Zum Weinen
Der permanente Pflegenotstand rächt sich, die Politik ist untätig

Der „Pflegenotstand“ ist mittlerweile schon seit Jahrzehnten bekannt, sowohl in den Krankenhäusern als auch in Pflegeheimen. Was hindert die Politiker etwas zu tun? | Foto: istockphoto
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  • Der „Pflegenotstand“ ist mittlerweile schon seit Jahrzehnten bekannt, sowohl in den Krankenhäusern als auch in Pflegeheimen. Was hindert die Politiker etwas zu tun?
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Um die Versorgung der Patienten zu sichern, braucht es längst überfällige Reformen bei der Pflege. Eine Impfpflicht löst das Problem nicht.

Das Gesundheitssystem steht seit der Pandemie wieder im Zentrum: Ständig wird vor einer Überlastung gewarnt. Mehrfach wurde deshalb sogar das ganze Land zugesperrt.

Es ist jedoch nicht das „Gesundheitssystem“ überlastet. Österreich ist weltweit im Spitzenfeld bei der Bettenzahl in Relation zu den Einwohnern. Es herrscht vielmehr ein Mangel an Pflegepersonal. Dieser „Pflegenotstand“ ist seit Jahrzehnten bekannt, sowohl in den Krankenhäusern als auch in Pflegeheimen. Und dies führt seit vielen Jahren dazu, dass es immer wieder zu Bettensperren und einem Rückstau-Effekt kommt: Vor allem alte Patienten können oft von den Spitälern nicht entlassen werden, weil es keinen freien Heimplatz oder keine Betreuung gibt. Die Patienten belegen unnötig die Normalstationen, und dies wiederum führt im Extremfall dazu, dass Intensivpatienten nicht auf die Normalstation verlegt werden können. In Wien ist das derzeit der Fall.

Krisen legen Fehlentwicklungen schonungslos offen. Obwohl der Pflegekräftemangel bereits seit Jahren akut ist, hat man seitens der Spitalserhalter – das sind meist Länder und Gemeinden – nicht gegengesteuert. Und der Gesundheitsminister, der für die Pflege zuständig ist, zeigt sich heillos überfordert und hat offenbar keine Zeit, sich mit den wahren Ursachen für die Überlastung des „Systems“ zu beschäftigen. Eine Impfpflicht wird daran jedenfalls nichts ändern.

Anstatt Milliarden zur Schadensbegrenzung durch die Lockdowns auszugeben, wären diese im Pflegebereich sinnvoller eingesetzt. So etwa musste das Pflegepersonal sogar um die Auszahlung des – ohnehin bescheidenen – „Corona-Bonus“ streiten. Seit den 1980er-Jahren hat man versucht, den Mangel mit Personal aus dem Ausland abzufedern. Noch im Vorjahr plante die Wirtschaftskammer, billige, sprachunkundige Kräfte aus den Philippinen und Indien zu holen. Damit würden die Arbeitsbedingungen noch schlechter, kritisierte die Gewerkschaft. Es gibt auch hierzulande viele junge Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren. Die Arbeitsbedingungen schrecken aber leider ab und lassen jene, die ihn ausüben, oft bald wieder aussteigen. Aktuell denkt jede zweite diplomierte Pflegekraft ans Aufhören. Das ist alarmierend!

Die Probleme sind grundlegend und bestehen seit dem 19. Jahrhundert. Sie lauten: Schlechte Bezahlung, zu wenig Wertschätzung, überlange Arbeitszeiten und Personalmangel. Ursprünglich waren Krankenschwestern ungelernte Krankenwärterinnen, als Sparmaßnahme wurden vielfach auch Nonnen eingesetzt. Sie opferten sich auf und standen rund um die Uhr zur Verfügung. Noch bis in die 1950er-Jahre hatten Krankenschwestern – es waren ausschließlich Frauen – unverheiratet zu sein, selbst wenn sie keine Nonnen waren. Auch von ihnen wurde erwartet, stets verfügbar zu sein und sich aufzuopfern.

Dieses Bild besteht bis heute, obwohl sich der Pflegeberuf stark verändert hat. Es wurde zwar die Ausbildung aufgewertet, echte Reformen bleiben allerdings aus. Besonders belastend ist der ständige Personalmangel, stets arbeitet man in diesem Beruf am Limit. Dazu kommen viele Überstunden. Und wenn man frei hat, muss man ständig mit Anrufen der Pflegeleitung rechnen, dass man „einspringen“ soll. Es gibt keine personelle Reserve für Krankenstände und Urlaube und eine de facto unbezahlte ständige Rufbereitschaft. Dabei wird mit der Solidarität innerhalb der Kollegenschaft kalkuliert. Die Geschäftsführung so mancher Krankenhäuser rechnet sich offenbar aus, dass Überstunden billiger sind als zusätzliches Personal. Das Ergebnis: Permanente Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter und Sperre von Betten oder ganzen Stationen wegen Personalmangels.

Kein Wunder, dass viele Pflegekräfte ans Aussteigen denken oder im Burn-out sind. Es braucht also endlich Reformen, faire Arbeitsbedingungen und echte Wertschätzung, um den Beruf wieder attraktiv zu machen.

Regionaut Erich Timischl
Quelle:
Dr. Gudula Walterskirchen ist Publizistin, Historikerin und Autorin.

Der „Pflegenotstand“ ist mittlerweile schon seit Jahrzehnten bekannt, sowohl in den Krankenhäusern als auch in Pflegeheimen. Was hindert die Politiker etwas zu tun? | Foto: istockphoto
Die Politiker vergessen, dass sie auch zum Pflegefall werden können. | Foto: istockphoto
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