Deutschfeistritz
Evangelisches Bildungshaus schließt
Die Nachricht kam zwar nicht überraschend, dafür sitzt der Schock noch tief: Das evangelische Bildungshaus in Deutschfeistritz muss mit Ende Juni schließen. Dabei hat der Ort eine bewegende Geschichte. Pfarrer i.R. Heinz Stroh sprach mit der WOCHE über die Zukunft des Hauses.
Vorbild für Integrationsarbeit
25 Flüchtlinge, zum größten Teil Familien mit Kindern, wohnen zurzeit im evangelischen Bildungshaus. Platz wäre für 65 – und das ist auch der Grund, warum die Türen geschlossen werden. Denn: Das Evangelische Diakoniewerk Gallneukirchen hat den Pachtvertrag gekündigt. Die Kapazität kann nicht ausgeschöpft werden. "Auch die jetzige Regierung möchte derartige Unterkünfte nicht fördern. Mehr Abschiebungen bedeuten weniger zu betreuende Menschen", sagt Stroh. "Dabei haben die Familien ein sicheres Heim. Das Bildungshaus galt immer als Vorzeigeprojekt für Integrationsarbeit." Einige Familien haben bereits Unterkünfte in Aussicht.
Nachnutzung des Hauses
Was mit dem evangelischen Bildungshaus in Zukunft geschehen wird, ist noch unklar. Zwar habe es bereits Interessenten für Haus und Grund gegeben, weitere Gespräche seien aber im Sand verlaufen. "Ich würde mir wünschen, dass das Haus weiterhin ein Ort der Begegnung und Kommunikation bleibt." Auch die Nachnutzung als Frauenhaus, Entzugsklinik, Therapieeinrichtung oder dergleichen wäre für den pensionierten Pfarrer denkbar und wünschenswert. "Zumindest ein sozialer Charakter soll erhalten bleiben. Vielleicht hat aber die Kirche einen Eigenbedarf daran, es doch noch irgendwie weiterzuführen", hofft er.
Ebenso enttäuscht zeigt sich Bürgermeister Michael Viertler: "Es ist schade, dass ein Haus mit so viel Tradition schließt." Wer einziehen soll, ist auch für ihn ungewiss. "Man muss aber realistisch sein. Die Lage ist nicht für jedermann optimal gelegen. Aber es soll jemand sein, der das schöne Fleckchen Natur ergänzt und nicht zerstört."
Ein Ort mit Geschichte
Als Ort des Austauschs hat das Bildungshaus eine lange Geschichte. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es der evangelischen Kirche ein Anliegen, die Jugend unter dem Evangelium zu vereinen und ihnen Ausbildungen zu ermöglichen. Viele, vor allem junge Frauen, hatten wirtschaftliche Aufgaben bei den heimischen Bauernhöfen zu bewältigen, 1949 setzte sich der damalige Pfarrer Sepp Meier ein, dass sie auch eine entsprechende Schulausbildung bekommen. 1954 erfolgte die Einweihung, und Deutschfeistritz sollte österreichweit zum größten Bildungszentrum werden. 1972 stellte das Land die Zahlungen für bäuerliche Volkshochschulen aber ein, weshalb es geschlossen wurde. Die Neuorientierung richtete sich an gesamtkirchliche Fortbildungen, Pfarrer Stroh wurde Rektor. Die wichtigsten Aufgaben: Frauen- und Konfirmandenarbeit, Lektoren- und Pfarrerfortbildung. Nachdem auch die eigene Bildungsarbeit vonseiten der Diakonie aufgegeben wurde, kamen hier Asylwerber unter. Was Stroh nach all den Jahren mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen am meisten geprägt hat? "Die Lust an der Begegnung und der Kampf gegen Vorurteile", antwortet Stroh. "Der Glaube vereint uns." Das sagt er vor dem Hintergrund, dass hier nicht nur der evangelische Glaube gelebt wurde, sondern alle Konfessionen Platz gefunden haben.
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