Bäh, das esse ich nicht …
- hochgeladen von Elisabeth Pötler
Wie viel sollen Kinder beim Essen mitbestimmen? Wie etabliert man gesunde Gewohnheiten?
Ihr Sohn will nur mehr seine Lieblingsspeise essen? Wie sehr soll er selbst mitentscheiden, was auf den Tisch kommt?
Psychologen sagen, dass Essen eines der wichtigsten Regulative zwischenmenschlicher Beziehung ist. Liebe geht durch den Magen, sagt ein Sprichwort. Bei Eltern, vor allem bei Müttern von Neugeborenen, dominiert die Angst, dass ihr Baby nicht genug zu essen bekommt. Das ist zwar in unserer Gesellschaft heute aus der Luft gegriffen, aber es verweist auf einen archaischen Schutzinstinkt. Wer nicht isst, kann damit auch Macht ausüben.
Aber was tun? Einerseits ist es richtig, Kindern mehr Selbstkontrolle über das Essen zu geben, andererseits verlieren sie sich mitunter in bizarren Essgewohnheiten – etwa nur mehr Nudeln, Chips, …
Was zählt, ist die Balance des elterlichen Handelns: Eltern müssen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für Nahrungsaufnahme und Art und Weise des Essens vorgeben. Sonst kann leicht eine Fast-Food-Tyrannei entstehen. Es ist wichtig, gesunde Essgewohnheiten zu etablieren, ohne Druck auszuüben, dass genau das gegessen wird, was man sich vorstellt.
Möglichst früh, spätestens wenn die ersten Zähne da sind, sollte man Kindern was zu kauen geben, wie ein Stück Brot und auch Obst und Gemüse einschleusen. Was gemocht wird, hängt auch von Lernprozessen ab, Sie können gar nicht früh genug damit beginnen.
Schon in der Schwangerschaft bekommt Ihr Kind mit, wenn Sie gesund essen – also ballaststoffreich, viel Gemüse und Obst – dann schmeckt auch die Nährflüssigkeit im Uterus danach.
Mit Beharrlichkeit können wir viel Positives bewirken ohne Kinder dazu zwingen zu müssen.
Wie Ihr Kind gesünder isst
1. Seien Sie selbst ein Vorbild.
2. Hunger ist das beste Rezept. Führen Sie fixe Essenszeiten ein. Davor gibt es keine Süßigkeit. Stellen Sie sicher, dass immer zuerst der Salat am Tisch steht oder etwa appetitlich hergerichtete kleine Gemüsehäppchen.
3. Machen Sie essen zum Ritual mit fixen Abläufen. Die Verhaltenstherapie weiß: Wer beim Essen sitzt, bewusst kaut, jeden Bissen wahrnimmt, wird weniger dick und freut sich am Essen!
4. Lassen Sie Ihr Kind mitbestimmen – etwa welches Gemüse es gibt. Lassen Sie es mit kochen oder selbst etwas kreieren, dies wird oft mit Begeisterung verzehrt.
5. Seien Sie kreativ: Nutzen Sie die Neugier von Kindern, etwas Neues auszuprobieren. Es gibt viele Mitbestimmungsmöglichkeiten was, wo, wann, wie gegessen wird.
6. Machen Sie Essen zum Genuss, aber nicht zur Spielerei. Essen ist eine ernsthafte Angelegenheit, die man nicht so vorübergehend erledigt. Schön hergerichtete Speisen tragen zum Genuss bei.
7. Entspannen Sie sich, wenn Ihr Kind längere Zeit nur Nudeln oder Einseitiges zu sich nimmt. Seien Sie sicher, das ändert sich.
8. Seien Sie beharrlich, wenn Ihr Kind nicht gleich begeistert das isst, was Sie vorsetzen. Geschmacksnerven brauchen Wiederholung, bis sie Neues akzeptieren und genießen können.
9. Mitunter können bei Kleinkindern durchaus magische Feen und Zauberer beim Essen helfen, wie eine Wunderfee, die nur Gemüse isst oder der edle Ritter, der sich eine Vitaminbombe nimmt, bevor er in den Kampf zieht.
DER EXPERTE
Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Lebens- und Sozialberater.
Seit 20 Jahren leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
Jede Woche beantwortet er in der „WOCHE“ eine Frage rund um Erziehung und Beziehung.
Ihre Anregungen und Fragen können Sie per E-Mail an die Redaktion schicken:
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