofkollektiv Wieserhoisl in Deutschlandsberg steht an einem Scheideweg: Einer der beiden Besitzer drängt auf den Verkauf. Um Grund und Boden auf zwölf Hektar in den eigenen Besitz zu übernehmen, muss der Verein zur Förderung kleinbäuerlicher Wirtschaftsweise und Subsistenzkultur als Pächter jetzt die Ärmel aufkrempeln. Direktkredite, eine Baustein- und Spenden-Aktion sowie die Einnahmen aus Märkten und Veranstaltungen sollen dazu beitragen. 

DEUTSCHLANDSBERG.  Idylle pur: Das sogenannte Wieserhoisl ist vielen als besonderer Ort der Vielfalt bekannt. Am Wanderweg zwischen Deutschlandsberg und Wolfgangikirche, genauer gesagt am Warnblickweg 32, kann die Landwirtschaft des Hofkollektivs bestaunt werden. 

Jetzt sehen sich die Mitglieder des Hofkollektivs Wieserhoisl gezwungen, Grund und Boden in seinen Besitz übernehmen, um den Hof auch weiterhin nachhaltig und gemeinschaftlich bewirtschaften zu können. Dazu sind 363.000 Euro aufzubringen, die es bis Ende Juni in drei Teilzahlungen zu begleichen gilt. Ein Konzept aus privaten Darlehen und Spenden soll den Kauf der Liegenschaft ermöglichen. Für den gemeinschaftlichen Kauf des Hofes wird daher dringend um Unterstützung gebeten.

MeinBezirk.at hat darüber mit Tobias Pirklbauer gesprochen, der selbst vor vier Jahren das Hofkollektiv Wieserhoisl als freiwilliger Helfer kennen gelernt hat und geblieben ist. 

  • Wie ist es zur Gründung vom Hofkollektiv Wieserhoisl gekommen?

TOBIAS PIRKLBAUER: Die damalige Gründungstruppe bestand aus Absolventen der Boku (Universität für Bodenkultur Wien) und anderen Leuten, die Interesse am Leben in Gemeinschaft und einem nachhaltigen Lebensstil und damit auch an der nachhaltigen Landwirtschaft hatten. Die Idee, als Gemeinschaft auf einem Hof zu leben, keimte mit der Zeit. Somit wurde mit der Suche nach einem Platz begonnen. Über eine familiäre Verbindung wurde der Hof Wieserhoisl gefunden. Im Sommer 2006 ist das Kollektiv gestartet.

  • Welche Philosophie steckt dahinter?

Wir möchten diesen Bauernhof und seine über die Jahre entstandene Artenvielfalt im Sinne des praktischen Naturschutzes weiter erhalten und pflegen. Dazu wollen wir Gemüse, Fleisch und andere Lebensmittel auf diesem schönen Fleckchen Erde im Takt der Natur erzeugen. Profitdenken hat bei uns keinen Platz. Durch die extensive Wirtschaftsweise, die heutzutage selten geworden ist, und die Weitervermehrung alter Gemüse-,  Kräuter- und Blumensorten, die sich zum Teil auch selbst aussäen, hat sich eine große Vielfalt entwickelt. Davon können sich pflanzenkundige Wanderer beim Durchschreiten des Hofes oder bei einem genaueren Blick in den Garten oder Wald selbst überzeugen.

"Es ist uns auch ein Anliegen, das über die Jahre angesammelte Wissen über die verschiedenen Themen immer weiter zu verfeinern und auch auf verschiedenen Wegen weiterzugeben."
Tobias Pirklbauer, Hofkollektiv Wieserhoisl 

Bei der Frühjahrsarbeit im Garten | Foto: Tobias Pirklbauer
  • Bei der Frühjahrsarbeit im Garten
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  • Was ist mit dem Begriff Kollektiv gemeint?

Wir sehen uns als Ort für ein besonderes Experiment, nämlich für das Zusammenleben als Gruppe von Leuten verschiedenster Herkunft. Jeder, der in einer großen Familie lebt, weiß wie anstrengend das manchmal sein kann.

Bei uns kommt noch dazu, dass alle paar Jahre Leute dazukommen oder wieder gehen und sich die Gruppendynamik immer wieder ändert. Dennoch sind wir gewillt, voranzuschreiten und stetig besser zu einer richtigen Gruppe zu werden. Wir schätzen die Lebendigkeit der Gruppe als Lebensqualität.

