Papa ermutigt
"Kinderbetreuung ist keine Hexerei – das lässt sich lernen"

Zeit mit dem Papa verbringen: Am heutigen Vatertag werden das viele Kinder mit ihrem Papa tun. Im Alltag schaut das anders aus: So beanspruchen etwa nur zwei von zehn Vätern in der Steiermark Väterkarenz.  | Foto: pixabay.com
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  • Zeit mit dem Papa verbringen: Am heutigen Vatertag werden das viele Kinder mit ihrem Papa tun. Im Alltag schaut das anders aus: So beanspruchen etwa nur zwei von zehn Vätern in der Steiermark Väterkarenz.
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Nur zwei von zehn Vätern in der Steiermark beanspruchen Väterkarenz. Julian Anslinger ist da eine Ausnahme. Er macht Männern Mut: Väterkarenz ist für den Mann und alle Beteiligten eine absolute Bereicherung. Er holte sich Unterstützung in einer Erwachsenenbildungs-Einrichtung.

STEIERMARK. Heute ist Vatertag. Viele Kinder werden heute viel gemeinsame Zeit mir ihrem Papa verbringen. Im Alltag schaut das allerdings anders aus – speziell wenn es um die Beteiligung der Väter bei der Kinderbetreuung geht. So beanspruchen etwa nur zwei von zehn Vätern in der Steiemark Väterkarenz.

Julian Anslinger ist da eine Ausnahme. „Vatersein ist keine Hexerei – das lässt sich lernen“, ermutigt der 35-jährige Vater der 21 Monate alten Karlotte Männer dazu, sich auf die lohnende Herausforderung Väterkarenz einzulassen (das gesamte Interview mit Anslinger liest du weiter unten).

Erwachsenenbildungs-Einrichtungen

In die Wiege gelegt bekommen hat der Psychologe und Wissenschaftler das „Vatersein“ jedoch nicht: "Ich hatte anfangs durchaus Bedenken, ob ich das schaffen werde. Aber es gibt ja wunderbare Einrichtungen, wo man sich Informationen und Unterstützung holen kann – etwa das Eltern-Kind-Zentrum in Gleisdorf, wo ich regelmäßig zu Gast bin. Ich habe auch die dortigen Online-Angebote zur Elternbildung in Anspruch genommen und mich viel mit anderen Vätern aber auch Müttern ausgetauscht.“

Julian Anslinger mit Tocher Karlotte. Der 35-jährige ist in Väterkarenz und damit einer der wenigen Männer in der Steiermark, die diese Herausforderung annehmen.  | Foto: MeinBezirk.at
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Angebote für Väter

In verschiedensten Erwachsenenbildungs-Einrichtungen des Landes gibt es mittlerweile zahlreiche Angebote speziell für Väter. Eine Vorreiterrolle hat dahingehend das Eltern-Kind-Zentrum in Gleisdorf, wo seit vielen Jahren eigene Veranstaltungen für Väter abgehalten werden – von der Geburtsvorbereitung über Elternbildung bis zu Spielgruppen. Diese werden auch von Vätern geleitet. Auch die Männerberatung, die in fast jedem Bezirk eine Anlaufstelle hat, bietet vermehrt Kurse für Väter an.

"Es profitieren alle"

"Wir haben heuer bereits 690 Neukontakte zu verzeichnen, bis zu 50 Prozent davon sind Väter. Sie wollen einfach gute Papas sein und holen sich dafür vermehrt die notwendigen Kompetenzen. Damit machen sie ihr Leben als Papa einfacher, die professionelle Unterstützung trägt aber auch zu einer guten Beziehung mit der Partnerin und einer sehr engen Bindung mit dem Kind bei. Es profitieren also alle", so Wolfgang Obendrauf, Sozial-und Lebensberater bei der Männerberatung.

Väterkarenz und Papamonat

Nur jeder fünfte Wechsel von der Erwerbstätigkeit in die Elternkarenz war 2020 in der Steiermark von einem Mann. Und das in den meisten Fällen (92,5 Prozent) nur für maximum drei Monate.

Konkret waren es im Jahr 2020 1.866 Männer die in Karenz gegangen sind (bis zu drei Monate), 2010 waren es nur 171. Für mindestens ein Jahr nahmen 2010 noch 27 Männer Karenz in Anspruch, 2020 waren es nur mehr neun. Und auch beim Papa-Monat ist die Inanspruchnahme nach wie vor verschwindend gering.

