Leukämie bei Kindern
Experte Michael Dworzak spricht über den täglichen Kampf

Patientinnen und Patienten wird immer mehr Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht. | Foto: National Cancer Institute/unsplash
2Bilder
  • Patientinnen und Patienten wird immer mehr Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht.
  • Foto: National Cancer Institute/unsplash
  • hochgeladen von David Hofer

Univ.-Dozent Dr. Michael Dworzak ist ein international angesehener Experte im Bereich Leukämie bei Kindern und Jugendlichen. Ca 70-75 Neuerkrankungen pro Jahr gibt es in Österreich - eine Diagnose, die für Familien ein Schock ist - aber der Kampf gegen die Erkrankung feiert Erfolge.

ÖSTERREICH. Es ist eine Schreckensdiagnose für so manche Familie in Österreich: Leukämie bei einem der Kinder. Dozent Michael Dworzak vom St. Anna Kinderspital ist ein Experte auf dem Gebiet und hat der Erkrankung den Kampf angesagt. Im Interview mit MeinBezirk gibt er einen Einblick in seine Arbeit. 

Herr Dworzak, wie Verbreitet ist Leukämie bei Kindern in Österreich?

MICHAEL DWORZAK: Wir haben pro Jahr ca. 70-75 Neuerkrankungen. Wenn man damit rechnet, dass es in Österreich etwa 86.500 Geburten pro Jahr gibt, bekommt man eine Ahnung, wie weit die Erkrankung verbreitet ist. Es ist Gott sei Dank nicht übermäßig viel, aber dennoch immer eine beträchtliche Zahl. Die Leukämie im Kindesalter ist zudem nicht „nur" eine Erkrankung, sondern es gibt unterschiedliche Arten.

Und zwar?

Es gibt hier zwei verschiedene Hauptgruppen. Einerseits die akute lymphatische Leukämie (ALL) und andererseits die akute myeloische Leukämie (AML). Es sind dabei jeweils verschiedene Zellarten des Blutes betroffen. Im Kindesalter ist die ALL-Variante deutlich häufiger als die AML. Auch gibt es bei Kindern nur sehr selten chronische Leukämie-Formen - ganz anders als bei Erwachsenen. 

Univ.-Dozent Dr. Michael Dworzak ist ein international angesehener Experte im Bereich Leukämie bei Kindern und Jugendlichen. | Foto: St. Anna Kinderspital
  • Univ.-Dozent Dr. Michael Dworzak ist ein international angesehener Experte im Bereich Leukämie bei Kindern und Jugendlichen.
  • Foto: St. Anna Kinderspital
  • hochgeladen von David Hofer

Die Therapie unterscheidet sich demnach auch?

Die Therapie muss hier in speziellen Zentren - wie etwa beispielsweise dem St. Anna Kinderspital - erfolgen. Wir sind das größte Zentrum in Österreich und behandeln ungefähr 40 Prozent der Fälle. Die restlichen Patientinnen und Patienten werden in den Unikliniken von Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg aber auch in einem Schwerpunktspital in Leoben behandelt. Es besteht eine sehr gute Kooperation zwischen den Standorten. So eine Erkrankung hat aber sicher nichts verloren in einem nicht spezialisierten Zentrum. 

Wie kann man sich die Behandlung der Patienten an diesen Standorten vorstellen?

Es gibt hier international abgestimmte und von Expertinnen und Experten über Jahre hinweg entwickelte Protokolle. Sie werden alle fünf bis sechs Jahre neu aufgelegt, so ist man immer auf dem neuesten Stand der Entwicklung. Man kann es sich fast wie ein detailliertes Kochbuch über alle möglichen (Sub)Varianten und deren Behandlung vorstellen. Es gibt leichtere, mittlere und sehr intensive Therapieformen. Manchmal kann auch eine Stammzellen-Transplantation erforderlich werden, wenngleich deutlich weniger oft als bei Erwachsenen. Die Behandlung hat auch immer einen wissenschaftlichen Part für neue Entwicklungen.

Inwiefern?

Wenn eine neue Entwicklung - sei es ein Medikament oder eine neue Erkenntnis - hilfreich sein könnte, versucht man das natürlich im klinischen Alltag zu erproben und einzusetzen. Aktuell entwickelt sich beispielsweise viel im Bereich Immuntherapie. Es ist ein Trend weg von der Chemotherapie hin zu Immuntherapien auch bei der Behandlung von Kindern zu erkennen. Dadurch sollen einerseits Nebenwirkungen der Chemotherapie vermieden werden und andererseits bei sehr aggressiven Formen, bei denen eine Chemotherapie oft keinen Erfolg hat, eine effektivere Alternative geboten werden. Diese Studien folgen aber natürlich sehr strengen Kriterien und werden laufend evaluiert. Nach etwa drei bis fünf Jahren wird eine Abrechnung gemacht, wo man dann genau sieht, ob die neue Methode eine höhere Wirksamkeit aufweist. In dem Fall wird sie dann in die Protokolle als Standardtherapie aufgenommen. So entwickelt sich die Therapie immer weiter.

