Terror
Experte warnt vor internationaler Vernetzung von Extremisten

Mit dem erneuten Aufflammen des Konflikts im Nahen Osten nahm die Bedrohung durch Terrorismus in Österreich und ganz Europa wieder deutlicher zu. Neben dem islamistischen sei aber auch der politische Extremismus weiterhin am Vormarsch, erklärt der Terror-Experte Nicolas Stockhammer.  | Foto: ALEX HALADA / picturedesk.com
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  • Mit dem erneuten Aufflammen des Konflikts im Nahen Osten nahm die Bedrohung durch Terrorismus in Österreich und ganz Europa wieder deutlicher zu. Neben dem islamistischen sei aber auch der politische Extremismus weiterhin am Vormarsch, erklärt der Terror-Experte Nicolas Stockhammer.
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Mit dem erneuten Aufflammen des Konflikts im Nahen Osten nahm die Bedrohung durch Terrorismus in Österreich und ganz Europa wieder deutlicher zu. Neben dem islamistischen sei aber auch der politische Extremismus weiterhin am Vormarsch, erklärt der Terror-Experte Nicolas Stockhammer. Die größte Gefahr gehe dabei weiterhin von radikalen Einzeltätern aus, wobei künftig wohl kleine, international vernetzte Terrorzellen die Ermittler beschäftigen dürften.

ÖSTERREICH. In den letzten Jahren gingen Terrorexperten davon aus, dass aufwendig geplante Anschläge, wie jener am 11. September 2001 in New York, als eher unwahrscheinlich gelten. Die größte Gefahr gehe hingegen eher von radikalisierten Einzeltätern aus. Wie Stockhammer, Leiter des Instituts für Terrorismusforschung an der Donau-Universität Krems, im Gespräch mit der APA erklärte, deute aktuell aber auch vieles auf eine mögliche strukturelle Veränderung bei islamistisch motivierten Anschlägen hin.

Jüngste Beispiele, wie etwa der mutmaßlich geplante Anschlag auf die Wiener Pride-Parade würden demnach zeigen, dass sich Dschihadisten "sehr stark transnational" vernetzten. So habe jener 15-Jährige, der den Anschlag mutmaßlich geplant hat, einen "Terror-Kanal" gegründet, in dem auch ein junger Belgier sowie ein junger Ukrainer waren. Diese hätten sich laut APA-Berichten über mögliche Anschlagspläne in Europa ausgetauscht. 

Der mutmaßlich geplante Anschlag auf die Wiener Regenbogen-Parade verdeutliche die transnationale Vernetzung.  | Foto: Marie O.
  • Der mutmaßlich geplante Anschlag auf die Wiener Regenbogen-Parade verdeutliche die transnationale Vernetzung.
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Zunehmend kleinere Terrorzellen

Auch die Anschlagpläne gegen den Wiener Stephansdom in der Weihnachtszeit, in deren Zusammenhang ein 28-jähriger Tadschike und seine 27-jährige Ehefrau festgenommen wurden, würden diese Vernetzung verdeutlichen. So seien die Verdächtigen mit einem 30-jährigen in Deutschland lebenden Landsmann in Kontakt gewesen, der im Verdacht steht, einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant zu haben. Die mutmaßlichen Terroristen werden der Organisation "Islamischer Staat in der Provinz Khorasan" (ISPK) zugerechnet, bei der es sich um einen Ableger des IS in Afghanistan und anderen Staaten Zentralasiens handelt. Nach Ansicht Stockhammers habe diese möglicherweise schon vor Jahren damit begonnen, Migrationsbewegungen zu nutzen, um Anhänger nach Europa zu schleusen. 

