"Wir brauchen mehr Politische Bildung für alle!", fordert Politikwissenschaftler Klaus Poier.
Der Politologe sieht Politik und Medien in Zukunft stärker gefordert.
„Wir brauchen Politische Bildung als Pflichtfach in der Schule!“, forderte in der letzten WOCHE-Ausgabe Christoph Purgstaller, Demokratiebeauftragter der steirischen Landesschülervertretung, als Reaktion auf eine immer stärker werdende Politik- und Politikerverdrossenheit – in seinem Umfeld und gesamtgesellschaftlich. Messbar an einer seit Jahren sinkenden Wahlbeteiligung, spürbar in den sozialen Medien, am Stammtisch und in der Straßenbahn.
Schulfach als Basis
So verwundert es auch nicht, dass der Grazer Politikwissenschaftler und Verfassungsjurist Klaus Poier dem 17-jährigen Schüler Christoph Purgstaller zustimmt: „Politische Bildung muss ein zentrales Anliegen sein und ausgebaut werden.“ Doch nur bei der Bildung von Jugendlichen anzusetzen reiche laut dem Experten nicht aus. „Ein eigenes Schulfach ist wichtig und ich würde dieses Anliegen unterstützen. Aber das kann nur ein Pflänzchen sein, auf dem ein Gesamtkonzept für Politische Bildung aufbauen soll. Wir brauchen mehr Politische Bildung für alle!“
Vorbild Deutschland
Doch wie könnte so ein Konzept aussehen? Handlungsbedarf sieht der Politologe unter anderem in den politischen Parteien. „Ich glaube, dass auch Parteien die Bürger verstärkt politisch bilden müssen“, so Poier, der als Vorbild Deutschland nennt. „Dort gibt es von allen großen Parteien eigene Bildungseinrichtungen, die das in einer fokussierteren Form machen, als es bei uns der Fall ist.“ Beispiele dafür seien etwa die CDU-nahe „Konrad Adenauer Stiftung“ oder die der SPD nahestehende „Friedrich Ebert Stiftung“, die gezielt auf eine Information der Bürger setzen. „Das können Veranstaltungen, Publikationen und sogar textliche Werbungen sein. Das alles gibt es bei uns zwar auch, aber es muss einfach zielgerichteter und effizienter sein“, so Poier. Zusätzlich gebe es bei unseren großen Nachbarn mit der „Bundeszentrale für politische Bildung“ auch eine staatliche Einrichtung, deren Aufgabe es laut Eigendefinition ist, „Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken“.
Mehr Partizipation
Zusätzlich zur Politischen Bildung mache es laut dem Politikwissenschaftler in diesem Zusammenhang auch Sinn, über die bestehenden politischen Beteiligungsmöglichkeiten in Österreich nachzudenken: „Mehr Partizipationsmöglichkeiten und ein Mehr an direkter Demokratie würden in meinen Augen sicher auch die politische Bildung und das politische Bewusstsein stärken. Wenn man nur alle vier oder fünf Jahre zur Wahl geht, ist die Demokratie für die Menschen einfach sehr weit weg.“ Ein Vorbild sei in dieser Hinsicht laut Poier die Schweiz: „Wenn man wie dort vierteljährlich zu einer Abstimmung gehen kann, dann beschäftigt man sich auch kontinuierlich mit politischen Themen und bekommt gleichzeitig ein Bewusstsein dafür, welche Verantwortung mit politischen Entscheidungen verbunden ist.“
Medien gefordert
Neben den Parteien und dem Staat selbst sieht Klaus Poier aber nicht zuletzt auch die Medien gefordert: „Es sollte auch hier klar sein, dass Politische Bildung unterstützt gehört. Die Bürger zu informieren muss ein gemeinsames Anliegen aller sein, da das Wissen um die Politik und ihre Abläufe für eine Demokratie auf Dauer die Lebensgrundlage ist.“
WOCHE Wissen
Das "Bundesgesetz über die Förderung staatsbürgerlicher Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien sowie der Publizistik" wurde 1972 im Nationalrat beschlossen. Darin wurde festgelegt, dass der Bund die „staatsbürgerliche Bildungsarbeit der politischen Parteien“ fördert.
Ab fünf Nationalratsabgeordneten stehen einer Partei Förderungen für "staatsbürgerliche Bildungsarbeit" durch eine Parteiakademie zu.
#mitreden
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