Gespräch mit einem Abenteurer + Video
Das Interview mit Bruno Baumann
Der Kitzecker Bruno Baumann ist Abenteurer, Ethnologe, Autor, Redner und Filmemacher. Er erklärt im Interview seine Definition von Ethnologie, spricht über den eingeschlagenen Lebensweg und appelliert an die Leser:innen zu mehr Selbstständigkeit im Alltag.
Was bedeutet eigentlich Ethnologie?
Bruno Baumann: Im Prinzip ist das die Völkerkunde. Es gibt die Volkskunde, das ist sozusagen unser Brauchtum und die Völkerkunde fasst Traditionen von (indigenen) Völkern auf der globalen Ebene zusammen. Man könnte sagen Ethnologie ist die Tochter des Kolonialismus und deshalb bin ich davon auch ein wenig enttäuscht.
Viele Fachvertreter:innen sind zu sogenannten Urvölkern gereist, wollten sich dort ihre akademischen Ehren verdienen, haben dabei jedoch die politische Lage völlig missachtet. Diese indigenen Völker wurden akkulturiert und in weiterer Folge auch diskriminiert. Heute sind sie fast gänzlich verschwunden.
Mein Studium war sozusagen brotlose Kunst, trotzdem bin ich froh darüber, denn im Endeffekt hat es mir den Impuls gegeben, mich mit jenen Dingen zu beschäftigen, die mir wirklich am Herzen liegen. Dabei spreche ich von der Synergie zwischen Natur und Kultur. Dabei habe ich nie einen wissenschaftlichen Ansatz gewählt, sondern populäre Filme von meinen Abenteuern gemacht.
Unser berühmtester Fachvertreter Bronislaw Malinowski kann wohl als absoluter Kolonialist betrachtet werden wie stehen sie zu diesem Umstand?
Baumann: Naja zu Lebzeiten dieser Ethnolg:innengruppe regierte auf jeden Fall der koloniale Geist. Diese Generation, hat ihre Kultur als wertvoller angesehen und sind den indigenen Völkern nicht auf Augenhöhe begegnet. Heutzutage gibt es neue Tendenzen und Forschungsansätze, darüber bin ich auch sehr froh, denn es ist kein schönes Bild, das unsere Urväter hier von dieser Disziplin gezeichnet haben.
Wie sieht ein klassischer Ethnolog:innenalltag aus?
Bauman: Man versucht Völker zu finden, die noch nicht akkulturiert, also von anderen beeinflusst sind. Das gibt es eigentlich so in der Reinform weltweit gar nicht mehr und wenn sind das nur kleine Feigenblätter. Diese werden erforscht und mit anderen verglichen, aber in den meisten Fällen, geht es um das Erforschen des Alltagslebens der Menschen. Welche Lebensformen haben Personen entwickelt und wie lösen sie Probleme, vor die sie ihre Umwelt stellt. Das sind auf jeden Fall Fragen, die auftreten.
Was ich jedoch sehr an der Ethnologie schätze, ist die Tatsache, dass sie das Vermächtnis von Kulturen für die Nachwelt aufbewahrt. Denken wir nur an die vielen Museen und die dort ausgestellten Artefakte und Exponate. Fall jene Kulturen sich wieder an ihre ursprünglichen Traditionen erinnern, haben sie die Möglichkeit mit Hilfe des Vermächtnis sich an selbige zu erinnern und sozusagen den umgekehrten Weg zu gehen. Das ist vielleicht sogar der übergeordnete Sinn.
Diese Entwicklung kann man heute an vielen Beispielen beobachten, wenn wir beispielsweise an den Trend:"Urlaub am Bauernhof denken" oder?
Baumann: Auf jeden Fall oder wenn wir uns das Thema Ernährung ansehen, hier werden Rezepte aus Zeiten der Großmutter ausgepackt. Aber auch der stärkere Fokus auf regionale Produkte, speziell im Bereich Kräuter oder Medizin ist erkennbar. Das Beispiel Yoga ist ein Export aus Indien, diese geistige Technik geht auch schon über viele Jahrhunderte zurück und steht stellvertretend für die Rückbesinnung. Je mehr Globalisierung, umso eher wird es die Tendenz zum Originärem geben.
Wie passen die oben beschriebenen Entwicklungen und Definitionen mit dem Umstand zusammen, dass es in der heutigen Ethnologie schon eine starke Tendenz Richtung Stadtforschung gibt?
Baumann: Das liegt auf jeden Fall an der Urbanisierung der Welt, Städte werden größer und wachsen immer schneller. Nun stellt sich die Frage, wie mache ich diese Städte menschlicher? In Österreich sind die Städte verhältnismäßig überschaubar, doch denken wir an die Großstädte dieser Welt? Das Zusammenleben auf der sozialen Ebene gestaltet sich hier doch sehr schwierig, weil es eine große Schere zwischen Arm und Reich gibt, beispielsweise wie in den Favelas oder in Mexiko. Deshalb ist es umso wichtiger, dass hier auch die Ethnologie ihren Teil dazu beiträgt, damit das Leben dieser Leute ein besseres wird.
Wie hat der Weg nach dem Studium ausgesehen?
Baumann: Aufgrund dessen, dass ich schon im Jugendalter sehr an Büchern interessiert war, während meine Freunde sich eher Fußball oder anderen Aktivitäten widmeten, war für mich sofort klar, dass ich meinen Vorbildern aus den Büchern nacheifern möchte. Dabei haben mich speziell Forschungsreisende und die Wüste, sowie der Himalaya interessiert. Wichtiger war mir jedoch kein speziell geographisches Ziel, sondern die persönliche Herausforderung. Wobei ich sagen muss, dass ich Glück hatte, dass in meiner Zeit, archaisches Reisen noch möglich war.
Was für eine Art von persönlicher Herausforderung war das beispielsweise?
Baumann: Es ging mir dabei darum, mein eigenes Potenzial auszuschöpfen und mich aus der Komfortzone zu bewegen. Denn es ist wichtig, sich nicht in Scheinsicherheiten zu wiegen, was ein Problem der westlichen Welt ist, sondern seine eigenen Möglichkeiten kennenzulernen. Wir im Westen, wollen alles versichern, sogar die Liebe und das ist ein großes Problem. Bei meinen Reisen, ging es darum, sich in eine Situation zu bringen, in der man auf sich alleine gestellt ist, denn dann erkennt man, über welche Fähigkeiten man eigentlich verfügt.
Ist der Mensch zu sehr in seiner Komfortzone gefangen?
Baumann: Ja, auf jeden Fall, in einer Welt, in der Veränderung die einzige Konstante zu sein scheint, sucht er ein überzogenes Maß an Sicherheiten und dagegen gilt es anzukämpfen und selbstständig zu agieren. Ich habe beispielsweise meinen Traum der Selbstständigkeit durch Filme, Vorträge und das Verfassen von Büchern finanziert.
Das Festhalten dieser Erlebnisse, konnte ich jedoch nur in dieser Form wiedergeben, weil ich zuvor die benötigten Erfahrungen gemacht habe und aus der Komfortzone ausgebrochen bin. Ich kann nicht alle Risiken absichern, deshalb suche ich die gewonnene Sicherheit, aufgrund der Naturerfahrungen, stets bei mir selbst und nicht außen. Freiheit heißt, frei sein von Ängsten und dahingehend haben wir uns in letzter Zeit zu sehr einlullen lassen.
Danke für das Gespräch.
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