Ein (teurer) Platz an der Sonne

Der erste frühlingshafte Sonnenschein lockt unzählige GrazerInnen aus ihren Wohnungen. Ihr erklärtes Ziel: die Innenstadt. Die willkommenen Temperaturen haben zugleich den alljährlichen Wettstreit um die beliebtesten Sonnenplätze eingeläutet. Die GrazerInnen machen sich auf die Suche.

Angesteuert werden vorzugsweise sonnige Gastgärten, Märkte, kleine Shops oder Kaufhäuser. Kurz gesagt, Orte des Konsums. Weniger kommerzialisierte Gegenden wie etwa der Grazer Stadtpark und kleinere städtische Parks bleiben, verglichen mit den Massen in der Innenstadt, relativ leer. Das Angebot von Sonne und Wärme reicht nicht aus, um diese Orte für GrazerInnen attraktiv genug erscheinen zu lassen.

Eine Flucht aus der Wohnung in die Sonne ist heute mehr denn je mit Konsumtätigkeit verbunden. Man trifft sich nicht im Park auf einen Spaziergang, sondern auf einen Kaffee im Schwalbennest, nicht auf einen Plausch an der Murpromenade, sondern auf einen Sekt auf der Kastner & Öhler Dachterrasse. An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum gesellige Aktivitäten immer stärker an kommerzielle Aktivitäten gebunden sind?

Eine Ursache liegt möglicherweise in der städtischen Bemühung, öffentlichen Raum zu kommerzialisieren. In Graz finden sich etliche Beispiele für Kommerzialisierungsanstrengungen, mit dem offiziellen Ziel, die urbane Lebensqualität zu erhöhen.

Aktuell werden im Pfauengarten auf bisher öffentlichem Grund drei Wohn- und Geschäftsbauten errichtet, die für exklusives Klientel reserviert sind. Der öffentliche Raum, in dem man sich bis heute kostenlos bewegen konnte, geht dadurch in Privatbesitz über und ist von GrazerInnen von nun an nur durch kommerziellen Aufwand zurückzuerobern -- also durch Büromiete oder Wohnungsmiete. Aufenthalte von kürzerer Dauer in dem ehemals öffentlichen Raum können durch Getränkekonsum in einem der im Erdgeschoß angesiedelten Cafés oder Restaurants finanziert werden.

Ein ähnliches Projekt ist der geplante Kraftwerksbau im Süden von Graz, dessen Konsequenzen bis in die Grazer Innenstadt spürbar sein werden. Im Rahmen des Kraftwerkprojekts ist seitens der Stadt die Errichtung von Freizeitanlagen, Cafés und Restaurants am Flussufer geplant. Hoch professionelle architektonische 3-D Darstellungen der geplanten Anlagen machen GrazerInnen bereits jetzt Lust auf eine gemütliche Tasse Tee, ein Glas Weißwein oder italienische Bruschetta am Murufer.

Während die Stadt fleißig Ausschau nach weiteren Kommerzialisierungsmöglichkeiten hält, werden die kostenlosen Angebote für GrazerInnen, die sich ohne Konsumzwang einen sonnigen (Winter)-Tag machen möchten, immer geringer. Im Stadtpark befinden sich glücklicherweise noch Sitzbänke und Wiesen, die zum Verweilen einladen, aber kaum ein anderer Platz in der Innenstadt bietet eine ausreichende Anzahl an Möglichkeiten, sich ohne Konsumzwang für eine Stunde niederzulassen. Wo setzen Sie sich am Franziskanerplatz hin, wenn nicht in ein Café?

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