Auch Angehörige kommen zu kurz
Weiter Alarm um Pflegenotstand in Österreich

In den Spitälern herrscht akuter Pflegenotstand | Foto: Symbolfoto: Albin Ritsch
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Der Pflegenotstand ist immer noch ein Thema, das die Regierung nicht gelöst hat. In den Spitälern herrscht akute Personalnot. Und die Organisation IG Pflege fordert mehr Unterstützungsangebote für pflegende Eltern. SPÖ-Abgeordnete haben eine Petition im Nationalrat eingebracht, dass Tätigkeiten in Pflegeberufen als Schwerstarbeit anerkannt werden. Bereits im Dezember haben die Bundesländer konkrete Forderungen an den Bund gestellt. Indes gab Sozialminister Rauch den Fortschritt bei Community Nurses bekannt.

ÖSTERREICH. Mit rund einer Million Menschen sind pflegende An- und Zugehörige Österreichs größter Pflegedienst. Unter ihnen auch zehntausende Eltern, die sich um ihre Kinder mit chronischen Krankheiten oder Behinderung kümmern. Eine Gruppe, die oft vergessen wird. 

„Wenn die eigenen Kinder dauerhaft Pflege brauchen, stellt das die Eltern vor massive Herausforderungen. Die Pflege wird für Betroffene zur Lebensaufgabe. Hier braucht es dringend mehr Unterstützungsangebote“, sagt Birgit Meinhard-Schiebel, IG-Pflege-Präsidentin. Neben finanziellen Sorgen bedeutet das für Betroffene auch eine psychische Belastung. „Betroffene Eltern haben oft einen bürokratischen Hürdenlauf hinter sich. Sie haben große Sorge, was mit ihren Kindern passiert, wenn sie die Pflege einmal nicht mehr übernehmen können“, so Meinhard-Schiebel weiter.

Die Interessengemeinschaft fordert daher einen Rechtsanspruch für angemessene Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder, wenn die Eltern selbst nicht mehr da sind. „Das österreichische Gesundheits- und Sozialsystem bietet vielfältige Unterstützungsleistungen. Diese müssen für die pflegenden Eltern aber auch leicht zugänglich sein und an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden, sobald sich die Verhältnisse der Betroffenen aufgrund der Pflegebedürftigkeit verändern. 

Personalnot der Pflege in Spitälern

Hunderte Gefährdungsmeldungen, die die Rechercheplattform "Dossier" in den vergangenen Monaten recherchiert hat, machen die Personalnot in den heimischen Spitälern deutlich. Die personellen Engpässe im Pflegebereich betreffen demnach alle Bundesländer, öffentliche wie private Krankenhäuser und haben mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das – nicht erst seit Corona – zur "Gefahr für Patientinnen und Patienten" geworden ist, wie "Dossier" zusammenfassend festhält.

Petition „Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit“

„Corona hat die Bedingungen in der Pflege nochmals verschärft und verdeutlicht, dass die türkis-grüne Regierung nicht nur bei der Pflegereform säumig ist, sondern auch nicht anerkennen will, dass Pflege schwere körperliche Arbeit ist. Viele der Menschen in Pflege- und Betreuungsberufen, die sich um unsere kranken, alten und behinderten Angehörigen kümmern, können diese schwere Arbeit nicht bis zum Alter von 65 leisten. Es ist höchste Zeit, dass die rund 160.000 Pflegekräfte, darunter vorwiegend Frauen, endlich entlastet werden“, betont SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits, der gemeinsam mit betroffenen Pflegekräften und SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch eine Petition mit dem Titel „Pflege und Betreuung ist Schwer(st)arbeit“ im Parlament eingebracht hat. 

Pflege und Betreuung sei Schwer(st)arbeit und somit besonders belastende Arbeit – das sei durch Studien vielfach belegt und nachgewiesen. Diese Berufe beinhalten unregelmäßige Dienste, Stress, Nachtdienste, Leistungsdruck, fehlende Pausen und ungewohnt hohes Arbeitsaufkommen in Krisensituationen. Dobrits fordert daher, dass diese Berufe Zugang zur Schwerarbeitspension erhalten. 

