Die Tankstelle als Wirtshaus-Ersatz

Es ist kurz nach Mittag bei einer Tankstelle unweit des Cargo Center in Werndorf. Während draußen vereinzelt Kunden ihre Pkws volltanken, herrscht drinnen reges Treiben. Genauer gesagt im angehängten Bistro hinter dem Tankstellen-Shop. Diesem Phänomen hat sich der Universitätsprofessor Helmut Eberhart in einem Forschungsprojekt mit 35 Studierenden drei Semester lang angenommen. „Es ergeben sich fast gleiche Situationen wie in einem Gasthaus. Das Nebengeschäft wird für Tankstellen immer wichtiger“, berichtet Eberhart vom interessanten Ergebnis der Forschung. Allein in Graz haben die Studierenden in 14 Tankstellen Befragungen durchgeführt. Aber auch in Hirschegg, Eggersdorf bei Graz oder Öblarn wurden Interviews geführt „Es entwickeln sich eigene Szenen. Aus der näheren Umgebung der Tankstellen kommen sogar Stammgäste“, so Eberhart. Das bestätigt auch der WOCHE-Lokalaugenschein in Werndorf. Einer, der es wissen muss und seit 1982 als Tankstellenpächter sein Geld verdient, ist Harald Pfleger. Der Grazer ist als Obmann auch Sprecher der steirischen Tankstellenpächter. „Wir waren einer der Ersten, die an die Tankstellen Cafés angebaut haben. Der Vorteil ist, dass man sich bei uns nicht umziehen braucht und in Arbeitskleidung kommen kann. Aber auch Leute, die den ganzen Tag im Büro verbracht haben und am Abend einmal was Normales hören wollen, kommen zu uns“, weiß Pfleger.

Nicht nur männliche Gäste

Diesen Trend kann Universitätsprofessor Eberhart bestätigen: „Die Stammgäste sitzen oft stundenlang, ähnlich wie in einem Beisl, in der Tankstelle. Es geht sogar so weit, dass sie aus dem Urlaub Ansichtskarten an die anderen schicken.“ Erstaunlich ist, dass dieser neue Ort der Kommunikation nicht nur am Land, sondern auch in der Stadt Anklang findet. Zum Großteil sind es natürlich Männer, die sich dort zum Austausch von Neuigkeiten treffen. „Mittlerweile kommen auch viele weibliche Gäste zu uns“, sagt Tankstellenbetreiber Pfleger. An seinem Standort in Eggersdorf bei Graz ist auch die Jugend stark vertreten. Beschäftigt wird in den Bistros übrigens rein weibliches Personal. Während immer mehr Gasthäuser ihre Pforten schließen, gibt es mit den durchgängigen Öffnungszeiten der Tankstellen einen weiteren Vorteil. „Das Ergebnis war von der Dimension unerwartbar“, erzählt Eberhart. Der Kulturanthropologe plant gemeinsam mit den Studierenden eine Ausstellung zum Thema, die im Frühjahr 2019 im Volkskundemuseum eröffnet werden soll. Bis dahin hofft Tankstellenpächter Harry Pfleger auf die Umkehr eines anderen Trends. Nämlich, dass immer mehr Zapfsäulen zu Automaten-Tankstellen umgebaut werden. „Wir haben ein großes Tankstellen-Sterben.“