Keine schwere Sachbeschädigung
Freispruch im Puppenprozeß

Die Installation von Chris Moser wurde in den Inn geworfen.  | Foto: zvg
  • Die Installation von Chris Moser wurde in den Inn geworfen.
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INNSBRUCK. Die "kapitalismuskritische Plastik", eine lebensgroße Figur aus Papiermaché, wurde von unbekanntenTätern in den Inn geworfen. Die Reaktion von GR Gerald Depaoli führt zu  einem Prozeß über mehrere Instanzen. Jetzt liegt das Urteil im Innsbrucker Puppenprozeß vor. "Somit war der Freispruch mangels Erweisbarkeit eines Vorsatzes in Richtung des Gutheißens einer schweren Sachbeschädigung zu bestätigen.", OLG, 7.7.2021.

Kein künstlerischer Wert

„Wie zu erwarten, und wie auch von einer ausgewiesenen Kunstexpertin in einem Gutachten festgestellt wurde, hatte die 2019 im Waltherpark platzierte „Selbstmörderpuppe“ im Waltherpark keinen künstlerischen Wert, da es für Laien nicht erkennbar war, dass es sich bei der Puppe möglicherweise um ein Kunstwerk handeln könnte. Aus diesem Grund hat das OLG den Freispruch des Straflandesgerichts Innsbruck vom 3. März 2021 in 2. Instanz am 7. Juli 2021 bestätigt, und somit steht fest, dass ich zu keinem Zeitpunkt eine Straftat gutgeheißen habe“, teilt GR Gerald Depaoli mit.

Der Vorfall

"Kunst gefällt oder gefällt nicht". Dieser einfache Nenner war im November 2019 in der Innsbrucker Stadtpolitik nicht zu finden. Anlass dafür war eine Kunstinstallation von Chris Moser, einem bekannten Tiroler Künstler und Politaktivisten. Die "kapitalismuskritische Plastik", eine lebensgroße Figur aus Papiermaché, stellte eine bettelnde Person am Boden mit einem Strick um Hals dar und war im Waltherpark zu sehen. Von unbekannten wurde das Werk in den Inn geworfen. Die Tat fand Zuspruch von Innsbrucker Gemeinderat Gerald Depaoli. Auf seiner Facebook-Seite meinte er: "Was ist das ??? Entwarnung : War nur eine geschmacklose Kulturinstallation im Waltherpark die ein Unbekannter im Inn entsorgt hat . Gut gemacht oder ???" und löste damit eine breite Welle an Kritik aus. Alle Informationen, Reaktionen sowie die Urteilbegründung in erster Instanz können Sie dem Stadtblatt-Beitrag entnehmen.

Vorverurteilung

„Fest steht aber auch, dass ich fraktionsübergreifend von verschiedensten Gemeinderätinnen und Gemeinderätinnen substanzlos vorverurteilt wurde, und die künstliche mediale Empörung letztendlich sogar dazu führte, dass mir die Grünen ohne tatsächliche Begründung das Mandat im Kulturausschuss entzogen haben! Man darf also gespannt sein, welche dieser vorverurteilenden Gemeinderätinnen und Gemeinderäte die Größe haben werden sich bei mir dementsprechend gleichermaßen öffentlich zu entschuldigen! Von den Innsbrucker Grünen erwarte ich mir eine Stellungnahme, wie sie die Entziehung meines Mandates im Kulturausschuss im Nachhinein begründen wollen, wenn selbst eine ausgewiesene Kunstexpertin in einem Gutachten festgestellt hat, dass die „Selbstmörderpuppe“ als Kunstwerk für Laien nicht erkennbar war, und somit auch keinen künstlerischen Wert darstellte,“ so GR Gerald Depaoli, der eine dementsprechende Anfrage an Bgm. Georg Willi ankündigt, wie es sein kann, dass im Öffentlichen Raum vermeintliche Kunstwerke aufgestellt werden dürfen, die nachweislich keine sind, und auch keinen künsterischen Wert darstellen. „Auf alle Fälle lohnt es sich zu kämpfen, wenn es darum geht die Meinungsfreihit zu verteidigen!“, schließt Gemeinderat Gerald Depaoli, welcher sich auf zukünftige kunst- und kulturpolitischen Diskussionen im Innsbrucker Gemeinderat freut.

Die Berufung

In der Berufung wird u. a. ausgeführt: "In der Hauptverhandlung wurde ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür beantragt, dass es sich bei der in Rede gestellten Puppe um keine Sache von allgemein anerkanntem künstlerischem Wert für die Allgemeinheit handelt. Dieser Beweisantrag wurde abgewiesen, mit der Begründung, dass das beantragte Beweismittel nicht geeignet sei, eine in diesem Verfahren erhebliche Tatsache zu beweisen. Die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat wäre nur dann strafbar, wenn es sich bei der Puppe tatsäch-lich um eine Sache von anerkanntem künstlerischen Wert im Sinne des § 126 (1) Z 4 StGB gehandelt hätte, weshalb die angestrebte Beweisaufnahme für die Rechtsfrage, ob es sich hier um eine Sache von allgemein anerkanntem künstlerischen Wert handelt, relevant gewesen wäre. Weiters hat der Angeklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass die Puppe bereits vor dem Wurf im Wasser beschädigt war. Selbst wenn es sich tatsächlich um eine Sache von allgemein anerkanntem künstlerischem Wert gehandelt hätte, was ausdrücklich bestritten wird, so würde es sich wohl nicht mehr um eine solche handeln, wenn sie bereits zuvor durch Vandalismus, Witterungseinflüsse – es handelt sich hier um eine Pappmachéfigur, welche ungeschützt mitten im Spätherbst ausgestellt war – beschädigt war. Diesfalls wäre der Wurf ins Wasser einer beschädigten Puppe nicht mehr als schwere Sachbeschädigung zu qualifizieren und auch dem Angeklagten die Entfernung der beschädigten Sache nicht als Gutheißung einer Straftat, welche mit mehr als einem Jahr Haftstrafe bedroht ist, vorzuwerfen, weshalb auch die-sem Beweisantrag – entgegen der Ansicht des Erstgerichtes – erhebliche Relevanz zugekommen wäre. Der Angeklagte wurde durch die Abweisung seiner Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten massivst beeinträchtigt."

Das Urteil

Aus dem Urteil des Straflandesgerichts Innsbruck vom 3. März 2021: "Der Angeklagte Gerald Depaoli, wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 24.11.2019 in Innsbruck und andernorts auf der allgemein abrufbaren Internet-Seite https://www.gerechtes-innsbruck.at/aktuelle-videos/, mithin auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, durch die in einem von ihm veröffentlichten Video mit dem Titel „Wasserleiche im Inn“ zur von unbekannten Tätern vorgenommenen Zerstörung einer Plastik des Chris Moser getätigten Aussagen „...und jetzt bedanke ich mich ganz herzlich bei demjenigen, der die Puppe gepackt hat und da in den Inn geschmissen hat (…) alle Achtung dass einer die Courage hat zu sagen mit diesem Multi-Kulti-Klumpert können wir nicht umgehen und das gehört schleunigst weg – Gott sei Dank liegts da drein...“, eine vorsätzlich begangene, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 4 StGB, in einer Art gutgeheißen, die geeignet ist, das allgemeine Rechtsempfinden zu empören und zur Begehung einer solchen Handlung aufzureizen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen."

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