Hangrutschung in St. Johann/Saggautal
Nach acht Wochen ist die Verzweiflung groß

Petra und Werner Neukam vor ihrem völlig zerstörten Wirtschaftsgebäude. Das Foto stammt vom 27. Sepember 2023. | Foto: Waltraud Fischer
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  • Petra und Werner Neukam vor ihrem völlig zerstörten Wirtschaftsgebäude. Das Foto stammt vom 27. Sepember 2023.
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Rund acht Wochen nach dem Jahrhunderthochwasser in der Südsteiermark laufen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Besonders die Hangrutschungen machen zu schaffen. Bei Petra und Werner Neukam aus St. Johann im Saggautal liegen die Nerven blank.

ST. JOHANN/SAGGAUTAL. "Wir haben bei der Hangrutschung alles verloren. Sämtliche Wirtschafts- und Nebengebäude wurden zerstört und unser Haus dürfen wir seit der Hangrutschung Anfang August nicht betreten, da es noch nicht begutachtet wurde. Bald kommt der Winter und wir wissen nicht wie es weitergeht", bangen Petra und Werner Neukam um die richtigen Worte. Heute, an einem sonnigen Herbsttag, besuchte MeinBezirk aufgrund eines Hilferufs die Familie in St. Johann im Saggautal.

Nichts ist mehr so wie es früher einmal war: Werner Neukam zeigt auf dem Foto, wie hart ihr Anwesen von der Hangrutschung betroffen ist. | Foto: Waltraud Fischer
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Nach dem Hochwasser gleicht das idylische Anwesen der Familie mit zwei Kindern (13 und 15) einem Schlachtfeld. Das völlig zerstörte Wirtschaftsgebäude und das Nebengebäude gleichen Ruinen. Unter dem Schutt begraben sind noch immer landwirtschaftliche Geräte, von der Motorsense bis hin zu umfangreichen Werkzeug, die aufgrund der prekären Situation nicht mehr gerettet werden konnten.

"20 Jahre lang haben wir unsere Ersparnisse in Haus und Hof investiert. Unser Wirtschaftsgebäude war am neuesten Stand und unsere Heizung (Hackschnitzelanlage) haben wir erst vor zwei Jahren erneuert", erzählt Werner Neukam, der gemeinsam mit seiner Familie derzeit bei seinem Bruder in St. Johann wohnt. "Jetzt besitze ich nicht einmal einen Schraubenzieher", so Neukam.

Notlösung gefunden: Petra Neukam hat beim Hochwasser durch die Hangrutschung ihre Schneiderei verloren. Vorübergehend konnte sie in der ehemaligen Raiffeisenbank einen Raum anmieten. | Foto: Waltraud Fischer
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Wie es weitergeht, ist aus der Sicht des verzweifelten Ehepaares noch komplett offen: "Als Sofortmaßnahme bekamen wir von einer Tageszeitung sofort 20.000 Euro übermittelt, die uns in dieser Not gerade zu Beginn sehr geholfen haben, denn um zumindest gleich wieder arbeiten zu können, habe ich mir eine Nähmaschine gekauft. Von der Wirtschaftskammer hat sich leider bis heute keiner gemeldet", erzählt Petra Neukam. Vorübergehend hat sie privat einen Raum in der ehemaligen örtlichen Raiffeisenbank angemietet, um ihre Aufträge erledigen zu können. "Auch von 'Österreich hilft Österreich' wurden 940 Euro überwiesen und von der Caritas 450 Euro Soforthilfe", unterstreichen sie.

Petra Neukam vor ihrer Schneiderei, die sie vor fünf Jahren eröffnete. Mittlerweile wurde der Dachstuhl von der Baufirma entfernt. | Foto: Waltraud Fischer
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Versicherung zahlt

Finanzierungszusagen seitens der Versicherung gibt es mittlerweile für die Familie Neukam unter anderem auch für den gesamten Abriss mit Entsorgung sowie die Errichtung des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes sowie auch Nebengebäudes und für eine neue Heizung. Hochgerechnet ist das ein sehr großer Brocken. "Aber wir schätzen, dass wir trotzdem auf mindestens 250.000 Euro unserer Kosten sitzen bleiben werden", sind Petra und Werner Neukam verzweifelt. "Früher haben wir über die Jahre vieles selbst gemacht. Beim Wiederaufbau brauchen wir natürlich für alles eine Rechnung."