  • Wie steht es mit eurem Eigentum?

Die Teilung von Eigentum ist ein weiterer Aspekt in unserem Kollektiv. So sind z.B. die Autos zwar auf eine Person angemeldet, in der Realität fährt aber jeder von uns mit jedem Auto.
Oder die gemeinsame Kasse: Alle Einnahmen landen in einem Topf, aus dem auch sämtliche Ausgaben gedeckt werden.

  • Wie viele Personen sind aktuell im Hofkollektiv Wieserhoisl?

Mit Stand März 2024 sind wir sechs Erwachsene, zwei Teenager und ein Kind nämlich
Tina Ehgartner, die auch Gründungsmitglied ist. Popeia Ehgartner, Friedrich Leitgeb, Elena Sanz Soro, Noreia Sanz Sanz Soro, Mael Sanz Soro, Sebastian Krohmer, Sandra Hanschitz und ich, Tobias Pirklbauer.

Mitglieder des Hofkollektivs Wieserhoisl bei der Arbeit | Foto: Sandra Hanschitz
  • Mitglieder des Hofkollektivs Wieserhoisl bei der Arbeit
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  • Wie funktioniert der Alltag in so einer großen Gruppe?

Ein bisschen wie in einer Familie, in der auch noch die Onkel und Tanten oder die schrägen Cousins mit vielleicht noch weiteren Kindern mitleben, das Geld zusammenlegen und den Alltag gemeinsam und mit wechselnden Zuständigkeiten meistern also ganz ohne Chef oder Chefin, die das letzte Sagen haben. Allerdings werden die Alltags-Belange im Konsens (alle sind dafür) oder Konsent (niemand ist dagegen) ausgemacht.

  • Wie kann man sich das vorstellen?

Dazu gibt es jede Woche ein Plenum, also eine Besprechung, bei dem mit diesen Prinzipien gearbeitet wird, also dreimal im Monat für Organisatorisches und einmal im Monat für emotionale Themen im Zusammenleben, die wir gemeinsam zu verarbeiten versuchen.

  • Wie wird die Arbeit am Hof aufgeteilt?

Wir haben uns für die Arbeit am Hof in verschiedenen Arbeitsgruppen zusammengefunden, z.B. Garten, Jungpflanzen, Obstbäume , Wald, Brennholz, Tierhaltung oder Werkstatt. Diese Gruppen machen sich dann nochmal untereinander aus, wie sie ihren jeweiligen Bereich managen. Verschiedene Bereiche betreffen alle, wie der Haushalt, die Pflanzenkläranlage oder das Brennholz. Da teilen wir uns die Arbeit nach körperlicher und zeitlicher Möglichkeit und Motivation auf. Wer mehr Lust hat, verbringt mehr Zeit mit dem Holzspalter - wer nicht, stapelt eben mehr von den Holzscheiten.

Kannst du dir vorstellen in so einer Gemeinschaft zu leben?
  • Was wird bei euch produziert?

Für den Verkauf produzieren wir selbst vermehrtes Bio-Saatgut von verschiedenen Nutzpflanzen, im Frühling daraus auch Bio-Jungpflanzen von unseren umfangreichen Gemüse-, Kräuter- und Blumensorten und Beerensträuchern. Im Herbst bzw. Winter werden Schaffleisch und -produkte vom Krainer Steinschaf ab Hof vermarktet.
Die Ernte unserer Gemüse- und Obstvielfalt konsumieren wir größtenteils selbst. Wir versorgen uns fast das ganze Jahr selbst mit eigener Frischware und haltbar gemachten und gelagerten Lebensmitteln. Überschüsse werden verschenkt oder in den Bioladen bzw. die Lebenskooperative Deutschlandsberg, kurz LKDL, am Hauptplatz zum Verkauf gebracht.

  • Wie und wo kommen die Produkte zu den Kunden?

Das Saatgut kann man über die Emailadresse bestellen, oder man kommt zu einem der Saatgut Märkte (Saatgutfest in Graz, Saatgut Tage Gärtnerei Höller in Stainz) und stöbert dort im Sortiment. Die Jungpflanzen kann man entweder nach Voranmeldung frühestens ab Anfang April ab Hof oder bei einem der Pflanzenmärkte erwerben, auf denen wir mit unserem Stand vertreten sind, u.a. beim Raritätenmarkt in Graz, beim Biofest in Deutschlandsberg und beim Lebenshilfe Pflanzenmarkt in Deutschlandsberg.

