Bildungsmisere in Österreich
Die vergessenen Schüler: Schularbeiten und Durchfallen erlaubt

"Auf unsere Kinder wurde vergessen, denn diese müssen trotz Corona-Maßnahmen in wenigen Tagen nach der Schulöffnung eine Externistenprüfung über den gesamten Jahresstoff ablegen, und wenn sie diese Prüfung nicht schaffen, müssen sie in eine Regelschule und das Schuljahr wiederholen", so Schulleiterin Maria  Kraze. | Foto: pixabay
  • "Auf unsere Kinder wurde vergessen, denn diese müssen trotz Corona-Maßnahmen in wenigen Tagen nach der Schulöffnung eine Externistenprüfung über den gesamten Jahresstoff ablegen, und wenn sie diese Prüfung nicht schaffen, müssen sie in eine Regelschule und das Schuljahr wiederholen", so Schulleiterin Maria Kraze.
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Geschätzt 1500 Externisten-Schüler gibt es in ganz Österreich: Es sind Kinder, die am Ende des Schuljahres eine Jahresprüfung ablegen müssen, weil sie eine Schulform besuchen, die nicht mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet ist. Oder eine, die zwar mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet war, dieses aber wegen eines Umzugs erst im Folgejahr erhält. Diese Kinder bangen nun um ihre Zukunft.

ÖSTERREICH. Als die Corona-Maßnahmen samt der Schulschließungen bzw. Schulleerungen, denn juristisch gesehen blieben die Schulen ja geöffnet, schlagend wurden, hat auch die kleine Privatschule „Lernwerkstatt Sowiedu“ in der Bundeshauptstadt, ebenso wie alle anderen tausend in ganz Österreich, auf Anweisung des Ministerium seine 15 Schüler nach Hause geschickt und auf Home-Learning umgestellt. Man wollte ja kein 'Lebensgefährder' sein. Noch dazu, wo die meisten dieser Kinder mit Angststörungen kämpfen, oder mit Familienmitglieder leben, die besonders schützenswert sind.

Schularbeiten und Durchfallen erlaubt

Mit Staunen folgte man dem Bundesminister in seiner Pressekonferenz, in dem er versprach: "Kein Kind wird zurückgelassen, kein Kind wir heuer durchfallen, die Corona-Maßnahmen werden dem Schüler nicht das Schuljahr kosten." "Stimmt nicht", sagt Maria Kraze, Gründerin der Schule: "Auf unsere Kinder wurde vergessen, denn diese müssen trotz Corona-Maßnahmen in wenigen Tagen nach der Schulöffnung eine Externistenprüfung über den gesamten Jahresstoff ablegen, und wenn sie diese Prüfung nicht schaffen, müssen sie in eine Regelschule und das Schuljahr wiederholen." Wir reden von Kindern mit Angststörungen, Asperger Autismus, selektivem Mutismus, posttraumatische Belastungsstörung, massiv verstärkt durch die Corona Krise und die Destabilisierung der nötigen sicheren Umgebung.

Ministerium blockt ab

Verzweifelt wandet man sich mittels Brief an das Ministerium, und erhielt zur Antwort, dass die Rechtslage für Privatschulen eben so sei. Anfang Mai wurde man vom Termin für die Externistenprüfung informiert: Die Schularbeiten finden am 27.-29. Mai statt. Am 18. Mai durfte die Schule wieder regulären Unterricht aufnehmen, neun Tage vor den Prüfungen. Zwei Tage davon fallen aufs Wochenende, ein Tag auf einen Feiertag, mach in Summe sieben Tage als Vorbereitung für die 15 Kinder mit besonderen Bedürfnissen, um sich auf eine Jahresprüfung vorzubereiten, die ihre weitere schulische Laufbahn massiv beeinflussen würde. Erneut bat man um Aufschub oder Abänderung, erfolglos.

Schikane durch Behörde?

Besonders perfide ist die Tatsache, dass selbige Schule im Vorjahr das Öffentlichkeitsrecht hatte und die Zeugnisse selber ausstellen durfte. Nur im Schuljahr 2019/20 eben nicht, weil die Schule umzog, eine Neugründung die Folge sein musste und, dass das Statut bei Schulgründung erst im Folgejahr bearbeitet wird. Also erst mit 1.9. 2020. Und: Laut Schreiben des Ministeriums mit 18. Mai, dem ersten Tag der Schulöffnung, wurde der Schule erklärt, dass Privatschulen von den Corona-Verordnungen ohnehin immer ausgenommen gewesen seien. "Und das sagt man uns am ersten Tag der Schulöffnung", so Kraze: "9 Wochen folgt man in gutem Glauben allen Ratschlägen des Ministeriums und dann kommt die Information, die alles in Frage stellt. Zumindest von Seiten der Bildungsdirektion Wien war man bemüht uns zu unterstützen, die sind aber auch an die Weisungen des Ministeriums gebunden. Wahnsinnig frustrierend und unklar alles!“

