Wegweisendes Projekt für Biodiversität
Renaturierung am Grazer Ragnitzbach erfolgreich

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Ein wegweisendes Bach-Renaturierungsprojekt hat der Naturschutzbund Steiermark in Kooperation mit der Privatklinik Graz Ragnitz am Grazer Ragnitzbach realisiert.
Im Zuge der Arbeiten wurde auf einer Gesamtlänge von ca. 30 Metern die Ufersicherung (Wasserbausteine) entfernt und durch Jungbäume (Schwarzerlen, Weiden) ersetzt, eine Sohlschwelle teilweise herausgenommen und die angrenzende Sohlpflasterung aufgebrochen. Als Pächter des Gewässers hat der Naturschutzbund Steiermark die ökologischen Strukturierungsmaßnahmen im und am Ragnitzbach geplant und die Baumaßnahmen unter der Leitung des Naturschutzbund-Biologen Oliver Zweidick begleitet. Durch die getroffenen Maßnahmen verbessert sich der Lebensraum für alle anspruchsvollen aquatischen Organismen. Die in der Bachmitte durchtrennte Sohlschwelle und entfernte Sohlpflasterung ermöglichen nun den bachbettbewohnenden Tieren die stromaufwärtsgerichtete Wanderung.
Seltene Köcherfliege als Bioindikator für gesunde Gewässer
Die Wahl für den Rückbau fiel auf jenen Bachabschnitt des Ragnitzbaches, an dem 2022 erstmals die Köcherfliegenart Adicella balcanica in Österreich nachgewiesen wurde und im selben Jahr ein Projekt zur Wiederansiedelung der Elritze, eines nur maximal fingergroßen Fisches, erfolgte.
Im Großteil des Verbreitungsgebiets von Adicella balcanica, der Balkanhalbinsel und Teilen Mitteleuropas, ist die Art äußerst selten. Die Larven der Art bevorzugen kleinere, von Grundwasser beeinflusste Fließgewässer mit ausgedehnten Bereichen sogenannter „Wurzelbärte“. Diese werden von den feinen, ins Wasser ragenden Wurzeln der Uferpflanzen gebildet und dienen den Larven der Art als Nahrung und Baumaterial für ihre zylindrischen Wohngehäuse („Köcher“). Derartige Abschnitte sind im Renaturierungsbereich entlang von wenigen Metern vorhanden, wo anstatt der Wasserbausteine (große Fels-Bruchstücke zur Ufersicherung) das Wurzelwerk von Weiden und Schwarzerlen die Uferlinie bilden. Durch die Entfernung der Wasserbausteine und Pflanzung von Bäumen an den Ufern werden sich in den nächsten Jahren die nutzbaren Bereiche für viele bachbettbewohnende Tiere vervielfachen.
„Da vor der Maßnahmenumsetzung im Ragnitzbach der ökologische Zustand auf Grundlage der bachbettbewohnenden Tiere (Makrozoobenthos) bewertet wurde, wird es nun möglich sein, den Maßnahmenerfolg durch eine erneute Beprobung zu evaluieren und diesen zu überprüfen“, so Oliver Zweidick, Projektleiter beim Naturschutzbund Steiermark hinsichtlich weiterer Anwendungen in Grazer Bächen.
Generell sind unverbaute, durchwurzelte Ufer ein wesentlicher Teillebensraum für eine Vielzahl aquatischer Organismen, weshalb die Förderung von Adicella balcanica stellvertretend für die gesamte Lebensgemeinschaft der bachbettbewohnenden Organismen (Benthos) steht.
Naturschutzbund will naturnahe Gewässerabschnitte an Grazer Bächen wieder herstellen.
Der Naturschutzbund Steiermark ist an vier großen Grazer Bächen (Mariatroster-, Stifting-, Leonhard- und Ragnitzbach) Fischereipächter und -aufseher. Bisher wurde überwiegend das Ziel verfolgt, bauliche Maßnahmen von Anrainer*innen an und in den Bächen auf ihre ökologischen Auswirkungen zu prüfen und gegebenenfalls Modifikationen vorzuschlagen. Zukünftig wird die Wiederherstellung naturnaher Fließgewässerabschnitte stärker in den Fokus rücken, wobei gehölzbestandene Ufer ohne hartem Verbau von zentraler ökologischer Bedeutung sind.
Ein Projekt im Sinne des „EU Nature Restoration Law“
Nach dem 2024 beschlossenen EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law) sollen wertvolle Flächen renaturiert werden, um dem fortschreitenden Lebensraumverlust entgegenzuwirken und die Biodiversität zu fördern. Dazu zählt auch die Wiederherstellung eines naturnahen, ökologisch guten Zustandes von Bachbereichen. Der Naturschutzbund renaturiert bereits seit 50 Jahren Flächen und hat jetzt am Ragnitzbach in Graz ein wegweisendes Projekt erfolgreich umgesetzt.
Rückfragehinweis:
Naturschutzbund Steiermark:
Oliver Zweidick, MSc: oliver.zweidick@naturschutzbundsteiermark.at
Besonderer Dank gilt der Mavie Med Holding als Eigentümerin der Privatklinik Graz Ragnitz, die den Veränderungen im Bereich ihres wasserrechtlich bewilligten Anlagenbereichs zugestimmt und das Naturschutzbund-Projekt gefördert hat. Finanziert wurde das Projekt aus Spenden an den Naturschutzbund Österreich.
Fotos: (C.) Oliver Zweidick
Fotobeschreibung: Bach-Abschnitt nach der Renaturierung, Arbeiten am und im Bach, Köcherfliege als erwachsenes Tier und als Larve (aus dem Ragnitzbach), Zielzustand ist die naturnahe Gestaltung mit von Schwarzerlen und Weiden bestandenen Ufern.






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