Bist du selbst von einer Krebserkrankung betroffen?

Wie groß ist aktuell die Chance auf Genesung?

Wir sind heute bei der ALL bei einer Heilungsrate um die 85 bis 90 Prozent. Hier sprechen wir von einer kompletten Ausheilung, sodass die Krankheit nicht wiederkommt. Es gibt aber eben auch einzelne Patientinnen und Patienten, wo die Leukämie zurückkehrt. Aber auch nach einem Rückfall kann man sehr wohl und in einem hohen Maße geheilt werden. Insbesondere durch den Einsatz von Immuntherapien. 

Bei der AML ist die Langzeitheilung noch nicht so optimal wie bei ALL. Da liegen wir aktuell bei etwa 75 Prozent. Das ist viel besser als noch vor 20 Jahren, aber es ist nach wie vor in vielen Fällen eine sehr aggressive Form. In ca. 30 Prozent der Fälle braucht es daher eine Knochenmarktransplantation. Aggressivere Formen sind resistenter und deshalb sehr schwer wegzubekommen. Dennoch: im Kindesalter ist die Chance, dass man die Leukämie in Schach halten und komplett verdrängen kann, sehr hoch. 

Wie hoch ist die Lebensqualität nach einer Genesung?

In vielen Fällen haben ehemalige Patientinnen und Patienten anschließend eine sehr gute Lebensqualität. Insbesondere auch wenn man zu Beispiel die Familienplanung bedenkt, ist in den allermeisten Fällen keine Einschränkung zu spüren. Nach Knochenmarktransplantationen ist die Situation allerdings manchmal etwas komplizierter. Seitdem man zudem auf die Schädelbestrahlung - die in den 1970er Jahren aufgekommen ist – verzichten kann, hat sich die Lebensqualität nach einer Behandlung noch weiter verbessert. Mittlerweile muss die Leukämie in Hirnhäuten nämlich nur mehr in Ausnahmefällen durch Bestrahlung behandelt werden. Man kann hier meist auf andere Therapieformen - etwa Lumbalpunktionen - ausweichen. So sind Langzeitfolgen auf das zentrale Nervensystem deutlich seltener geworden. 

Patientinnen und Patienten wird immer mehr Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht. | Foto: National Cancer Institute/unsplash
  • Patientinnen und Patienten wird immer mehr Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht.
  • Foto: National Cancer Institute/unsplash
  • hochgeladen von David Hofer

Die Früherkennung ist sehr wichtig, wann sollte man als Eltern den Weg zum Arzt suchen?

Auf der einen Seite sind drei wesentliche Dinge, die auf eine Leukämie-Erkrankung hinweisen: Zum einen das Auftreten von sog. Petechien, also kleine feine punktförmige Blutungen überall am Körper. Dann, wenn eine Blässe zu erkennen ist, das Kind also blutarm wirkt und es auffallend müde und lustlos ist. Und natürlich, wenn Kinder immer wieder von Infektionen geplagt werden - etwa Fieberschübe die sich nicht bessern - dann sollte man ein Blutbild machen. Natürlich muss auch hier nicht immer eine Leukämie dahinterstecken, aber es sind wichtige Indikatoren. Auf der anderen Seite geht es um Knochenschmerzen. Diese sind aber zu unterscheiden von den typischen Wachstumsschmerzen. Was auffallen muss, sind wechselnde Schmerzzonen: mal schmerzt es beim Knie, dann ein paar Tage später beim Sprunggelenk und dann bei der Schulter - und die Beschwerden kehren immer wieder zurück. Das kann ein frühes Anzeichen für eine Leukämie-Erkrankung sein und sollte auf jeden Fall abgeklärt werden.

Das könnte dich auch interessieren:

Ärztlicher Direktor Lothar Mayerhofer im Interview

Welche Gefahr für Vierbeiner und Besitzer entsteht
Patientinnen und Patienten wird immer mehr Lebensqualität und Lebenszeit ermöglicht. | Foto: National Cancer Institute/unsplash
Univ.-Dozent Dr. Michael Dworzak ist ein international angesehener Experte im Bereich Leukämie bei Kindern und Jugendlichen. | Foto: St. Anna Kinderspital

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.