Soll der Zölibat in der Kirche fallen?
Die WOCHE hat Pfarrer Josef Wilfing, Vorstand in der Pfarrer-Initiative, zum Interview getroffen.
Vergangene Woche hat der Dechant von Leoben bekannt gegeben, sein Amt aufgrund der Liebe zu einer Frau niederzulegen. Wie sehen Sie, wie sieht die Pfarrer-Initiative die aktuelle Thematik? Einerseits bedauern wir seinen Schritt, dass er das Priester-Amt aufgibt. Zum anderen haben wir Respekt davor, dass er zu seiner Beziehung steht und die Hochzeit vorzieht. Das ist aber kein Einzelfall. Die Frage ist, soll der Zölibat notwendig mit dem Priesteramt verbunden sein.
Glauben Sie, dass die aktuelle Situation das Umdenken im Vatikan betreffend Zölibat beflügelt? Nicht dieser einzelne "Fall", sondern, dass der Priestermangel immer größer wird. Unser Anliegen ist die große Frage: Wie können große Pfarren lebendig bleiben? Dazu gibt es Gott sei Dank auch viele Laien, die mittun. Es braucht aber auch die Messfeier als Mitte.
Wie kann man aus Ihrer Sicht dem Priestermangel entgegenwirken? Die Kirche erlebt massiv Umbrüche in der Gegenwart. Erstens der Rückgang der Gläubigen, zweitens wie sich die Kirche darstellt. Ist sie noch lebensnah? Sie wird oftmals als Moral-Institution erlebt. Kirche soll den Leuten die Freude am Leben vor Augen halten.
Wie hoch schätzen Sie die Dunkelziffer solcher Fälle in der Steiermark ein? Ich traue mich keine Zahl zu nennen. Weitere Fälle sind nicht auszuschließen, aber jede Lebensform ist herausfordernd.
Der Verdacht besteht, dass Priestern nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um für eine eigene Familie zu sorgen. Müsste man auch hier ansetzen? Wenn es freie Priester geben wird, muss sicher auch der Verdienst höher sein. Die Familie muss das dann auch akzeptieren. Vor allem auch die Priesterfrau. Seelsorge hat auch viel mit Abendterminen zu tun.
Aus der Zeit der frühen christlichen Kirche gibt es keine Belege für einen allgemeinen Zölibat. Wäre die Aufhebung in der heutigen Zeit ein wichtiger Schritt? Meine Überzeugung ist, der Zölibat soll bleiben, aber nicht verpflichtend für alle Priester. Es soll auch die Möglichkeit geben, in der Ehe zu leben.
Auf der Webpage der Pfarrer-Initiative steht, dass mit den menschlichen und pastoralen Problemen im Zusammenhang mit dem geltenden Eherecht umgegangen werden müsse. Was meinen Sie konkret damit? Das muss auch verändert werden. Es gibt das Scheitern auch in der Ehe, ebenso im Priesteramt. Dass muss man auch zulassen. Priester heißt ja nicht nur, nicht heiraten zu dürfen, sondern auf die Menschen zugehen. In der Kirche wird alles vergeben, nur nicht die Scheidung.
Es heißt, der Dechant in Leoben bekam bei seiner Bekanntgabe tosenden Applaus. Ein paar Wenige verließen daraufhin die Kirche. Wie gehen Sie mit dieser Spaltung in der Pfarrbevölkerung um? Man spricht immer von Barmherzigkeit und Versöhnung und wenn es darauf ankommt, tun wir es nicht. Ich glaube, dass es die Konservativen oft nicht begriffen haben. Diese Haltung der Versöhnung und des Respekts vor Entscheidungen. Der Mensch hat es sich nicht leicht gemacht, sondern damit gerungen.
Um die Pfarrer-Initiative ist es in letzter Zeit ruhig geworden. Warum? Weil uns der Pabst mit seinen Aktivitäten auch unterstützt. Es kommt so rüber, dass sich die Kirche bewegen und etwas Neues wagen muss. Die Kirche soll Leute ernst nehmen.
Gibt es Wünsche an den neuen Bischof Wilhelm Krautwaschl der Diözese Graz-Seckau? Ich wünsche mir vom neuen Bischof, dass er kontaktfreudig ist, die Menschen mit ihren Lebensbiografien ernst nimmt und dass er auch reformoffen ist. Menschen ernst nehmen, wie sie leben und nicht so wie wir sie haben wollen.
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