  • Wieso ist es zur Situation gekommen, dass Sie in der Gemeinschaft das Grundstück  ankaufen wollen bzw. müssen?

Der Hof war bis jetzt gepachtet und gehört, in ideelle Hälften aufgeteilt, zwei Besitzern. Einer der Besitzer drängt nun zum Verkauf. Auch wenn der Besitz geteilt ist, kann jeder der Besitzer unabhängig vom Anderen die Zwangsversteigerung erwirken.

Der besagte Besitzer ist allerdings bereit, an uns zu verkaufen. Schaffen wir das nicht, verkauft er den Hof an jemand anderen bzw. wird der gesamte Hof am Immobilienmarkt beworben, was das Ende des Kollektives bedeuten würde.

Da das Kollektiv und seine Mitglieder nicht über die privaten finanziellen Mittel für den Kauf verfügen, haben wir uns dazu entschieden, nach dem Vorbild von anderen Hofkollektiven in Österreich eine Alternativfinanzierung aufzustellen.
Wir wollen jedenfalls nach all den Jahren, den Hof kaufen und in den Gemeinschaftsbesitz überführen. 
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  • Über welche Kanäle soll die Finanzierung gestemmt werden?

[/b]Es geht um 363.000 Euro, die es bis Ende Juni in Teilzahlungen zu zahlen gilt. Die erste Rate haben wir Ende Februar bereits begleichen können. Die zweite Rate ist Ende April fällig und die dritte Rate Ende Juni 2024.

Wir haben eine Kampagne ausgearbeitet, die um Direktkredite und Spenden für den Zweck des Kaufes der Liegenschaft wirbt. Im Zuge dessen haben wir bis jetzt einerseits unser sehr weitreichendes Netzwerk kontaktiert, andererseits haben wir Beiträge in verschiedenen Medien veröffentlicht.

Um es kurz zusammenzufassen: Unser Finanzierungsmodell funktioniert ähnlich wie Crowdfunding. Geldbeträge in verschiedener Höhe, die dem Verein Hofkollektiv Wieserhoisl geborgt oder gespendet werden, bewirken den Kauf. Einzelpersonen, Organisationen oder Unternehmen haben so die Möglichkeit, einer sinnvollen, sozialen und ökologischen Geldanlage, statt ungenutztes Vermögen den Banken zu “leihen”. 

  • Wie ist der zeitliche Fahrplan (Veranstaltungen u.a.)?

Da sind einmal die Saatguttage am 15 und 16. März bei der Gärtnerei Höller in Stainz sowie das Biofest von Bio Austria heuer am 27. April am Deutschlandsberger Hauptplatz. 

Die nächste öffentliche Veranstaltung ist das Auffhoisln 3.0. am 25. Mai.
Außerdem sind noch weitere öffentliche Veranstaltungen in Planung.

  • Was ist das Ziel?

Unser Ziel ist es, den Hof zu erhalten als Refugium für Natur und Biodiversität, für mutige Menschen, die am gesellschaftlichen Wandel hin zur Nachhaltigkeit aktiv mithelfen wollen und als Ort an dem sich engagierte Menschen persönlich ausprobieren und entfalten können. Außerdem soll es weiterhin ein Ort sein, an dem Interessierte sich informieren und lernen können, sowie zivilgesellschaftliche und kulturelle Initiativen sich vernetzen und auch veranstalten können.

"Wir sehen uns als Vorbild und Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit und Solidarität und möchten auch gerne weiterhin diesbezügliche Impulse in der Region setzen können.
Um das zu erreichen, braucht das Hofkollektiv Wieserhoisl zahlreiche Unterstützung."
Tobias Pirklbauer, Hofkollektiv Wieserhoisl

  • Wo kann man sich über das Hofkollektiv Wieserhoisl informieren?

Über uns und über die Kampagne kann man sich auf unserer Homepage www.wieserhoisl.at informieren. Gerne kann man mit uns per Email: wieserhoisl@riseup.net  Kontakt aufnehmen, Oder man lernt uns bei einem der Pflanzenmärkte oder beim “AufHoisln” kennen. 

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