Unzulässige Formulare
Wohnungsvermieter wollen immer intimere Einblicke
"Bewerbungsfragen" für Mietwohnungen überschreiten häufig Grenzen, bemängeln Datenschutzexpertinnen und -experten. Doch braucht man eine Wohnung, ist die Handhabe dagegen schwierig, wie man bei Mietervereinigung und Arbeiterkammer erklärt.
GRAZ. Wie groß ist Ihr kurzfristig verfügbares Vermögen? Was sind Ihr gebundenes Vermögen, Ihre laufende Leasing- und Kreditraten? Spielen Sie ein Musikinstrument oder sind Sie Raucher? Benötigen Sie Sozialleistungen zur Zahlung der Miete oder der Kaution? Wurde gegen Sie schon einmal eine Räumungsklage erwirkt? Als Markus Maierhuber (Name geändert, Anm.) diese und weitere intime Fragen nach einer Wohnungsbesichtigung in Graz-Gries auf einem Formular der vermittelnden Immobilienfirma fand, staunte der Jurist nicht schlecht: "Meiner Meinung nach werden da überbordend Daten erhoben, die nichts damit zu tun haben, wie das österreichische Zivilrecht solche Dinge regelt."
Zwar habe er durchaus Verständnis dafür, dass sich Vermieterinnen und Vermieter zur Absicherung über die Bonität etwaiger Mieterinnen und Mieter einen Überblick verschaffen, doch: "Die abgefragten Kategorien sind teils juristisch falsch. Da hat sich einfach jemand hingesetzt, der oder die weder Ahnung vom Datenschutzrecht noch vom allgemeinen Zivilrecht hat, und einen Katalog aufgesetzt, der sehr juristisch klingt." Maierhubers Vermutung: "Das soll Leute ohne entsprechendes Vorwissen dazu verleiten, unbedarft alles auszufüllen. Das halte ich für höchst schwindelig."
Steigende Liebe zum Detail
Für die Leiterin des Konsumentenschutzes der Arbeiterkammer Steiermark Bettina Schrittwieser ist dieses Szenario kein Einzelfall: "Wir sehen das öfters und bemerken, dass die Fragen zum persönlichen Umfeld mehr werden." Für sie steht fest: "Man kann durchaus Einkommensnachweise verlangen."
Ebenso zulässig sei die Frage nach dem Arbeitsverhältnis, ob Insolvenzverfahren laufen oder ob es Pfändungen gibt. Aber viel weiter darüber hinaus nicht – "ich muss mich nicht nackert ausziehen und dem Vermieter alles mitteilen". Ins selbe Horn stößt der Vorsitzende der Mietervereinigung Steiermark Christian Lechner: "Fragen, die damit zu tun haben, ob man sich die Wohnung leisten kann, sind für mich als Mieterrechteschützer in Ordnung."
Dass diesbezügliche Selbstauskunftsformulare immer detailverliebter werden und unter anderem Vermögenswerte erfragen, sieht er kritisch: "Das sind Sachen, die schießen doch wohl über das Ziel hinaus und sind aus datenschutzrechtlichen Gründen sehr verwerflich." Allerdings sei es "immer so eine Geschichte", was man den Menschen raten soll: "Auskünfte über Religion, sexuelle Ausrichtung sind laut Antidiskriminierungsgesetz nicht zulässig und könnte man theoretisch ohne rechtliche Konsequenzen auch falsch beantworten. In Sachen Finanzen ist das schon schwieriger, weil vieles nicht klar geregelt ist."
Kritik an "sozialer Diskriminierung"
Wenn man also eine Wohnung haben will, werde es in der Praxis schwierig, wenn man jegliche Auskunft kategorisch ablehnt, stimmt Schrittwieser zu. Ob das nicht eine Art Erpressungssituation sei? "Faktisch ist das leider so", so die AK-Konsumentenschützerin.
Schärfere Worte zur Thematik findet die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark Daniela Grabovac: "Mit der Abfrage von Ausbildung, Tätigkeit, persönliches Nettoeinkommen, Anzahl der Kinder, Arbeitgeber und dergleichen geht das Risiko der sozialen Diskriminierung einher, weil sie eine Bevorzugung – beispielsweise von Menschen im öffentlichen Dienst oder qualifizierten, leitenden Tätigkeiten – bewirkt. An sich sind es aber gerade diese, die leichter einen Kredit erhalten und sich schlussendlich auch Eigentum leisten können." Ihre Überzeugung: "Im Gegenzug fühlen sich Menschen in prekären sozialen Lage zunehmend an den Rand der Gesellschaft gedrängt – auch am Wohnungsmarkt."
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