Gemeinsam stark: Jeder hat ein Talent

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Die Schlange vor dem Schalter ist lang: Kleine, große, bunte Pakete, zum Teil in Geschenkspapier, werden abgegeben, beschriftet, gestempelt,… Hinter dem Schalter bleibt eigentlich keine Zeit für Pausen, aber Martin (29) und Werner (31) können sich kurz losreißen. Ein bisschen Zeit zum Blödeln bleibt allemal: „Hände aus der Hosentasche, wie das ausschaut!“, stupst Werner seinen Kollegen an. Und Martin meint: „Ja, du mit deiner Krawatte!“… Beide lächeln.
Seit eineinhalb Jahren arbeiten die zwei hier im Lebensladen der Lebenshilfe in der Anzengrubergasse, der auch als Postpartnerstelle fungiert. Beide haben eine Lernschwäche, wie ihre sechs Kollegen hier. Begleitet werden sie von Mitarbeitern der Lebenshilfe. Werner, groß und schlank, trägt als einziger Krawatte und Hemd: „Das gehört sich, wenn man mit Kunden zu tun hat“, erklärt er. Er kann nicht lesen oder schreiben, aber er ist umso ordentlicher. Hier sortiert er Päckchen in die Fächer und räumt auf. Martin, mit Brille und freundlichem Gesicht, steht am Schalter. Die Orientierung ist weniger seine Stärke, aber er bedient Kunden und den Computer: „Grüß Gott! – Ja, eine Sendung – Das macht 64 Cent – und 36 retour – danke sehr!“ Wenn ein Nachsendeauftrag oder kompliziertere Aufträge anstehen, sieht er sich kurz um und eine Betreuer springt ein. Jeder Kunde, der das teils gemächliche Tempo in manch anderer Postfiliale erlebt hat, ist verwundert, wie schnell hier alles vonstatten geht.

Leistung statt Beschäftigung
„Es ist beeindruckend wie sich unsere Teilnehmer entwickeln“, sagt Christa Rux. „Sie wissen genau, was sie können und wann sie Hilfe brauchen.“ Das gibt Selbstvertrauen. Die Lebensladen-Leiterin Christina Landgraf erklärt: „Die Menschen bekommen ein Taschengeld und eine Prämie ausbezahlt.“
Das Arbeitsklima im Lebensladen genießen alle Mitarbeiter: „Die Leute können zeigen, was in ihnen steckt“, sagt der Betreuer Alexander Sperka. „Hier gibt es keine Beschäftigungstherapie, hier wird echte Leistung erbracht.“
An den Wänden hängen Bilder von bunten Männchen, gezeichnet von Klienten der Lebenshilfe. Diese und die vielen Taschen, Stofftiere und Schmuckstücke in den Regalen werden zum Verkauf angeboten. Hergestellt werden sie in den Lebenshilfe-Werkstätten einen Stock höher. Dort arbeiten die Menschen, die etwas stärker beeinträchtigt sind.
Auch Peter geht in der Filiale ein und aus. Der 40-Jährige mit Lernschwierigkeiten macht Zustellungen und liebt seinen Job: „In der Schule haben‘s mich gehänselt, das war weniger nett, aber hier zu arbeiten ist toll“, sagt er.
Martin und Werner sind sich einig: Sie stehen in der Früh zwar nicht wirklich gerne auf, freuen sicher aber immer auf die Arbeit.
Martin wird nun von der Lebenshilfe-WG in eine Wohnung ziehen, Werner lebt schon in seinen eigenen vier Wänden – unterstützt durch einen Betreuer. „Das ist schön“, sagt er. Ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen macht einfach glücklich.

Echte Inklusion statt Integration

Wolfgang Palle, Grazer Behindertenbeauftragter, über die Situation Betroffener.

Wie gut sind die Angebote für Menschen mit Behinderung in Graz?
Die Angebotslandschaft ist keine kleine, aber es braucht passgenauere Angebote, die individuelle Lösungen ermöglichen.
Wer braucht mehr Unterstützung?
Auf Menschen mit Lernschwierigkeiten wird mitunter vergessen. Denn Barrierefreiheit bedeutet nicht nur, dass Menschen im Rollstuhl oder blinden Menschen eine Teilhabe ermöglicht wird, sondern eben auch Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Für sie gibt es etwa einige
Angebote zur Wohnversorgung und beruflichen Integration, aber es braucht mehr Angebote für den Alltag. Sehr wichtig sind leicht verständliche Informationen, wie etwa einfach formulierte Behördentexte, damit die Menschen ihr Leben selbst organisieren können. Denn leider werden zu viele Menschen mit Lernschwierigkeiten besachwaltet.
Warum ist das so?
Oft fehlt Betreuung durch Familie oder Freunde. Auch manche Richter tun sich mitunter schwer mit einer angemessenen Entscheidung darüber, denn Menschen mit Lernschwierigkeiten sind sehr unterschiedlich. Viele können sehr viel leisten, man muss ihnen aber die Möglichkeit dazu geben. Wenn sie eine Arbeit haben sind sie oft die treuesten Mitarbeiter.
Werden Kinder mit Lernschwierigkeiten gut gefördert?
Die Sonderschule ist ein Auslaufmodell und das ist gut so. An Schulen setzt man mehr auf Inklusion. Integration heißt, die Gesellschaft lässt diese Menschen teilhaben. Inklusion bedeutet, sie sind Teil der Gesellschaft. Davon profitieren auch alle anderen: Ein Problem mit Menschen mit Behinderung hat nur, wer keine kennt.

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