Sieben Tage zur Jahres-Prüfungsvorbereitung

In wenigen Tagen also müssen die 15 Kinder mit Angststörung in eine fremde Volksschule gehen und dort eine Externistenprüfung ablegen, weil sie eine Privatschule besuchen, der das Öffentlichkeitsrecht deswegen nicht zugeteilt wird, weil sich ihre Schule neu gegründet hat, um den Kindern mehr Platz zu bieten, und die Behörde das Statut erst im Folgejahr bearbeitet. Und sie haben nun sieben Tage um sich auf die Jahresprüfung vorzubereiten, weil die Schule sich an die Corona-Maßnahmen samt Schließung und E-Learning gehalten hatte, wozu sie im Vorhinein aufgefordert wurde und im Nachhinein mitgeteilt bekam, dass sie dies vielleicht gar nicht hätte tun müssen.
Dumm nur für die Kinder, denn wenn sie die Externistenprüfung nun nicht bestehen, müssen sie das Schuljahr wiederholen – und zwar nicht in ihrer vertrauen Privatschule in gewohntem Umfeld, sondern in einer öffentlichen Schule, also mit Schulwechsel, für Kinder mit Angststörung ein besonders massiver Eingriff.

"Schüler werden wissentlich diskriminiert"

  1. „Bis zum Sommer finden außerdem keine Schularbeiten mehr statt“, so der Minister bei der Pressekonferenz. Stimmt nicht", so Kraze: "Unsere Schüler der 4. Schulstufe haben sogar zwei Schularbeiten in Mathematik und Deutsch am selben Tag bei der Externistenprüfung am 28. Mai. Das ist normal und üblich, aber ist das wirklich in der jetzigen Situation auch noch passend?"
  2. Und weiter: „An den Volksschulen wird aufs Sitzenbleiben, außer bei Wunsch der Eltern, verzichtet. Für alle gelte, dass die Beurteilung "mit Augenmaß" erfolgen solle, so Faßmann. "Aber unsere Schüler müssen, wenn sie die Prüfung unter diesen unleugbar erschwerten Umständen nicht bestehen, bis zum Ende der Pflichtschulzeit eine öffentliche Schule oder eine Schule mit permanentem Öffentlichkeitsrecht besuchen. Häuslicher Unterricht oder der Besuch einer Schule ohne Öffentlichkeitsrecht sind nicht mehr möglich, das bedeutet einen erzwungenen Schulwechsel", stellt Kraze klar.
  3. „Aufgrund des Schichtbetriebs wird auch nicht mehr der komplette restliche Unterrichtsstoff durchgemacht werden können. Die Lehrpläne seien flexibel genug, betonte Faßmann bei der Pressekonferenz. Kraze stellt klar: Wir müssen nach neun Wochen daheim, davon drei Wochen, in denen der Stoff nur wiederholt werden durfte, in sechs Wochen neuen Stoff im Distanzunterricht erarbeiten, und nun wenige Wochen vor Schulschluss sollen die Schüler den gesamten Jahresstoff beherrschen."
  4. Weiters versprach der Minister: „Schüler, die sich aufgrund der Corona-Pandemie psychisch nicht in der Lage sehen, in die Schule zu gehen oder etwa chronisch kranke Menschen im eigenen Haushalt schützen möchten, gelten nach Meldung an die Schulleitung als entschuldigt - sie werden so behandelt, als wenn sie selbst krank wären." Kraze: "Einer unserer Schüler, der im selben Haushalt mit der krebskranken Oma lebt, muss zur Prüfung antreten und dazu in eine fremde Schule gehen, und die Tage Prüfungsvorbereitung in unserer Schule wären auch nötig, also doch viele Kontakte außerhalb des Haushaltes. Er hat massiv Sorge seine geliebte, schwerkranke Oma anzustecken. Diese Situation erleichtert ihm die Prüfung nicht, die gerade für ängstliche Kinder ohnehin eine massive Herausforderung ist."

Erschwerte Schulsituation

Die Lehrerin ist enttäuscht: "Wir hatten zuerst angenommen, dass diese Aussagen für alle Schüler gelten und nachdem wir lange keine nähere Information dazu bekommen haben und nun sogar vom Ministerium eine Antwort lediglich mit juristischen Informationen und keine Antwort auf unsere Bitte um Hilfe erhalten haben: Wir schließen daraus, dass es hier eine wissentliche Ungleichbehandlung gibt, und, dass unsere Schüler diskriminiert werden, da sie im Vergleich zu den Vorjahren durch die Corona Krise eine unverkennbar erschwerte Schulsituation vorfinden im, Gegensatz zu allen anderen SchülerInnen, denen die Lage – sinnvollerweise- deutlich erleichtert wird."

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