Gedanken eines zum Tode Verurteilten vor seiner Hinrichtung
Es tut mir leid. In wenigen Wochen werde ich euch verlassen. Es liegt nicht in meiner Macht, andere sind dafür verantwortlich. Warum ich es zulasse?
Man sagt doch, stetes Wasser höhlt den Stein, in dem Fall war ich nicht stark genug.
Oder doch so stark und reichlich vorhanden, dass ich das Interesse von Menschen weckte, die meine Kraft nutzen werden. Ich werde ihnen auf einer Strecke von knapp DREITAUSEND Metern dienen - unterirdisch, in dunklen dicken Rohren. In diesem Abschnitt werde ich tot sein, wird mein Bett fast leer, verwaist sein, werden Fische und Vögel sich entfernen, werden Wurzeln von Bäumen und Sträuchern nicht mehr mit der Menge Wasser versorgt werden, die sie bisher gewohnt waren... wird euer Laub nicht mehr abtransportiert werden können... werde ich den Gärten der Menschen an meinem Ufer nichts mehr zum Gießen ihrer Pflanzen von meinem kostbaren Nass zur Verfügung stellen können.
Es tut mir leid, dass ich auf dieser Strecke zu einer stinkenden fauligen Kloakeverkommen werde, ich kann nichts dafür! Wie hätte ich mich wehren können? Mein Verbrechen war einzig und allein, dass ich das ganze Jahr hindurch fast gleichmäßig Wasser führe, das hat die Menschen auf die Idee gebracht, mich für ihre Zwecke zu nutzen... und mir damit das Leben auf diesem Abschnitt zu nehmen.
Ich kann euch nur diese letzten Worte mitgeben und hoffen, dass ihr sie euch irgendwann einmal zu Herzen nehmt...
Lerne zu schätzen, was dir am Herzen liegt,
denn für manche Dinge im Leben wirst du nie Ersatz finden...
In tiefer Trauer
euer
SEEBACH
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