Die ganze Zeit schaut er auf die Uhr
Josef Reicht aus Baumgarten ist einer der letzten Großuhrmacher in Österreich.
Der 43-jährige Josef Reicht lässt im wahrsten Sinn des Wortes die Glocken läuten. An rund 850 Standorten des Landes achtet der Baumgartener darauf, dass die Uhrwerke von morgens bis abends einwandfrei laufen und der Bevölkerung die richtige Zeit zeigen. Seit 2002 betreibt er im kleinen Familienbetrieb das Handwerk des Großuhrmachers und Mechatronikers, das in Österreich nur noch zweimal anzutreffen ist.
Josef Reicht setzt seine Leidenschaft in genauster Präzision um: „Jedes Uhrwerk ist ein Unikat.“ Deshalb spielen Erfahrung und höchstes Feingefühl bei der Reparatur und Restaurierung der Läutanlagen eine große Rolle. „Eine neue zu bauen ist schier unbezahlbar“, weiß Reicht den Wert dieser alten Handwerkskunst zu schätzen. Großuhren weisen durch ihre jahrelange Funktion Verschleißerscheinungen bei Lager und Zapfen auf. Bei einer kompletten Generalreparatur werden diese Teile nicht nur gereinigt, kontrolliert und nachjustiert, sondern bei Bedarf auch wiederhergestellt. Eingelaufene Zapfen werden glatt und auf Hochglanz rouliert. „Da ist oft Schwerstarbeit angesagt, wenn man 100 Kilo schwere Teile über die Wendeltreppe eines Kirchturms hinaufschleppen muss. Als Lehrling hat man sich zur Mutprobe an den bis zu 400 Kilo schweren Glockenklöppel gehängt“, plaudert er schmunzelnd Geheimnisse aus seinen Lehrjahren aus. Diesen Schwung hat er in seine Arbeit mitgenommen.
Läuft wie geschmiert
Die Uhrmacherkunst reicht bis ins Mittelalter zurück. Turmuhren wurden als zentrale Zeitanzeiger auf den hohen Türmen von Kirchen, Rathäusern und Schlössern installiert und waren maßgeblich für den Tagesablauf der Bewohner verantwortlich. „Manche mussten sogar jeden Tag aufs Neue von Hand aufgezogen werden. Anders als heute war früher der Stundenzeiger der wichtigere und deshalb der längere, denn der musste vom Acker gesehen werden“, berichtet Reicht.
„Manche Uhren, die wir warten, sind über 300 Jahre alt. Unzählige Male hat sich das Uhrwerk gedreht, 500 Kilo schwere Gewichte hängen bis zu 20 Meter in den Kirchturm hinunter. Es ist mir oft noch ein Rätsel, wie die Wanderuhrmacher zu dieser Zeit eine solch große Qualität ohne maschinelle Hilfe geschaffen haben.“
Die „Liesl“ hat‘s ihm angetan
Den stärksten Bezug hat er zur Grazer „Schlossberg-Liesl“. Zwei Mal im Jahr wird sie von mir und meinem Sohn Manuel gewartet. „Ihr Klang und ihre 101 Glockenschläge sind einzigartig!“, schwärmt Reicht.
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