Erfüllende Klänge: "Gefragte Frauen" mit Ilze Kroja-Holzer

Kirchenmusikerin, Chorleiterin, Organistin und noch vieles mehr. Für Ilze Kroja-Holzer bedeutet Musik "ein glückliches Leben". | Foto: Foto Jörgler
  • Kirchenmusikerin, Chorleiterin, Organistin und noch vieles mehr. Für Ilze Kroja-Holzer bedeutet Musik "ein glückliches Leben".
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Als „das Land, das singt“ wird Lettland gerne bezeichnet. Mit Ilze Kroja-Holzer reichen die Töne bis nach Graz.

Das Chorsingen hat in Lettland eine lange Tradition. Wer sie erleben möchte, muss nicht weit reisen. Denn mit Obfrau Ilze Kroja-Holzer wird im Lettischen Kulturverein in Graz versucht, Musik und Kultur aus Lettland in die Steiermark zu holen.

WOCHE: Was macht der lettische Kulturverein genau?
Unser Bemühen ist, unsere Kultur weiterzuleben und zu pflegen. Und daraus auch eine gewisse Kraft zu schöpfen und die Verbindung mit Lettland aufrechtzuerhalten. Wir kommen zu Feierlichkeiten zusammen, wo unser eigener Chor singt oder lettische Künstler auftreten, die wir einladen.

Wie viele Letten leben in Graz?
Ich kenne zwischen 50 und 100 Lettinnen und Letten, aber es gibt bestimmt noch mehr. In der Umgebung auf jeden Fall noch mehr.

Auch Sie sind in Lettland geboren. Was hat Sie nach Graz gebracht?
Die Musik. Ich habe in Lettland Musikwissenschaft und Pädagogik studiert und wollte meine Ausbildung fortsetzen. In Graz habe ich Kirchenmusik studiert und mich dabei auf Orgel und Dirigieren spezialisiert.

Ihr Vater war berühmter Musiker. Haben Sie von ihm die Liebe zur Musik?
Ja, genau, mein Vater hat in Lettland unter sowjetischer Annexion gelebt. Er hat beim Aufbau der lettischen Dirigierschule und wesentlich bei der Entwicklung der lettischen Volkskultur mitgewirkt. Natürlich hat er mich geprägt. Aber meine Mutter war genauso musikalisch.

Welche Bedeutung hat das Chorsingen in Lettland?
Man nennt die Letten die Nation der Sänger. Das stimmt wirklich. Letten haben vor allem eine sehr reiche Folklore. Wir haben sehr viele Volksmelodien und Gedichte, die Dainas, aufgezeichnet. Das ist die reichste Sammlung der Welt. Unsere Lieder sind in gewisser Weise der ethnische Kern. Das Singen ist seit Jahrhunderten eine Tugend des Volkes gewesen, wie auch bei den Steirern.

Was hat es mit dem berühmten Sängerfest, das alle fünf Jahre stattfindet, auf sich?
Das ist das allgemeine lettische Gesangs- und Tanzfest, zu dem Sänger aus der ganzen Welt in Riga zusammenkommen. Die Sängerfest-Bewegung hat um 1873 begonnen. Damals ist die Volksbewegung und die Wichtigkeit des Volksliedes erwacht. Es ist auch heute noch ein fester Bestandteil der lettischen Identität und wird in den verschiedenen Bearbeitungen aufgenommen und weitergetragen. Die Liederfeste und das gemeinsame Singen wirken inspirierend, Chöre wollen sich weiterentwickeln und an Wettbewerben teilnehmen. Und auch für jeden Dirigenten ist es eine Ehre, auf einem Sängerfest dirigieren zu dürfen. Das ist sozusagen der Oscar der lettischen Nation.

Was macht das Singen mit dem Menschen?
Die, die versucht haben zu singen, kennen vielleicht das Gefühl. Wie energiegeladen sie sich nach der Chorprobe fühlen, auch wenn sie spät abends nach dem langen Arbeitstag endet. Der Mensch öffnet sich, lässt sich auf das musikalische Erlebnis ein und löst sich von allen Einengungen. Daneben gibt es die soziale Funktion. Die Leute sind nicht alleine, sie gehen aufeinander zu, sind in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Außerdem wirkt sich alleine schon das tiefe Atmen beim Singen gut auf den Körper aus. Es gibt also wirklich kaum einen Grund, warum man nicht im Chor singen sollte.

Sind die Österreicher ein musikalisches Volk?
Definitiv. Für einen Musiker ist Österreich das Land der Träume. Mozart, Schubert, Strauß und alle großen Meister. Aber mich freut, dass ich auch hier die Volksmusik und das Musizieren quasi in der Seele des Volkes erfahren darf.

Was vermissen Sie aus Ihrer Heimat?
Das Meer. Den weichen Sand am Meer. Das Licht, das etwas kühler ist, aber sehr viel Freiheit gibt. Die Wolken, die direkt vom Atlantik kommen. Die Kultur versuche ich zwar hier weiterzuleben, aber natürlich tut mir die lettische Mentalität, die sehr heiter und sehr offen ist, sehr gut. Auch meine Heimat, meine Heimatstadt Riga. Es gibt immer etwas, auf das ich mich schon sehnsüchtig freue, bis ich es wiedersehe.

Wann wäre ein guter Zeitpunkt, sich Lettland anzusehen?
Ich würde den Sommer empfehlen, da passiert sehr viel im Land. Viele kulturelle Ereignisse, lokale Sängerfeste und andere Veranstaltungen, die sehr kreativ gestaltet werden. Anfang Juli 2020 findet zum Beispiel ein großes Schülersängerfest statt, an dem um die 10000 Kinder gemeinsam auf der Bühne stehen werden. Oder im Jahr 2023. Da kann man das 150-Jahr-Jubiläum des berühmten Sängerfestes erleben.

Was haben Sie noch musikalisch in 2019 vor?
Ich bereite mich momentan für eine Woche im August vor, die "Schönen Töne" in Laßnitzhöhe. Ein Teil unserer Lieder ist steirisch oder aus dem deutschsprachigen Raum, der andere lettisch. Ich möchte die Leute jedes Jahr mit einer anderen Musikkultur bekannt machen. Außerdem kommt ein Gastchor aus Lettland, der die nordische Singweise präsentieren und mit uns gemeinsam singen wird. Das ist eine schöne Aufgabe und nicht nur für Chorsänger, sondern auch für Dirigenten und alle Musikliebhaber interessant.


Steckbrief


Geboren in Riga.
1996 nach Graz gekommen.
Studium der Musikwissenschaft, Pädagogik, Orgel und Dirigieren.
Leitet den Lettischen Kulturverein.
Infos für die erwähnte Chorwoche unter www.achteck.p58.at/schönetöne.


WOCHE-Wordrap

Aus dem Takt bringt mich... ein verstimmtes Klavier.
Graz ist... wunderschön.
Mein Lieblingsplatz... ist am Schlossberg, ganz oben.

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