"Wir hatten so einen schönen liebevoll gestalteten Hof, den zahlt uns natürlich niemand. Wir sind einfach nur hochzufrieden, wenn wir wieder so bauen können wie es einmal war und danken allen, die uns bisher unterstützt haben."
Petra und Werner Neukam

Neben einem privaten Spendenkonto, das von der Familie Neukam persönlich eröffnet wurden, laufen weiter Hilfsaktionen. Von "Steirer mit Herz" wurde gemeinsam mit dem Weingut Koller-Lieleg eine "Weinpaket-Aktion" (Guter Wein - guter Zweck) ins Leben gerufen. Der gesamte daraus resultierende Erlös kommt der Familie zugute.

Werner Neukam vor dem Eingang seines Hauses, das er derzeit nicht betreten kann. Das Foto ist brandaktuell. | Foto: Waltraud Fischer
  • Werner Neukam vor dem Eingang seines Hauses, das er derzeit nicht betreten kann. Das Foto ist brandaktuell.
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Besonders zu schaffen macht sie die Ungewissheit: "Es geht alles sehr schleppend. Da das Areal aufgrund der Hangrutschung behördlich gesperrt wurde, läuft jede bauliche Maßnahme in Absprache mit dem Land."

Große Herausforderungen für die Gemeinde

Bürgermeister Johann Schmid hat in dieser Zeit besonders viele Herausforderungen zu stemmen. "Es wird an allen Enden und Ecken gearbeitet, aber es geht nur Schritt für Schritt. Insgesamt gab es in der Gemeinde St. Johann im Saggautal rund 50 Hangrutschungen. "

Der Ortschef geht davon aus, dass die Sperre der Ortsdurchfahrt in der ersten Oktoberwoche aufgehoben werden kann. Insgesamt seien laut seinen Informationen im Bezirk Leibnitz über 2.000 Schadensfälle abzuarbeiten.

Bei Bürgermeister Johann Schmid in St. Johann laufen die Telefone seit Wochen heiß. Er rechnet damit, dass die Ortsdurchfahrt in der ersten Oktoberwoche wieder geöffnet werden kann. | Foto: Waltraud Fischer
  • Bei Bürgermeister Johann Schmid in St. Johann laufen die Telefone seit Wochen heiß. Er rechnet damit, dass die Ortsdurchfahrt in der ersten Oktoberwoche wieder geöffnet werden kann.
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"Wir helfen, wo wir können. Als Gemeinde sind wir erster Ansprechpartner. Ich möchte mich bei allen freiwilligen Helferinnen und Helfern im Ort bedanken, allen voran den Freiwillligen Feuerwehren aus der gesamten Steiermark, die Unglaubliches geleistet haben."
Johann Schmid, Bürgermeister und selbst Feuerwehrmann

Grundsätzlich erfolgt die Schadensabwicklung der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner Hand in Hand mit dem Land - Abteilung 14

Zwei Netzankerwände kommen

Bürgermeister Schmid informiert,  dass beim Haus oberhalb der Familie Neukam seit der Vorwoche alle Sicherungmaßnahmen abgeschlossen seien. "In weiterer Folge werden nächste Woche weitere Erdarbeiten in Angriff genommen und zur Sicherung zwei Netzankerwände errichtet.", so Schmid. Der Bürgermeister aus St. Johann im Saggautal ist übrigens seit 2005 im Amt und hat mittlerweile viermal Hochwasser miterlebt: "Es wird leider immer schlimmer und das bereitet mir große Sorgen."

Einfahrt verboten: Die Ortsdurchfahrt von St. Johann im Saggautal wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt und ist noch immer aufrecht. | Foto: Waltraud Fischer
  • Einfahrt verboten: Die Ortsdurchfahrt von St. Johann im Saggautal wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt und ist noch immer aufrecht.
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In St. Johann im Saggauatal hat das Hochwasser rund 20 Familien schwer getroffen. "Demnächst werden wir das Geld, dass auf dem von der Gemeinde eingerichteten Spendenkonto gesammelt wurde, aufteilen und übergeben", so Schmid.

Darüber haben wir berichtet:

Die Südsteiermark versinkt im Wasser

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