Kerstin Slamanig ist Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerkes Steiermark. | Foto: Repolusk
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Passende Angebote

Erwachsenenbildungs-Einrichtungen unterstützen mit passenden Eltern- und Familienbildungsangeboten dabei, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse in der Erziehung weiterzuentwickeln. Sie bieten Eltern vor allem auch Zeit und Freiräume für Austausch, Ermutigung und Verbindung mit anderen Eltern und Erziehungsberechtigen.

Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerkes Steiermark, anlässlich des Vatertags: "Die steirischen Erwachsenenbildungseinrichtungen unterstützen Väter in der Entwicklung zentraler Kompetenzen und persönlicher Fertigkeiten und stellen dafür ganz spezielle Angebote in Präsenz wie online zur Verfügung. Die Einrichtungen bieten jedoch generell steiermarkweit tausende Möglichkeiten zur Weiterbildung an, die das Leben erleichtern, bereichern und die auch jede Menge Spaß machen!" Einen Überblick darüber bietet das Weiterbildungsnavi Steiermark: erwachsenenbildung-steiermark.at
 

Das Interview

Wie fühlt sich das Papasein an?
JULIAN ANSLINGER: Fantastisch!

Seit wann sind Sie Vater und seit wann in Väterkarenz?
Unsere Tochter ist jetzt 21 Monate alt. Nach ihrem 1. Geburtstag bin ich in Väterkarenz gegangen – und ich bin noch bis Ende September maßgeblich daheim.

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, in Väterkarenz zu gehen?
Als der Entschluss gefallen ist, ein Kind zu bekommen war auch gleich klar, dass ich in Karenz gehen werde. Aber es ist mir dann doch nicht ganz leichtgefallen, weil mir das Wissen, es zu können, gefehlt hat. Das hat mich schon etwas verunsichert. Aber ich arbeite ja in der Geschlechterforschung. Da wäre es ziemlich widersprüchlich, sich in der Theorie mit diesem Thema zu beschäftigen und in der Praxis dann nicht in Karenz zu gehen.

Haben sich Ihre Befürchtungen, Kinderbetreuung nicht zu können, bewahrheitet?
Zum Glück nicht! Im Gegenteil: Es ist keine große Hexerei. Erziehungsaufgaben, Pflege und alles, was da eben dazugehört, lassen sich ja erlernen. Darüber hinaus hatte ich das große Glück, viele kompetente Mütter in meinem Umfeld zu haben, von denen ich mir einiges abschauen konnte.

Wie wurde/wird der Umstand, dass Sie Väterkarenz in Anspruch nehmen von ihrem privaten Umfeld aufgenommen?
Das hat niemanden erstaunt – was wohl auch mit meinem Beruf als Psychologe und Wissenschafter mit Fokus auf Geschlechterthemen zu tun hat. Aber in meiner Familie und in der Familie meiner Frau bin ich der einzige Mann, der Väterkarenz beansprucht hat – da war man schon gespannt, wie ich das schaffen werde.

Wie hat die Firma reagiert?
Da war es überhaupt kein Problem! Ich arbeite in einem Bereich, wo das organisatorisch gut geht und wo die Leute diesbezüglich auch vergleichsweise wenige Vorurteile haben.

Wie sehen Sie generell die Stellung von „Vätern in Karenz“ in der Gesellschaft?
Es gibt verschiedene Gründe, warum dieses Thema in der Gesellschaft noch etwas problematisch gesehen wird – etwa finanzielle. Männer verdienen eben meist mehr und bleiben deshalb auch vermehrt im Beruf. Und es gibt auch das große Vorurteil, dass Frauen geeigneter seien, Haus- und Familienarbeit wahrzunehmen. Das bekommt man gesagt, das schreibt man sich aber auch selbst zu.

Was würden Sie einem Mann antworten, der die Meinung vertritt: Karenz ist Frauensache?
Dem würde ich sagen: Pflege- und Erziehungsarbeit ist erlernbar. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Frauen entgegen der gängigen Meinung nicht über angeborene Merkmale verfügen, die sie zu den fähigeren Elternteilen machen würden. Sie werden zwar unterschiedlich sozialisiert – Haus- und Familienarbeit wird einfach eher den Frauen zugeschrieben. Aber damit wären wir wieder am Beginn: Es ist erlernbar!

