„STABAT MATER FURIOSA“ im Landeszeughaus Graz. Die Schauspielerin Gabriele Köhlmeier in Höchstform.
Ich bin im Landeszeughaus in Graz. Im vierten Stock. Von der Herrengasse hoch dringen dumpf all die Geräusche einer Einkaufsnacht in der Grazer Innenstadt. Musikanten spielen, Betrunkene johlen, man hört ein fernes klatschen, schreien. Oben, im vierten Stock vom Zeughaus, in dem ich sitze, erzählt die Schauspielerin Gabriele Köhlmeier – in einer gespenstisch-eindringlichen Atmosphäre – ihre Geschichte von Krieg und Hass und Flucht und Leid. Dieses Spannungsfeld von überbrodelnder westlicher Dekadenz einerseits und archaischer Schlichtheit und Armut andererseits sorgt für einen dichten Theaterabend, der zutiefst berührt.
"Stabat Mater Furiosa" ist ein Monolog des französischen Autors Jean-Pierre Siméon, ein sowohl politisch als auch poetisch starkes Stück Literatur. Vor etwa einem Jahr wurde dieses Werk durch Daniel Gerzenberg in die deutsche Sprache übersetzt und vor wenigen Wochen von der Schauspielerin Gabriele Köhlmeier, in einer Inszenierung ihres Mannes, der Regisseurs Otto Köhlmeier, im Grazer Literaturhaus zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht. Jetzt wurde dieses Werk an einem ganz besonderen Ort gezeigt: im Grazer Landeszeughaus, in der größten historischen Waffenkammer der Welt, inmitten von Tötungsgeräten aller Art.
Achtzig Minuten steht die Schauspielerin allein auf der Bühne und macht klar, dass Krieg Männersache ist: Sache des Vaters, des Bruders, des Sohnes. Und klagt sie an, diese Männer des Krieges. Sie steht auf und sagt "nein!", "aus!", "Schluss!". Und setzt den männlichen Worten des Kriegers die weiblichen Worte der Mutter, Tochter, Schwester entgegen. Worte, die aus Herz und Bauch kommen. Worte der Trauer, der Wut und der Liebe. Worte auch, die Hoffnung machen.
Das alles in einer Dichte, wie man diese selten auf einer Bühne erlebt. Wohl auch deshalb, weil die Besucher direkt ins Geschehen eingebunden sind, weil sie Teil des Lebens, Teil des Bühnenbildes sind, sich dem Ablauf nicht entziehen, sich in der Dunkelheit nicht verstecken können. Und deshalb wohl auch, weil sie sich im Zeughaus befinden, umgeben von Folter-, Marter- und Tötungsgeräten.
Eine bravouröse Leistung, die tief in die Köpfe und Herzen der Zuschauer dringt. Und die verstärkt wird durch die – eigentlich störenden, nicht geplanten – Einflüsse von außen: dem dumpfen Brüllen und Johlen einer betrunkenen westlichen Welt.
Julia A. Meier
P.S.: Das Stück ist am 18. Mai nochmals in Zeughaus zu sehen.
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