Steirische Wirtschaftsreise London 2019
Steirische Sicht auf das Brexit-Drama

Bestseller-Autor ("Big Data") und Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger und Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl trafen bereits mehrmals zusammen. | Foto: KK
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  • Bestseller-Autor ("Big Data") und Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger und Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl trafen bereits mehrmals zusammen.
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Ein Drama in mittlerweile unzähligen Akten: Das ist der Austrittsprozess des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union. Neuester Zwischenstand: Am 31. Oktober soll die EU für die Briten Geschichte sein, allerdings sind nach wie vor viele Eckdaten, wie das irische Grenzproblem, ungeklärt. In diese heiße Phase des Austrittsprozesses ist kürzlich eine steirische Delegation mit Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl an der Spitze "eingetaucht" und hat sich im Großraum London ein Bild davon gemacht, wie der Brexit von steirischen Unternehmen, die im UK tätig sind, wahrgenommen wird. Neben Unternehmensvisiten standen auch Besuche bei wissenschaftlichen Aushängeschildern wie dem Imperial College in London und der Elite-Universität Oxford am Programm. Der gebürtige Österreicher und Bestseller-Autor ("Big Data") Viktor Mayer-Schönberger referierte über die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung.

Automobil und Medizintechnik

Das sind die größten Zugpferde der steirischen Wirtschaft im Handel mit Großbritannien. Auf die Spuren des Erfolgs begab sich die Delegation unter anderem in Coventry, rund 140 Kilometer nordwestlich von London. Dort hat der steirische Leitbetrieb AVL im Frühjahr 2018 mit einem eigenen Testzentrum (Tech Centre Coventry TCC) seine Zelte aufgeschlagen. Hier werden exklusiv die neuesten Jaguar- und Land-Rover-Modelle auf den verschiedenen mobilen Prüfständen nach sämtlichen Regeln von Wetter, Geschwindigkeit und anderen Parametern getestet. Der Brexit werfe natürlich auch hier "seine Schatten voraus", wie TCC-Manager Florian Niehaves berichtet. Allerdings sei die Situation paradox, da "wir momentan so viele Kundennachfragen haben wie sonst kaum".

100 Lkw täglich über den Kanal

Insgesamt sei man gut für den Brexit gewappnet – so der allgemeine Tenor, den die Delegation während ihrer dreitägigen, vom Internationalisierungscenter Steiermark (ICS) organisierten Reise wahrnimmt. Die Ungewissheit, was genau nach dem Brexit auf die steirische Wirtschaft zukommt, ist allerdings auch unter einigen Teilnehmern der Delegation spürbar. "Wir schicken pro Tag 100 Lkw nach Großbritannien", schildert Christian Rosenberger, Verkaufsleiter des Logistikunternehmens Duvenbeck. "Im Falle eines ,Hard Brexit' hätten wir mit den Fahr- und Lieferzeiten wirklich Probleme." Ebenso besorgt zeigt sich Peter Kastner, für das Grazer Start-up Telbiomed, das auf digitale Gesundheitsdienstleistungen spezialisiert ist, mit an Bord: "Wir beziehen einen Teil unserer Software aus Großbritannien. Wie das nach dem Fallen des Freihandelsabkommens weitergehen kann, werden wir erst sehen." Allerdings sei er nun nach Gesprächen vor Ort etwas entspannter. Auch das Fazit von Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl fällt bei der Heimreise vorsichtig optimistisch aus: "Ich kann nun besser nachvollziehen, was hinter dem Wunsch, aus der EU auszutreten, steckt. Für die steirische Wirtschaft kann es durchaus zu kurzfristigen Problemen durch den Brexit kommen. Ich habe allerdings den Eindruck gewonnen, dass beide Seiten eher gelassen damit umgehen."
Der nächste, aber sicher nicht letzte Akt steht dann am 31. Oktober an. Programmänderungen vorbehalten.

Drei Fragen an Michael Zimmermann, Botschafter im UK und Nordirland

Wie erleben Sie den Brexit-Prozess vor Ort?
Die Regierung ist entschlossen, den Austritt umzusetzen, allerdings unter der Prämisse, mit allen Mitteln eine konstruktive Lösung zu finden.

Wie geht's den Österreichern im Vereinigten Königreich?
Für jene, die seit Jahrzehnten hier sind, ist eine Abwanderung kein Thema. Sie haben alle um Settlement angesucht. Die Jüngeren sind eher am Absprung.

Und den Briten in Österreich?
Sie werden es definitiv schwerer haben als die Österreicher hier.

Drei Fragen an Robert Brugger, ICS-Geschäftsführer Steiermark

Was war der Hintergrund der Delegationsreise?
Ursprünglich als erster Rückblick auf die Zeit nach dem Brexit geplant, sind wir nun mitten in der heißen Phase vor dem EU-Austritt Großbritanniens gelandet. So oder so eröffnet ein Lokalaugenschein immer neue Perspektiven.

Was stand am Programm?
46 Teilnehmer waren drei Tage lang im Großraum London unterwegs und absolvierten 13 Programmpunkte.

Was bleibt als Erkenntnis?

UK bleibt auch Post-Brexit ein sehr interessanter Markt, den wir auch weiterhin bespielen werden, wahrscheinlich sogar stärker als ursprünglich angedacht.

Handel mit dem UK

1,2 Milliarden Euro: Das ist das Gesamtexportvolumen der Steiermark nach UK – im Vergleich zu 2017 ein Plus von knapp 40 Prozent. Für die Steiermark ist das UK insgesamt der viertwichtigste Handelspartner. Stark ins Gewicht fallen die Jaguar-Exporte.

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