Politwissenschafter analysiert
"Die SPÖ ist keine Arbeiterpartei mehr"

- Symbol für die SPÖ in Österreich: der 1. Mai. Doch der Ruf als Arbeiterpartei verblasst.
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Der deutsche Politologe Frank Decker sprach bei einem Graz-Besuch mit MeinBezirk.at über die Rolle der Sozialdemokratie in Deutschland und in Österreich.
STEIERMARK. Er ist am Institut für Politische Wissenschaft der Uni Bonn tätig, analysiert im deutschen Sender "Phönix" politische Geschehnisse, ist ein profunder Kenner der deutschen und österreichischen politischen Landschaft: Der Politologe Frank Decker weilte kürzlich auf Einladung seines steirischen Kollegen Klaus Poier in Graz.

- Scharfe Analyse: Politologe Frank Decker über die Sozialdemokratie in Österreich und Deutschland.
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Als langjähriges Mitglied der SPD und deren Grundwertekommission hat er ein ganz besonderes Naheverhältnis zur Sozialdemokratie – die er, wie es im Gespräch mit MeinBezirk.at immer wieder aufblitzt – mit einem sehr kritischen Blick betrachtet. Spannend sind natürlich vor allem die Vergleiche zwischen den Parteien in Deutschland und Österreich.
Scholz konnte Kanzler, kann Babler auch?
Schon die Kür von Olaf Scholz zum deutschen Bundeskanzler Ende 2021 zeigt durchaus Parallelen auf. "Natürlich hat die SPD damals vor allem von den Schwächen der anderen profitiert. Aber man hat in diesem Wahlkampf auch alles richtig gemacht", sagt Decker. Die Rentengarantie einerseits, die auf dem Thema "Respekt" aufgebaute Kampagne haben zum Erfolg geführt. Die Union wiederum war schlecht aufgestellt, vor allem in der Frage, ob man ein Einwanderungsland sei oder nicht, war man uneins – ein Zustand, den man auch der ÖVP immer wieder attestieren könnte.
Dennoch dürfe der Wahlerfolg nicht über die Schwächen der deutschen Sozialdemokraten hinwegtäuschen: "Scholz ist kein starker Kandidat, er hat kommunikative Schwächen, wirkt arrogant", bringt es Decker auf den Punkt. Allerdings: "Er ist unbeirrbar, eine Eigenschaft, die in Krisenzeiten wichtig sein kann." Jedenfalls sei die SPD unter Scholz nicht nach links geschwenkt, das werde auch in Österreich nicht passieren, meint Decker. Ein radikaler Linkskurs sei für Andreas Babler gar nicht möglich, mache auch keinen Sinn, dieses Spektrum sei mit KPÖ und Grünen gut abgedeckt. "Ziel muss es sein, Stimmen von der ÖVP und der FPÖ zu holen."
"Klientelpartei der besser verdienenden Mittelschicht"
Ohne Positionierung werden aber keine Wahlen zu gewinnen sein. Wofür steht die SPÖ eigentlich, wofür könnte sie stehen? "Die SPÖ ist längst keine Arbeiterpartei mehr, sie ist eine Partei der aufgestiegenen Akademiker", so Deckers Analyse über die "Klientelpartei der besser verdienenden Mittelschicht". Die Sozialdemokratie sei aber sehr wohl auf der Seite des Fortschritts. Deshalb brauche es endlich eine klare Antwort auf die Frage, was das für die Migration bedeute. Ein Thema, um das sich die SPÖ seit Jahren herumschwindelt. Was wäre eine adäquate Antwort? "Erster Schritt ist die bessere Ausbildung für die eigenen Leute. Zweitens muss man für Frauen bessere Rahmenbedingungen schaffen. Erst im dritten Schritt kommt die Migration."

- Der neue Hoffnungsträger: Andreas Babler soll die SPÖ wieder in bessere Zeiten führen.
- Foto: Andreas Babler
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Klimaschutz ist SPÖ-Thema
Und auch der Klimaschutz sei Kernthema der SPÖ, nicht jenes der Grünen. Klingt irritierend, ist es aber laut Decker nicht: "Wir müssen in diesem Thema einen sozialen Ausgleich schaffen, das birgt größte Sprengkraft." Denn gehe man die notwendigen Maßnahmen zu langsam an, werde man die Klimaziele nicht erreichen. "Macht man es aber zu schnell, wird es zu sozialen Verwerfungen kommen." Genau um hier den Ausgleich zu schaffen, brauche es eine Partei wie die SPÖ. Was passiert, wenn man Ängste der Menschen nicht mit konkreten Konzepten beantworte, würde in Deutschland sichtbar. Es gäbe Teile der Bevölkerung, etwa im Ruhrpott, die für die SPD gar nicht mehr erreichbar sind. "Die werden zu Nicht-Wählern. Oder sie wandern zur AFD ab." Ein Phänomen, das Decker auch in Österreich beobachtet, der große Profiteur sei die Kickl-FPÖ.
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