Eine Dreifach-Mutter und erfolgreiche Projektmanagerin verzweifelt:
"Ich kann und will nicht mehr"

Kind(er) und Beruf unter einen Hut zu bringen ist schon ohne Pandemie ein Balanceakt. Corona bringt nun viele Eltern, vor allem Mütter, an den Rand des Zusammenbruchs (Symbolbild). | Foto: Mev.de
  • Kind(er) und Beruf unter einen Hut zu bringen ist schon ohne Pandemie ein Balanceakt. Corona bringt nun viele Eltern, vor allem Mütter, an den Rand des Zusammenbruchs (Symbolbild).
  • Foto: Mev.de
  • hochgeladen von Andrea Sittinger

Annamaria Fulterer hat drei Kinder und steht beruflich voll im Leben – eigentlich konnte sie nichts so schnell aus der Bahn werfen. Doch durch Corona haben sich die Voraussetzungen geändert. Die Räder, die alle stets mehr oder weniger perfekt ineinander gegriffen haben, sind ins Stottern geraten. Das letzte halbe Jahr seit dem Ausbruch der Coronakrise hat die ambitionierte Frau gerädert. "Sechs Monate habe ich alles getan, um das System, den Staat und die Gesellschaft nicht zu belasten - aber ich kann nicht mehr", verzweifelt Fulterer, die sich an die WOCHE gewandt hat, nachdem sie von der Tagesmutter ihres jüngsten Kindes verständigt wurde, dass eine Betreuung aufgrund eines Corona-Verdachtsfalls derzeit nicht möglich sei. 

Mobile Test-Teams im gesamten Umfeld von Schule und Kinderbetreuung

Unweigerlich findet sich die Familie damit in einem Dilemma, das wahrscheinlich vielen Eltern  derzeit mehr als bekannt vorkommt: Wie kann ich meinen beruflichen Verpflichtungen nachkommen und gleichzeitig, mein Kind gut versorgt wissen? "Irgendwann sind sämtliche Urlaubs- und Pflegeurlaubstage aufgebraucht", schildert Fulterer. Auch das Home Office-Modell ist nicht von allen Arbeitgebern gleich gern gesehen, abgesehen davon, dass es mit der Betreuung eines Kleinkinds auch nicht wirklich kompatibel ist. "Was mich ärgert, ist, dass so getan wird, als ob alles geregelt wäre, aber doch ist jede Situation anders und nicht einfach auf alle Familien umlegbar", kritisiert die dreifache Mutter.
Im konkreten Fall ist nach Rücksprache mit Michaela Linhart von den Tagesmüttern Steiermark auch ein Ersatz durch eine andere Tagesmutter nicht umsetzbar. "Wir dürfen die Gruppen nicht durchmischen", bedauert die Tagesmütter-Chefin. Was allerdings wünschenswert wäre, sei der Einsatz von mobilen Teams zur Testung – wie dies ab November für Schulen und Kindergärten in der Steiermark vorgesehen ist. Die WOCHE hat dazu im Büro der zuständigen Landesrätin Juliane Bogner-Strauß nachgefragt und dazu folgende Bestätigung erhalten: "Ja, die mobilen Teams werden ab kommender Woche nicht nur in Schulen und Kindergärten im Einsatz sein, sondern auch bei Tagesmüttern und Kinderkrippen."

Freistellung gilt pro Anlassfall

Zurück zum Betreuungsnotfall von Annamaria Fulterer, die mit ihrem Dilemma natürlich bei Weitem nicht allein ist. Auch dem Frauenreferat in der Arbeiterkammer Steiermark ist diese Problematik natürlich hinlänglich bekannt. "Uns erreichen täglich derartige Anfragen", berichtet die Referatsleiterin Bernadette Pöcheim. "Vielen Eltern – aber auch Unternehmen – ist zu wenig bewusst, dass es in so einem Fall, einen Anspruch auf Freistellung (Details dazu siehe weiter unten) gibt. "Allerdings dauert die gesamte Situation schon zu lange und wird vielfach von den Frauen allein getragen. Daher ermutigen wir dazu, dass auch die Väter diese Freistellung beanspruchen, da sonst allein die Frauen als unzuverlässige Arbeitnehmer empfunden werden." Pöcheim betont in diesem Zusammenhang einmal mehr, dass der Anspruch auf Freistellung "pro Anlassfall gilt!"

Annamaria Fulterer hat übrigens inzwischen in Absprache mit ihrem Arbeitgeber eine Lösung gefunden – fürs Erste ist die Betreuung in diesem Notfall geregelt. Aber bei drei Kindern mitten in Corona lässt der nächste Engpass ganz sicher nicht lange auf sich warten.

