Inklusion
Chancenungleichheiten für behinderte Menschen am Arbeitsmarkt

Daniela Grießbauer ist blind und sucht seit drei Jahren vergebens einen Job. | Foto: Daniela Grießbauer
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  • Daniela Grießbauer ist blind und sucht seit drei Jahren vergebens einen Job.
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Behinderten Menschen begegnen am ersten Arbeitsmarkt nicht dieselben Bedingungen wie Menschen ohne Einschränkung. Auch wenn dies vielfach und vollmundig behauptet und versprochen wird, so stellt sich die Realität für Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer mit Behinderung wie ein zusätzlicher Hürdenlauf dar. MeinBezirk.at hat mit einer Betroffenen gesprochen.

STEIERMARK. Für Menschen mit einer Behinderung – in diesem Beitrag geht es in erster Linie um körperlich behinderte Menschen – ist die Jobsuche zumeist ein äußerst schwieriges Unterfangen, und man kann durchaus festhalten, dass sie am ersten Arbeitsmarkt von einer umfassenden Chancenungleichheit getroffen werden.

Basierend auf zahlreichen Erfahrungsberichten Betroffener gibt es die Erkenntnis, dass man sogar als mobiler und fachspezifisch qualifizierter Mensch mit Autoführerschein, der aufgrund einer hüfthohen Querschnittslähmung auf den Rollstuhl angewiesen ist, auch auf Jobs wesentlich geringere Chancen hat, die trotz der Behinderung problemlos durchführbar sind. Wenn man nun bedenkt, welchen enormen Stellenwert das Verrichten von Arbeit für das eigene Selbstwertgefühl und das selbstbestimmte Leben hat, und sich für behinderte Menschen oft auch in anderen Lebensbereichen kaum die Chance bietet, dieses vom Umfeld generierte Defizit auszugleichen, wird das Ausmaß dieses gesellschaftlichen Missstands erst richtig bewusst.

Daniela Grießbauer ist blind und sucht seit drei Jahren vergebens einen Job. | Foto: Daniela Grießbauer
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Vorurteile und Unwilligkeit

Ein gutes Beispiel für dieses Problem ist die seit drei Jahren andauernde Situation von Daniela Grießbauer. Die Grazerin ist blind und hat sich klare berufliche Ziele gesteckt: Seit der erfolgreichen Beendigung der Schulzeit mit der Matura ist es ihr Wunsch als Netzwerktechnikerin bzw. Systemtechnikerin zu arbeiten und somit ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Gearbeitet hat sie bislang zwar hauptsächlich im Sozialbereich, doch bei Computerproblemen in ihrem Umfeld ist die 38-Jährige regelmäßig helfend zur Seite und schafft es nach eigenen Angaben, einen Computer alleine auseinander- und wieder zusammenzubauen.
Seit 2019 ist Daniela Grießbauer arbeitslos und sucht vorrangig nach Möglichkeiten, sich beruflich in die IT-Branche zu begeben. Ausbildung hat sie in diesem Bereich keine, weshalb sie auch erst nur auf der Suche nach einem einfachen Praktikumsplatz ist. Diese ist nach unzähligen Bewerbungen weiterhin erfolglos.

Kein Echo

Auch sie hat das Problem, nicht einmal die Möglichkeit zu bekommen, sich in Form eines persönlichen Bewerbungsgesprächs zu beweisen. Stattdessen wird ihr von vornherein von gänzlich fremden Personen die Fähigkeit abgesprochen, in dieser Sparte arbeiten zu können. Die Dreistigkeit so mancher Arbeitgeber macht auch nicht davor Halt, ihr aufgrund ihrer Blindheit indirekt fehlende Intelligenz zu unterstellen. Bei all diesen Rückmeldungen ging es jedoch wohlgemerkt um kein fixes Dienstverhältnis, sondern um einen Schnuppertag oder einen Praktikumsplatz. Auch in anderen Branchen bleibt die Jobsuche von Daniela Grießbauer ohne Erfolg. 

Kennst du dieses Problem der Ausgrenzung auch?