Was halten Sie der Aussage „in Karenz zu gehen ist unmännlich“ entgegen?
Es gibt viele verschiedene Spielarten von Männlichkeit, man kann nicht grundsätzlich sagen, was ein „richtiger“ Mann ist. Klar gibt es das gesellschaftliche Bild des stets starken, unemotionalen Mannes. Aber diesem stets entsprechen zu müssen oder stattdessen sozial geächtet zu werden, ist sehr anstrengend für viele Männer. Das trägt sicherlich auch zum vergleichsweise höheren Vorkommen von Sucht und Suiziden unter Männern bei.

Was würden Sie sich diesbezüglich von der Gesellschaft wünschen?
Die Gesellschaft reagiert ja auf Gegebenheiten. Wünschen würde ich mir aber von der Politik, Karenz so auszubauen, dass es sich alle Familien leisten können. Es wäre ebenfalls sinnvoll, konkrete Anreize für Männer zu schaffen, um sie zur Karenz zu ermutigen. Darüber hinaus braucht es eine flächendeckende und leistbare Kinderbetreuung. Und es gilt, mehr Männer in sogenannte Frauenberufe zu holen. Das wäre sogar recht einfach, wenn man die Arbeit entsprechend entlohnen würde. Die Geschlechterstereotype werden sich dann im Nachhinein ändern – wenn Väterkarenz und Kindergartenpädagogen selbstverständlich sind.

Was ist für Sie die größte Herausforderung am Papasein?
Die größte Herausforderung ist gleichzeitig auch meine größte Lernaufgabe: Die Erfordernis, im Moment zu bleiben. Achtsam zu sein! In meinem Beruf musste ich stets gedanklich schon bei der übernächsten Aufgabe sein. Und: Meine eigenen Bedürfnisse kurzzeitig zurückzustellen, um die Emotionen meiner Tochter gut zu begleiten.

Was ist für Sie das Schönste am Papasein?
Die enge Bindung, die ich zu meiner Tochter entwickelt habe. Meine Frau und ich sind gleichsam Hauptbezugspersonen – das ist sehr schön.

Welche neuen Erfahrungen und Erkenntnisse verdanken Sie dem Vatersein?
Die Karenz hat mir persönlich sehr viel gebracht – vor allem einen Perspektivenwechsel und eine Prioritätenverschiebung. Ich habe in der Karenz gemerkt, dass ich in meinem Job nicht mehr glücklich bin und Lust auf etwas Neues habe. Ich hatte Zeit und Möglichkeit zu hinterfragen: Wie möchte ich mein Leben leben? Was ist mir wichtig? Was ist ein gutes Leben?

Welche Bedeutung hat für Sie der Vatertag?
Noch keine! Wir haben als Kinder immer nur den Muttertag gefeiert – wobei ich das immer seltsam fand und deshalb mit meiner eigenen Familie nicht feiern wollte. Als wir unsere Tochter bekommen haben, hat mir meine Frau durch die Blume die Wichtigkeit des Muttertags nahegelegt – und wir haben auch einen sehr schönen Vatertag begangen. Gewöhnt habe ich mich aber nach wie vor nicht ganz daran.

Warum besuchen Sie eine Einrichtung wie das Eltern-Kind-Zentrum?
Nachdem ich Vater war, habe ich mich natürlich dafür interessiert, was es für Väter beziehungsweise Eltern für Angebote gibt. Fünf Tage die Woche mit meiner Tochter allein zu sein – da fällt einem die Decke auf den Kopf. Ich habe also einen Zeitvertreib gesucht – und auch den Kontakt zu anderen Eltern, um mich auszutauschen. Aber auch das dortige Bildungsangebot hat mich angesprochen. Ich habe dann auch Online-Seminare zur Elternbildung besucht.

Welche Angebote waren für Sie besonders hilfreich?
Ich bin großer Fan des Pikler-Spielraums, der einen besonderen Fokus auf kindliche Autonomie und das Selbstwirksamkeitserleben legt. Die Pikler-Pädagogik hat nun einen großen Einfluss darauf, wie ich meine Tochter im Alltag begleite. Auch die Seminare zu Meilensteinen der Entwicklung und Emotionen von Kindern waren sehr spannend.

Warum würden Sie Eltern-Kind-Zentren und Elternbildung generell empfehlen?
Es erleichtert das Leben! Plötzlich Eltern zu sein ist ja nicht leicht und wurde einem nicht in die Wiege gelegt, da kommen ja viele neue Herausforderungen auf einen zu. Aber: man kann es lernen! Man profitiert von den Einrichtungen, den Informationen und dem Austausch.

Väterkarenz tut also Mama, Papa und Kind gut?
Ich bin zu hundert Prozent davon überzeugt, dass es für uns alle drei ein riesiger Gewinn ist.

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