So reagiert das Netz und die Politik
Sechs Femizide in nur vier Tagen

Sechs Femizide in nur vier Tagen erschüttern Österreich. Während die einen den Export des Problems als Lösung ansehen, verweisen andere auf ein strukturelles Problem. | Foto: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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Am Freitag gab es in Österreich gleich fünf Femizide. Am Montag folgte ein weiterer. Die Ursache für Frauenmorde ist Männergewalt, tönt es aus allen Richtungen. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) reagierte zwei Tage später schockiert auf die Geschehnisse. Gewerkschaft und Organisationen werfen der Regierung Tatenlosigkeit vor. In den sozialen Medien brach ein Shitstorm aus.

ÖSTERREICH. In nur wenigen Tagen wurden fünf Frauen und ein Mädchen ermordet. Ein Täter legte bereits ein Geständnis ab – Motiv noch unklar–, während zwei mutmaßliche Täter noch gesucht werden. "Wie tief muss der Frauenhass sitzen, um derartig brutale Gewaltverbrechen begehen zu können?", fragt sich Maria Rösslhumer, Gründerin der Initiative "StoP – Stadtteil ohne Partnergewalt", in einer Aussendung. Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) forderte am Montag wirksamen Schutz auch für Frauen mit Behinderungen, Migrantinnen, Asylsuchende, Frauen ohne Papiere, wohnungslose Frauen und Transfrauen. Diese seien besonders schutzbedürftig, zeigen auch die jüngsten Ereignisse, denn drei der sechs Opfer waren Zuwanderinnen.

Was bedeutet...?


Femizid

Femizid bedeutet, dass eine Frau oder ein Mädchen aufgrund ihres Geschlechts getötet wurde. Eben WEIL sie eine Frau oder ein Mädchen ist.



Shitstorm gegen Rauch im Netz

Zu wenig werde für den Opferschutz getan, der eigentlich mehr Symptom- als Ursachenbekämpfung ist. "Die Frauenmorde in Wien haben mich zutiefst erschüttert. Dieses Ausmaß an Brutalität ist unvorstellbar. Die Morde und Täter haben unterschiedliche Hintergründe und Motive. Klar ist aber: Jeder Mord ist einer zu viel", so Raab zwei Tage nach den Femiziden. Zuvor hatte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) auf X von sich hören lassen:

 
Dass Rauch insbesondere Männer als Täter benannte und sie in die Verantwortung zieht "die Gewaltspirale zu durchbrechen", missfiel so manchem X-User. Viele der kritischen Stimmen konzentrierten sich, ähnlich wie die FPÖ, auf die ausländische Herkunft des Täters, im Fall der drei ermordeten Frauen in Wien-Brigittenau. Dabei tut sich die Frage auf, ob ein Femizid weniger schwer wiegt, wenn er im Herkunftsland des Täters und nicht hierzulande passiert? Sieht man sich einige Antworten auf Rauchs Posting an, dürfte "Abschieben und Grenzen dichtmachen" für sie dennoch die Lösung für Femizide – zumindest in Österreich – sein.

Rauch verweist zudem auf die Kampagne "Mann spricht's an" und Beratungsstunden für Männer in Krisen. Dazu finden sich teils sarkastische Reaktionen auf X, denn die Maßnahmen scheinen angesichts der ausufernden Gewalt nicht zu fruchten. Rösslhumer sieht darin dennoch den Schlüssel: "Es braucht Dauerbewusstsein. Es braucht intensive, andauernde Bewusstseinsarbeit und Primärprävention." 

"Die Haltung, dass in Österreich ohnehin schon so viel gemacht wird und kein akuter Bedarf an neuen Programmen bestehe, ist schlicht nicht mehr haltbar", hält Marion Polaschek, Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaftsfraktion im ÖGB, am Sonntag fest und fordert Maßnahmen.

Strukturelles Problem, keine Einzelfälle

Während die einen also einen Export des Täter-Problems als Lösung sehen, bekommt auch "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, dessen Zeitschrift grundsätzlich eher links einzuordnen ist, sein Fett weg. In einem Posting auf X erklärt Klenk die Femizide mehr oder minder zu Einzelfällen und ignoriert dabei, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt. Unternehmerin und Autorin Madeleine Darya Alziadeh führt die Problematik näher aus und schreibt:

"Femizide unterliegen der Verantwortung und dem Verhalten von Männern. Das zu benennen, ist nicht falsch. Besagte strukturelle Verantwortung und Verhalten zu relativieren, nur weil man selbst 'auf keinen Fall mitgemeint' sein möchte, lenkt die Aufmerksamkeit auf persönliche Befindlichkeiten – mehr nicht."

Eine Userin richtet sich in ihrem Kommentar unter Alizadehs Beitrag an Klenk: "Ich bin selbst Überlebende eines solchen Femizids. Und hinterher möchten alle Stellen 'spezifisch analysieren'. Übersetzt heißt das: sehen, wo Frauen 'dazu beigetragen', provoziert haben." Verständnis für Klenks Aussage findet sich in den Kommentaren wenig, dafür einige Berichte von Betroffenen.

Sieht man sich die Kommentare unter dem Beitrag von Madeleine Darya Alizadeh alias dariadaria an, wird erneut deutlich: Femizide sind ein strukturelles Problem. | Foto: Instagram
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Wenig später folgte eine Einordnung und Ausführung Klenks. Die Kritik an seiner Aussage ließ den Chefredakteur seine Aussage überdenken und es folgte ein weiteres Posting, in dem er das Gesagte weiter ausführte und kontextualisierte. Er wolle nicht "not all men" sudern und fordere vielmehr eine "feministischere und fortschrittlichere Justiz- und Kriminalpolitik", mehr Mittel für die Kriminalsoziologie und besser geschulte Behörden.
Eine einfache Lösung für Gewalt an Frauen dürfte es so bald nicht geben.

Hier finden Opfer von Gewalt Hilfe

Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen bei der Frauenhelpline unter:


* 0800/222 555 (kostenlos und rund um die Uhr)

* www.frauenhelpline.at

*beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at

*Bei der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at

*Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Tel.: 0800/112-112, www.opfernotruf.at

*Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.

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