CORONA und BETREUUNGSPFLICHTEN*


1) Mein Kind kann aufgrund eines Coronaverdachts den Kindergarten/die Volksschule nicht besuchen.

Wenn das Kind wegen Coronaverdachts nicht den Kindergarten/die Volksschule besuchen kann und auch sonst keine geeignete Betreuungsperson vorhanden ist, haben die Eltern einen Rechtsanspruch auf Freistellung nach dem § 8 Angestelltengesetz (AngG) für zumindest 1 Woche. Beide Elternteile haben einen Anspruch, jedoch nicht parallel.

2) Der Kindergarten bzw. die Kindergruppe/die Klasse meines Kindes wird wegen Coronaverdachts geschlossen.

Auch hier gibt es einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit vorhanden ist. Großeltern fallen (abhängig vom Lebensalter, Grunderkrankung) als geeignete Betreuungsmöglichkeit tendenziell aus.

3) Der Kindergarten/die Volksschule wird wegen Coronaverdachts ein weiteres Mal geschlossen.

Sollte der Kindergarten/die Volksschule ein weiteres Mal schließen müssen, besteht der Anspruch auf Freistellung bzw. Entgeltfortzahlung erneut.
Die Freistellung greift pro Anlassfall (Zeitrahmen mindestens 1 Woche).

4) Der Kindergarten/die Volksschule wird nicht zur Gänze geschlossen, sondern nur eingeschränkt.

Wenn die Betreuung des Kindes in der Betreuungs- bzw. Bildungseinrichtung gewährleistet ist, ist eine Freistellung nur in Ausnahmefällen möglich (z.B. Grunderkrankung).

5) Wenn sich herausstellt, dass sich der Coronaverdacht nicht bestätigt.

Die Betreuungspflichten der Eltern sind/waren trotzdem gegeben, wenn das Kind nicht in den Kindergarten/die Volkschule darf und zu Hause betreut werden muss.

6) Der Elternteil, der das Kleinkind ständig betreut, erkrankt. 
Der zweite Elternteil hat einen Rechtsanspruch auf Betreuungsfreistellung von einer Woche. Das Entgelt ist vom AG fortzuzahlen.

7) Die Großmutter, die das Kleinkind ständig betreut, erkrankt.
Jeder Elternteil hat einen Rechtsanspruch auf Betreuungsfreistellung im Ausmaß von einer Woche (nicht gleichzeitig, aber abwechselnd möglich). Die Betreuungsfreistellung kann stundenweise, halbtageweise bzw. max. für 1 Woche durchgängig in Anspruch genommen werden.

8) Muss der Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlen?
In all diesen Fällen ist der AG verpflichtet, das Gehalt fortzuzahlen. Es steht dem AG jedoch offen, mit dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin eine Sonderbetreuungszeit von 3 Wochen zu vereinbaren.

9) Gibt es Förderungen für den Arbeitgeber?
Vereinbart der AG mit dem AN/der ANin eine Sonderbetreuungszeit zur notwendigen Betreuung des Kindes, bekommt der AG die Hälfte des fortgezahlten Entgelts vom Staat refundiert.

Rechtsgrundlagen:

§ 8 Abs. 3 Angestelltengesetz u. 1154 b Abs. 5 ABGB (Arbeiter):
Wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe, zumindest eine Woche pro Anlassfall (folglich auch mehrmals pro Jahr). Es besteht ein Rechtsanspruch.

§ 15 UrlG Pflegefreistellung:
1) Für die notwendige Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen oder eines leiblichen Kindes (hier gemeinsamer Haushalt nicht erforderlich).
2) Wenn man wegen der notwendigen Betreuung eines gesunden Kindes an der Arbeitsleistung gehindert ist, weil jene Person, die das Kind ständig betreut, aus schwerwiegenden Gründen ausfällt (schwere Erkrankung).
Dauer: eine Woche pro Jahr. Für erkrankte Kinder unter 12 Jahren steht eine weitere Woche zur Verfügung. Es besteht ein Rechtsanspruch.

§ 18 b AVRAG Sonderbetreuungszeit:
Für die Sonderbetreuungszeit ist eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich und kann diese für drei Wochen vereinbart werden. Beide Elternteile haben die Möglichkeit, Sonderbetreuungszeit mit dem AG zu vereinbaren, jedoch kann diese nur hintereinander in Anspruch genommen werden. Auch jene Elternteile, die bereits einmal Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen haben, haben die Möglichkeit, diese ein weiteres Mal mit dem AG zu vereinbaren. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat Anspruch auf die Fortzahlung seines/ihres Entgeltes. Der AG bekommt die Hälfte der Lohnkosten ersetzt.

*Quelle: Arbeiterkammer Steiermark/Abteilung für Frauen und Gleichbehandlung

Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.