Für mehr Politik im Unterricht
Die Jugend scheint politikverdrossen. Ein eigenes Unterrichtsfach könnte das Bewusstsein stärken.
GRAZ-UMGEBUNG. Bei den steirischen Landtagswahlen im Mai betrug die Wahlbeteiligung 67,7 Prozent und war damit um 1,8 Prozentpunkte geringer als bei der vorangegangenen Landtagswahl. Im Jahr 1991 gaben noch 90 von 100 Personen in der Steiermark ihre Stimme ab – unter Berücksichtigung der damaligen Wahlpflicht. Es scheint, als würde vielen das Vertrauen in die Kraft ihrer eigenen Stimme fehlen. Beobachtet man soziale Medien, scheint die Politikverdrossenheit der letzten Jahre im Rahmen der aktuellen Flüchtlingskrise noch einmal einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben.
"Wir brauchen politische Bildung als Pflichtfach in der Schule!", so Landesschulsprecher-Stellvertreter Christoph Purgstaller, der über diesen Weg bei den Jugendlichen ansetzen will. "Vor allem jungen Leuten ist nicht mehr klar, dass Demokratie gut und etwas Beschützenswertes ist. Es muss wieder klargemacht werden, wie wichtig es ist, dass man seine Stimme abgibt", so der 17-Jährige.
Gelebter Politikunterricht
Anders sieht das Renate Oswald, Direktorin des BG Rein, derzufolge die Förderung des Demokratieverständnisses im Rahmen des Schulunterrichts zwar enorme Bedeutung hat, politische Bildung als eigenständiges Unterrichtsfach aber wenig fruchtbar ist. "Politische Bildung ist ein Unterrichtsprinzip. Das heißt, Politik muss gelebt werden, sonst erstarrt sie. Demokratieverständnis muss im Tun erfolgen. Wenn jedes Unterrichtsfach die politische Bildung einbettet, wird sie erst lebendig. Zweistündiger Unterricht einmal pro Woche bringt nichts", sagt Oswald. An ihrer Schule werde das Unterrichtsprinzip politische Bildung zwischen der zweiten und achten Schulstufe umgesetzt.
Verantwortung
Am BG Rein gebe es kein Auswendiglernen von Fakten und Daten, Politik werde hier in der Praxis unterrichtet: "Vor Wahlen zum Beispiel laden wir zum Hearing mit Politikern. Damit kann gelernt werden. Schüler nehmen aktiv teil." Dabei obliegt die politische Bildung nicht nur der Schule. Sie beginnt großteils im Elternhaus und wird durch Medien polarisiert. "Es muss ein Diskurs außerhalb der Schule stattfinden", sagt Oswald, die auch Probleme im Frontalunterricht sieht, wenn Politische-Bildung-Professoren eindeutig parteiisch sind und den Schülern ihre persönlichen Grundsätze als absolut geltend vermitteln. Auch Klaus Poier, Grazer Politikwissenschafter und Verfassungsjurist, sieht neben Parteien und Staat die Medien als Verantwortungsträger: "Es sollte auch hier klar sein, dass politische Bildung unterstützt gehört. Die Bürger zu informieren muss ein gemeinsames Anliegen aller sein, da das Wissen um die Politik und ihre Abläufe für eine Demokratie auf Dauer die Lebensgrundlage ist."
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