Schul- und Ausbildungszeiten anrechnen

In der Petition werde auch gefordert, dass Schul- und Ausbildungszeiten für die erforderlichen Versicherungszeiten voll angerechnet werden: „Damit können die erforderlichen Versicherungsmonate leichter erreicht werden.“ Zudem sollen alle Schwerarbeitszeiten abschlagsmildernd bei Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen angerechnet werden: „Denn die Erfahrung zeigt, dass aufgrund der hohen psychischen und physischen Belastung viele Pflegekräfte eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension in Anspruch nehmen müssen. Die sollen nicht noch mit hohen Abschlägen bestraft werden“, so die beiden SPÖ-Abgeordneten.

Über 230 Community Nurses  im Einsatz

Mehr als 230 Community Nurses Versorgung für die Versorgung in der Pflegelandschaft haben ihre Arbeit aufgenommen, so Gesundheits- und Sozialminister Johannes Raucham Montag. „Mit der Etablierung von wohnortnahen, aufsuchenden Unterstützungsangeboten in Pflege und Betreuung wird ein wichtiger Punkt im Regierungsübereinkommen umgesetzt. Dabei handelt es sich letztlich um eine essentielle Weichenstellung für unser System der Pflegevorsorge“, meinte Rauch. Insgesamt werden im Rahmen des Österreichischen Aufbau- und Resilienzplans rund 54,2 Mio. Euro bis Ende des Jahres 2024 investiert, um die Situation von Menschen im Alter, Menschen mit Pflegebedarf sowie die Situation ihrer Angehörigen zu verbessern. 

Forderungen der Bundesländer

Im Forderungskatalog der Bundesländer wird ein Maßnahmenpaket gewünscht. Der Bund soll die "Gesamtlösung für die Pflege" ins Rollen bringen. Im Zentrum der Forderungen der Bundesländer steht der Finanzierungsaspekt.

„Neben der vollständigen Abgeltung des Pflegeregresses muss die Pflege durch bundesgesetzliche Maßnahmen nachhaltig sichergestellt werden", hatte Tirols Landeshauptmann Günther Platter damals gefordert. Des Weiteren sollen auch Maßnahmen im Bereich der Pflegeausbildung, zur Attraktivierung der Pflegeberufe und zur Entlastung der PflegerInnen sowie pflegender Angehöriger forciert werden.

Die konkreten Forderungen der Bundesländer:

  • Ausbau der Tages- und Mobilpflege, insbesondere durch begleitende Maßnahmen zur Erhöhung der Personalkapazitäten im Bereich der Pflege.
  • Ausarbeitung von wirkungsvollen Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger im Rahmen der gemeinsamen Entwicklung der Pflegereform.
  • Schaffung eines ausreichend dotierten Pflegeausbildungsfonds und einer einheitlichen Förderung der Personen, die sich für eine Ausbildung in einem Pflegeberuf entscheiden.
  • Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Etablierung einer Lehre zu Assistenzberufen in der Pflegein einzelnen Pilotbundesländern.
  • Evaluierung der Schulversuche im Zusammenhang mit der Pflegeausbildung an öffentlich-rechtlichen Schulen und Überführung in das Regelschulwesen.
  • Erhöhung des Zuschlages (gemäß Einstufungsverordnung vom Bundespflegegeldgesetz) bei schwer geistig oder schwer psychisch behinderten, insbesondere an Demenz erkrankten Personen.
  • Pflegeregress: Vollständige Abgeltung (insbesondere unter Berücksichtigung alternativer Wohnformen) der seit 2018 durch die Abschaffung des Pflegeregresses tatsächlich angefallenen Mehraufwendungen und fortlaufende Valorisierung der Abgeltung.
  • Sicherstellung einer nachhaltigen und langfristig wirksamen Gesamtreform der Finanzierung von stationären und mobilen Pflegeleistungen unter Berücksichtigung demografischer und kostenseitiger Entwicklungen.
  • Rasche Weiterarbeit am Thema Zielsteuerung Pflege(Pflegereformkommission) und anschließende bundesweite Umsetzung.

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