Psychische Gesundheit
Die Achterbahn der Gefühle gemeinsam bewältigen

Erfahrungsaustausch und aktive Krisenbewältigung: Psychisch Kranke setzen sich bei "Achterbahn" für andere kranke Menschen ein.  | Foto: Priscilla du Preez/Unsplash
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Jede vierte Steirerin und jeder vierte Steirer leidet im Laufe seines Lebens an einer psychischen Erkrankung oder erlebt Krisen, die sie oder er nicht ohne professionelle Hilfe bewältigen kann. Zum Tag der psychischen Gesundheit haben wir uns mit Michaela Wambacher, der Koordinatorin von "Achterbahn", ausgetauscht.

STEIERMARK. Angst, Burnout, Essstörungen - laut Gesundheitsfonds Steiermark sind rund 25 Prozent aller Steirerinnen und Steirer irgendwann in ihrem Leben von psychischen Erkrankungen betroffen. Das sind mehr als 200.000 Menschen, die Dunkelziffer könnte aber laut Expertinnen und Experten noch deutlich höher sein. Psychische Erkrankungen sind mit vielfältigen Einschränkungen in allen Lebensbereichen verbunden und kosten dem Gesundheitssystem und der Wirtschaft ein Vermögen.

In der Steiermark gibt es zwar ein umfassendes Angebot an stationärer und ambulanter Versorgung, doch die Wartezeiten - insbesondere für psychotherapeutische Betreuung - sind lang, die Behandlung mitunter privat zu bezahlen. Und: Immer noch gehen psychische Probleme in der Gesellschaft mit Vorurteilen und Diskriminierungserfahrungen einher. Viele Erkrankte leiden daher auch im Jahr 2022 noch still.

Auch wenn die Situation aussichtlos wirkt, in der Steiermark ist das Hilfsangebot bei Ängsten, Depressionen und Co. vergleichsweise groß. | Foto: Nik Shuliahin/Unsplash
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Von Betroffenen für Betroffene

Das steirische Projekt "Achterbahn" ist Anfang der 2000er von Menschen mit psychischen Erkrankungen ins Leben gerufen worden. Betroffene vertreten dort als Expertinnen bzw. Experten in eigener Sache all jene Menschen, die ebenfalls psychisch erkrankt sind. "Das Ziel der Organisation ist, der Stigmatisierung und Diskriminierung von psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken", erklärt Michaela Wambacher, die Koordinatorin des Vereins.

"Es ist nicht selbstverständlich, dass die, um die es geht, auch wirklich gehört werden", so die Expertin. Auf Basis der Idee eines Trialoges sollen Betroffene, mit der Unterstützung ihrer Angehörigen, ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Sie vertreten einander in den wichtigsten gesundheitspolitischen Gremien und teilen gleichzeitig in Selbsthilfegruppen ihre Erfahrungen mit jenen, die akut Hilfe brauchen.

Zuhören, Zeit verbringen, psychische Erkrankungen als etwas "Normales" ansehen - all das versucht die Einrichtung mit ihrer tagtäglichen Arbeit. | Foto: Priscilla du Preez/Unsplash
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Vereins-Initiatorin Michaela Wambacher litt selbst Zeit ihres Lebens an Angststörungen und Depressionen, phasenweise kam auch ein problematischer Alkoholkonsum als "Bewältigungsstrategie" hinzu. Im Interview mit MeinBezirk.at spricht sie ganz offen über ihre Krankheitshistorie und über den Tiefpunkt, als nur noch der Weg in die Psychiatrie blieb: "Selbst nach erfolgreicher Therapie bleibt da diese eine kleine Sollbruchstelle. Man wird mit der Zeit vorsichtiger, hört besser auf sich und nimmt im Akutfall schneller Hilfe in Anspruch", schildert sie.

Michaela Wambacher beim Gespräch mit einer Betroffenen in einer der begleiteten Selbsthilfegruppen. | Foto: Verein Achterbahn
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Erfahrungsaustausch bei Kaffee und Kuchen

Aktuell arbeiten 21 Personen für den Verein Achterbahn. Die Idee, diese Art der Selbsthilfebewegung zu gründen, kam Wambacher aus der eigenen Not heraus, "weil es damals nichts gegeben hat, wo ich nach meinem stationären Aufenthalt hätte andocken können." Achterbahn fungiert auch heute noch als Auffangbecken - für jene, die zwar professionell versorgt sind, aber zusätzlich Unterstützung brauchen und für jene, die sich noch vor diesem Schritt scheuen, aber sich austauschen wollen.

In den neun Außenstellen in den steirischen Bezirken, aber auch in Graz gibt es die unterschiedlichsten Gruppenangebote - vom Kaffeetrinken, über das Kreativ- und Bewegungsangebot und begleitete Therapiesessions bis hin zu regelmäßigen Ausflügen. Finanziert wird das Projekt vom Land Steiermark und der Stadt Graz. Für viele Betroffene stellt der Verein so auch einen Weg zurück in ein geregeltes Arbeitsleben dar.

Jede vierte Steirerin ist von psychischen Problemen betroffen. | Foto: Eric Ward/Unsplash
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Keine Angst davor, Hilfe zu brauchen

Solltest auch du unter einer psychischen Erkrankung leiden, rät die Betroffene rasch Hilfe in Anspruch zu nehmen, sich jemandem anzuvertrauen und am besten bei einer lokalen Organisation oder auch anonym mit einer Beratungseinrichtung Kontakt aufzunehmen. Im Akutfall ist auch das Aufsuchen einer Ambulanz jederzeit möglich und kein Grund, sich zu schämen. Die Liste der Anlaufstellen in den steirischen Bezirken findest du auf dieser Website

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