Der Terror-Experte erklärte in diesem Zusammenhang, dass dennoch weiterhin von Einzeltätern, die sich oftmals auf Social Media radikalisieren, eine erhöhte Gefahr von sogenannten "Gelegenheitsszenarien" ausgehe. Dabei werden Anschläge ohne aufwendige Planung im Vorhinein durchgeführt. Von einem solchen "Gelegenheitsszenario" sah etwa im September ein damals 16-Jähriger in letzte Sekunde ab, nachdem er bereits mit einer Machete am Wiener Hauptbahnhof stand, um ein Blutbad anzurichten. Mit der langsamen Veränderung hin zu kleinen Terrorzellen steige zudem die Gefahr ausführlich geplanter, "projektierter" Szenarien.

Der Terrorexperte warnt vor Länder übergreifenden Terrorzellen. | Foto: AndrewLozovyi/PantherMedia
  • Der Terrorexperte warnt vor Länder übergreifenden Terrorzellen.
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Anhand der Sympathisanten der Terrormiliz ISPK könne man laut Stockerhammer eine weitere Veränderung festmachen: Während bisher vor allem sehr junge und nicht selten minderjährige Männer im Fokus von Ermittlungen standen, sei dieser Ableger "eher interessiert an Personen mit mehr Lebenserfahrungen - das macht die Anschlagspläne auch ernster", so die Einschätzung des Experten.

Internationale Vernetzung von politischen Extremisten 

Die voranschreitende internationale Vernetzung sei aber nicht nur im islamistischen, sondern auch beim politischen Extremismus bemerkbar. Das verdeutliche etwa das Treffen Rechtsextremer in Potsdam, an dem auch der Österreicher Martin Sellner teilnahm. "Die Virtualisierung macht es Rechtsextremisten so leicht wie nie, sich zu verknüpfen", erklärte Stockhammer, der zudem anmerkte, dass er Rechtsextreme weiterhin für die zweite große Gefahr neben dem islamistischen Terrorismus halte. 

Gefahrenpotenzial gehe aber auch von der anderen Seite des politischen Spektrums aus, da Linksextremisten seit längerem versuchen würden, zuerst die Klimaproteste und nun "Pro-Palästina-Demos" zu vereinnahmen. Diese linksextremistischen Strömungen seien in Österreich jedoch viel weniger ausgeprägt als beispielsweise bei unseren Nachbarn in Deutschland. Einen wesentlichen Unterschied zwischen politischem und islamistischem Extremismus mache laut Stockhammer die Auswahl der Ziele aus. So würden Islamisten viel großflächiger angreifen als Rechts- oder auch Linksextremisten, die gewisse Personengruppen oder staatliche Institutionen als Ziele festmachen würden. "Der IS oder ISPK hat sogar keine Scheu davor, Schiiten ins Visier zu nehmen".

Linksextremisten würden versuchen, "Pro-Palästina-Demos" für sich zu vereinnahmen.  | Foto: ALEX HALADA / picturedesk.com
  • Linksextremisten würden versuchen, "Pro-Palästina-Demos" für sich zu vereinnahmen.
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Experte für mehr Überwachungsmaßnahmen

Eine länderübergreifende Vernetzung sei nach Ansicht des Experten "fast nicht zu verhindern". Es gehe daher vielmehr darum, "die Adressaten an beiden Enden" zu überwachen, um etwaige Terrorpläne zu vereiteln. Stockhammer sprach sich dabei erneut für weitere Überwachungsmaßnahmen für den heimischen Verfassungsschutz aus. Zentral sei etwa die Überwachung von Messenger-Diensten im Anlassfall, wie es in den meisten europäischen Staaten möglich ist. 

Der Terror-Experte gehe davon aus, dass uns die Terrorwarnung wohl auch im Jahr 2024 weiter begleiten werde. Stocker befürchtet, dass das Erstarken des ISPK und der neu aufgeflammte Nahost-Konflikt, aber auch die Nachwehen der Pandemie und damit einhergegangener Unmut in der Bevölkerung sowie der Aufschwung rechtspopulistischer bzw. -extremer Parteien die Gefahr terroristischer Angriffe noch befeuern werde. Die Präsidentschaftswahl in den USA und ein etwaiger Sieg Donald Trumps könnte zudem auch in Europa die Bedrohung durch Staatsverweigerer und Verschwörungstheoretiker erhöhen. 

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