Verein "Lila Winkel"
Hermine Liska: Paradebeispiel des Widerstands

Über 20 Jahre lang sprach Hermine Liska mit Schülern aus ganz Österreich über ihr Schicksal. | Foto: Renate Sabathi
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  • Über 20 Jahre lang sprach Hermine Liska mit Schülern aus ganz Österreich über ihr Schicksal.
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Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Semriach hatten einen ganz besonderen Gast im Haus: Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, sprach über das bewegte Leben der Zeitzeugin Hermine Liska  und regte die Jugendlichen dazu an, über die wichtigen Werte in ihrem Leben nachzudenken. 

SEMRIACH. Es gibt nur noch wenige, die von der Zeit während des Nationalsozialistischen Regimes erzählen können. Umso wichtiger ist es, den Zeitzeuginnen und -zeugen Gehör zu verschaffen. Etwa Hermine Liska, die in St. Bartholomä zu Hause war und heute in einem Seniorenheim in Graz lebt. Die heute 93-Jährige und ihre Familie waren Zeugen Jehovas und damit neben Jüdinnen und Juden, Homosexueller, Sinti und Roma etc. Opfer von Verfolgung, Enteignung, Ermordung. Seit mehr als 20 Jahren erzählt sie Schülerinnen und Schülern ihre Geschichte. Nun verlässt sie langsam die Kraft, um über ihr Leben sprechen zu können. 

Verein Lila Winkel

Weil Liska selbst aufgrund ihres Alters selbst nicht mehr mit aller Kraft in der Lage ist, zu reden, erzählt Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, als "Zweitzeugin" davon. Der Verein der "Vereinigung zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit" beschäftigt sich seit 1998 mit der Dokumentation und Aufarbeitung des Schicksals unschuldiger Opfer, fördert die Beziehungen zwischen betroffenen Überlebenden, deren Angehörigen und Freundinnen und Freunde sowie die Förderung der Kooperation zwischen allen an der historischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufarbeitung interessierten und tätigen Personen und Organisationen.

Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, erzählte den Schülerinnen und Schülern vom Leben von Hermine Liska. | Foto: MS Semriach
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Widerstand gegen Hitler

Liksa, geborene Obweger wurde am 12. April 1930 in St. Walburgen, Bezirk Sankt Veit an der Glan in Kärnten, geboren. Bis 1938 lebte sie mit ihrer Familie auf einem Bauernhof – die einzigen Zeugen Jehovas im Tal. Dieses religiöse Bekenntnis wurde ihnen zum Verhängnis: Nicht Hitler, sondern Christus ist der Führer, der Anschluss also kein Grund zur Freude, soll ihre Mutter gesagt haben.
Da sich die Zeugen Jehovas weigerten, sowohl den Hitlergruß zu machen als auch "Heil Hitler" auszusprechen oder sich an nationalsozialistisch geprägten Aktivitäten zu beteiligen, wurden die "Bibelforscher" nun zum Feindbild: Ein Bruder wurde zur Zwangsarbeit verurteilt, kam später in das KZ Dachau – in Konzentrationslagern trugen Zeugen Jehovas den lila Winkel –, der andere wurde in eine Strafanstalt nach Wien gebracht. Der Vater, der nach dem Ersten Weltkrieg in russischer Gefangenschaft war, sollte mit einem Sohn nach Dachau gebraucht werden, wurde in Klagenfurt inhaftiert, aufgrund einer Haftuntauglichkeit aber entlassen. 

Die heute 93-Jährige hat über 180.000 Schülerinnen und Schülern in Österreich ihre Geschichte berichtet.
  • Die heute 93-Jährige hat über 180.000 Schülerinnen und Schülern in Österreich ihre Geschichte berichtet.
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Weil die Familie sich weigerte, ihren Glauben aufzugeben, wurde den Eltern das Erziehungsrecht entzogen und Liska kam im Februar 1941 im nationalsozialistischen Erziehungsheim Waiern bei Feldkirchen in Kärnten unter. Den Eltern war es nicht erlaubt, das Kind zu sehen. Die gewünschte Umerziehung brachte nichts, drohte man ihr mit der Einlieferung in eine geschlossene Anstalt. Durch die Luftangriffe der Alliierten wurde die "erweiterte Kindeslandverschickung" ausgeweitet und Liska kam nach München auf einen Bauernhof, um Zwangsarbeit abzuleisten. 

Liskas Lebensgeschichte ist auch Teil einer Ausstellung, die sich "Für die Zukunft lernen, damit es eine Zukunft gibt ... und niemals vergessen" nannte. | Foto: Privat
  • Liskas Lebensgeschichte ist auch Teil einer Ausstellung, die sich "Für die Zukunft lernen, damit es eine Zukunft gibt ... und niemals vergessen" nannte.
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In Schulen unterwegs

Liska ist einer jener Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die immer wieder nachkommenden Generationen von ihrem Leben erzählt. 1997 hat sie zum ersten Mal darüber gesprochen. Ihre Geschichte ist ein Paradebeispiel des Widerstands – und auch für Überzeugung. Über 180.000 Schülerinnen und Schülern in ganz Österreich hat sie davon erzählt, war aber auch an Elite-Universitäten in den USA oder in Holocaust Museen schon zu hören und zu sehen. 

2016 wurde Hermine Liska das Goldenes Ehrenzeichen des Landes überreicht. Hier am Foto mit St. Bartholomäs Bürgermeister Josef Birnstingl und dem damaligen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer.
  • 2016 wurde Hermine Liska das Goldenes Ehrenzeichen des Landes überreicht. Hier am Foto mit St. Bartholomäs Bürgermeister Josef Birnstingl und dem damaligen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer.
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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte sie in ihre Heimat zurück, hat geheiratet und drei Kinder großgezogen. Irgendwann ist sie in St. Bartholomä gelandet. Dass Menschen Gruppenzwängen, Hass und Gewalt, Intoleranz und Vorurteilen widerstehen und an sich selbst glauben sollen, ist ihre Kernbotschaft – es ist wichtig, in entscheidenden Momenten des Lebens Nein zu sagen.

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