Die Situation in Österreich

Daniela Gießbauer ist hier nur eine von vielen Betroffenen. Allgemein gesehen ist die thematisierte Chancenungleichheit bei der Jobsuche in vielen Fällen auf zumeist unbegründete Vorurteile gegenüber der Zusammenarbeit mit Leuten aus dieser gesellschaftlichen Minderheit begründbar. Die Möglichkeit, diese voreiligen Schlüsse zu widerlegen, bietet sich nur in den seltensten Fällen, da man meistens entweder keine, oder eine negative Rückmeldung auf ein Bewerbungsschreiben bekommt.

Seit einiger Zeit gibt es in Österreich eine sogenannte „Ausgleichstaxe“ für Unternehmen zu bezahlen. Diese wird fällig, wenn eine Firma nicht das Ziel erreicht, je Viertel des Personalstands eine Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin mit einer Behinderung einzustellen. Die Ausgleichstaxe liegt im heurigen Jahr bei 276,- bis 411,- pro Person und ist laut Kritikerinnen und Kritikern somit zu niedrig angesetzt, um hierbei eine flächendeckende, nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Laut Wirtschaftskammer Österreich möchte man bei diesem Thema dem Motto „Anreizen statt Strafen“ Folge leisten. Die Förderungen sind jedoch im Gegensatz zu den Pflichtzahlungen zu niedrig und zu individuell angesetzt. 

Gar keine Chance wird Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt oft gegeben. Viele Unternehmen "kaufen" sich lieber mit der sogenannten Ausgleichstaxe "frei". | Foto: pixabay
  • Gar keine Chance wird Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt oft gegeben. Viele Unternehmen "kaufen" sich lieber mit der sogenannten Ausgleichstaxe "frei".
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Fehlende Inklusion

Inklusion ist ein weiterer essentieller Faktor in dieser Causa. Um sich damit näher beschäftigen zu können, muss man erst einmal die Bedeutung des Begriffs kennen, welcher oft mit „Integration“ verwechselt wird. Bei der „Integration“ wird die Gesellschaftsgruppe der Menschen mit einer Behinderung von der Allgemeinheit aufgenommen, existiert aber als abgeschotteter Teil in der Gesamtheit weiter. „Inklusion“ ist da schon wesentlich komplexer. So werden logistische sowie gedankliche Abgrenzungen zu dieser Personengruppe aufgehoben, sodass Menschen mit einer Behinderung nicht mehr nur unter sich sind, sondern ein gleichgestelltes Individuum in der Gesamtheit darstellen. In anderen Worten: gleiche Chancen, gleiche Möglichkeiten.

In der Arbeitswelt fokussiert sich der Umstand in Österreich wesentlich stärker auf Integration – äußerst bedauerlich für ein westliches Land mit einem vergleichbar großen, allgemeinen Wohlstand. Bundesweit gibt es zahlreiche spezialisierte Tageswerkstätten, in denen Menschen mit einer Behinderung ihre Beschäftigung finden. Die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in solchen Betrieben hat eine mentale Beeinträchtigung. Die Tageswerkstätten an sich sind von enormer Bedeutung für Menschen, die keine Alternativen dazu haben. Das Problem an diesem Konzept ist jedoch die nahezu unüberwindbare Abgrenzung des alltäglichen Lebens zu allen anderen Gesellschaftsteilen. Hier finden kaum Überschneidungen statt, obwohl diese gesamtgesellschaftlich von unvergleichlich großer Bedeutung wären, da man voneinander einiges lernen kann.

Hier gilt es zumindest für Menschen mit Behinderung, die das Potential dazu haben, in der „regulären“ Arbeitswelt Fuß zu fassen, Chancengleichheit zu schaffen. Die Frage um die Weiterentwicklung der Inklusion ist also von allgemeinem Interesse und sollte ein nächster zentraler Schritt in der Entwicklung unserer Gesellschaft. Dieser kann ausschließlich im Zusammenspiel von Geisteshaltung der breiten Masse und groben strukturellen Änderungen diesbezüglich geschafft werden. Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft schauen im Großen und Ganzen aber nach wie vor darüber hinweg und nutzen teilweise den Eindruck der „gelebten“ Inklusion gelegentlich zur eigenen Imageaufwertung.

Für Tipps oder Angebote ist Daniela Grießbauer übrigens jederzeit unter der E-Mail Adresse dani@griessbauer.net erreichbar.

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