"Gruppen bleiben gern unter sich" – Grazer Murufer, Teil 2

- <b>Die Griesgasse:</b> In der Straße mitten in der Innenstadt (auf der "rechten Murseite") finden sich viele multikulturelle Geschäfte.
- Foto: J. Konstantinov
- hochgeladen von Verena Schaupp
Die WOCHE geht der Frage nach, wieso sich Grazer seit jeher an linker und rechter Murseite orientieren. Diesmal aus soziologischer Sicht.
Auf welcher Seite wohnst du? Dieser Frage ist man als Grazer oft ausgesetzt, gemeint ist die Seite rechts oder links (nach Stromrichtung) der Mur. Letzte Woche thematisierten wir an dieser Stelle die historische Trennung der Murufer, diesmal soll die Frage geklärt werden: Wäre eine bessere Durchmischung der beiden Seiten für das Stadtbild sinnvoll?
Phänomen gibt's überall
"Die innerstädtische Segregation nach sozialen Schichten, ethnischen Gruppen usw. ist ein Phänomen, das sich überall zeigt. Es hat seine Ursache darin, dass Bessergestellte lieber ,unter sich‘ bleiben. Sie sind auch finanziell in der Lage, sich Wohnungen und Häuser in besseren Gegenden zu leisten", erklärt der Grazer Soziologe Max Haller. "Bessere Gegenden heißt: weniger Verkehr, mehr Grün, näher zum Stadtrand oder zum Wald."
Als Grazer assoziiert man hier unfreiwillig Mariatrost, Waltendorf, Leonhard, Ries ... – alles Bezirke auf der "linken Murseite". Dennoch sieht Haller die Segregation hier nicht so dramatisch wie in anderen europäischen Städten: "In Großstädten wie Paris oder Stockholm gibt es große Viertel, wo es kaum eine Durchmischung der sozialen Schichten gibt und die Jugendlichen wenig Beschäftigungsmöglichkeit haben. So kann es auch zu Unruhen kommen."
Es grünt so grün: Rund um die Basilika Mariatrost (auf der "linken Murseite") warten viel Natur und eher noblere Wohngegenden. (Fotocredit: Christa Posch)
Kein "gut" oder "schlecht"
Von der guten oder der schlechten Murseite in Graz zu sprechen, hält der Soziologe allerdings für übertrieben, da es hie und da durchaus Ausnahmen gibt. "Eggenberg hat etwa genauso Villengegenden wie Waltendorf oder Geidorf, und Liebenau gilt umgekehrt als Arbeiterbezirk." Mittlerweile würden zudem Lend und Gries Altbau-Substanz aufweisen, neue Bauten wie das Kunsthaus haben und auch zunehmend höhere Schulen gäbe es auf der rechten Seite. "Dennoch: Auf der linken Seite sind sehr viel mehr Gymnasien, sodass es für Kinder dort viel leichter ist, auf eine höhere Schule zu gehen."
Mix im Bildungswesen
Eine gewisse Durchmischung aller Stadtteile hält Haller also für sinnvoll, gerade in Bezug auf die Verkehrsanbindung:
"Mehr Durchmischung bedeutet mehr Druck auf die Verbesserung der Infrastruktur. Und im Bildungsbereich braucht es ebenso den Mix. In Kindergärten und Schulen ist es wichtig, dass der Anteil von Kindern nicht deutschprachiger Eltern nicht zu groß wird, sondern es eine gute Mischung gibt."
Mehr zum Thema:
>> Die Stadt hat zwei Seiten - Teil 1
>> Ein Fluss und zwei politische Ufer - Teil 3


Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.