Babler nach Aufregung um Video
"Bin keinesfalls für einen EU-Austritt"

Seine aus 2020 stammenden Formulierungen seien überzogen gewesen und er sei keinesfalls für einen EU-Austritt, betonte Andreas Babler. Dennoch übte der Anwärter auf den SPÖ-Vorsitz neuerlich Kritik an dem Staatenverbund. | Foto: Andreas Babler
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  • Seine aus 2020 stammenden Formulierungen seien überzogen gewesen und er sei keinesfalls für einen EU-Austritt, betonte Andreas Babler. Dennoch übte der Anwärter auf den SPÖ-Vorsitz neuerlich Kritik an dem Staatenverbund.
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Nach Aufregung um ein Video aus dem Jahr 2020, in dem er die EU heftig kritisiert, bezog Andreas Babler nun Stellung zu seinen damaligen Aussagen. Diese seien überzogen gewesen und er sei keinesfalls für einen EU-Austritt. Dennoch übte der Anwärter auf den SPÖ-Vorsitz neuerlich Kritik an dem Staatenverbund: Das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik erlebe er tagtäglich vor der eigenen Haustüre, so der Bürgermeister von Traiskirchen, der sich für eine umfassende Reform hin zu einer "Sozialunion" ausspricht.

ÖSTERREICH. Ein Video von Andreas Babler, in dem dieser die EU scharf kritisiert, setzt den Anwärter auf den SPÖ-Chefsessel kurz vorm richtungsweisenden Sonderparteitag am 3 Juni unter Druck. Auf seinem Twitter-Kanal bezog der Traiskirchner Bürgermeister nun Stellung zu der drei Jahre alten Aufnahme. Seine Formulierung sei "überzogen" gewesen und er sei "natürlich keinesfalls" für einen EU-Austritt. Zu seiner Kritik an der Institution steht Babler aber trotzdem: "Ich kritisiere ja auch die österreichische Bundesregierung für ihre Politik. Das macht mich aber noch lang nicht zum Anti-Österreicher", so der Sozialdemokrat, der zugleich "schwere Menschenrechtsverletzungen" an Europas Außengrenzen anprangert und sich für eine Weiterentwicklung der EU in Richtung "Sozialunion" ausspricht. 

"Erlebe das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik vor der Haustüre"

Seine Kritik sei immer stark von der Perspektive als Traiskirchner Bürgermeister geprägt gewesen, rechtfertigt Babler seine Aussagen von 2020. In Traiskirchen könne man nicht wegschauen. "Ich erlebe das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik jeden Tag vor der Haustüre. Als Bürgermeister ist es meine Verantwortung, das anzusprechen", betont der Stadtchef. 

"Menschen werden auf offenem Meer ins Wasser gestoßen"

In seiner Stellungnahme prangert Babler "schwere Menschenrechtsverletzungen" an Europas Außengrenzen an. "Illegale und brutale Pushbacks" seien dokumentiert und geduldet – Menschen würden auf offenem Meer ins Wasser gestoßen. "Wenn wir aus Europa eine Festung machen, wird am Ende eine Ruine übrig bleiben – davor hat zuletzt auch mein Parteifreund Franz Vranitzky gewarnt", erklärt Babler. 

"Keinesfalls für einen EU-Austritt"

Auch darüber hinaus sei in der EU nicht alles eitel Wonne. Als Sozialdemokrat sei es seine Pflicht, Fehlentwicklungen zu kritisieren, so Babler. Seine Kritik macht ihn aber nicht zum Anti-Europäer, impliziert er – schließlich mache ihn Kritik an der Bundesregierung auch nicht zum Anti-Österreicher. Natürlich sei er keinesfalls für einen EU-Austritt. "Ein Austritt aus der Union würde niemals zu mehr sozialem Handlungsspielraum führen", so der Politiker.

Auch Lob für die EU

Der Anwärter auf den SPÖ-Chefsessel hatte aber nicht nur Kritik für die EU über. Die Kommission setzte laut Babler zuletzt "durchaus progressive Initiativen bei der Gestaltung des volkswirtschaftlichen Rahmens der Union. […] Die weltweite Mindest-Umsatzsteuer wurde durch die EU koordiniert. Das Lieferkettengesetz soll bald beschlossen werden. Hier sehe ich das Potenzial für eine EU, die den Menschen verpflichtet ist - das muss unser Ziel sein", so Babler, der in seiner Stellungnahme eine Fortentwicklung der EU in Richtung "Sozialunion" fordert.

Wer soll künftig den SPÖ-Parteivorsitz innehaben?

Die Stellungnahme von Andreas Babler im Wortlaut:

Kurz vor dem Parteitag wird ein 3 Jahre altes Interview von mir verbreitet. Dort äußere ich mich nach über 2 Stunden Sendung zur EU. Die Formulierung war überzogen. Die Energie, die sich jetzt an meiner drei Jahre alten Aussage entlädt, wäre aber woanders besser aufgehoben.
Ich vermisse die Energie, die sich jetzt an meiner 3 Jahre alten Aussage entlädt, wenn es darum geht, wie wir die EU sozialer machen, die Orbanisierung der EU verhindern und wie wir die Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen überwinden können!
Meine Kritik war immer stark von der Perspektive als Bürgermeister meiner Stadt geprägt. In Traiskirchen kann man nicht wegschauen. Ich erlebe das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik jeden Tag vor der Haustüre. Als Bürgermeister ist es meine Verantwortung, das anzusprechen.
An Europas Außengrenzen finden schwere Menschenrechtsverletzungen statt – systematisch und ohne Aufschrei der europäischen Öffentlichkeit. Illegale und brutale Pushbacks sind in Griechenland, Ungarn, Kroatien, Polen, Lettland und Litauen dokumentiert und werden geduldet.
Menschen werden auf offenem Meer ins Wasser gestoßen, zur Abschreckung arbeitet man sogar mit kriminellen Milizen zusammen. Wenn wir aus Europa eine Festung machen, wird am Ende eine Ruine übrig bleiben – davor hat zuletzt auch mein Parteifreund Franz Vranitzky gewarnt.
Auch darüber hinaus ist in der EU nicht alles eitel Wonne – und das spüren sehr viele Menschen in Europa. Die neoliberalen Sparprogramme der letzten Jahrzehnte haben viel Schaden angerichtet und die südeuropäischen Länder in eine tiefe Rezession gezwungen.
In Griechenland ist die Lebenserwartung zurückgegangen, die Selbstmordrate ist um 57% gestiegen. Arbeitnehmerrechte wurden abgebaut und das Gesundheitssystem in die Krise gestürzt. Als Sozialdemokrat ist es meine Pflicht, Entwicklungen wie diese zu kritisieren.
Ich kritisiere ja auch die österreichische Bundesregierung für ihre Politik. Das macht mich aber noch lang nicht zum Anti-Österreicher. Natürlich bin ich keinesfalls für einen EU-Austritt. Ein Austritt aus der Union würde niemals zu mehr sozialem Handlungsspielraum führen.
Als Internationalist sehe ich keine Perspektive in einem Rückfall auf rein nationales Denken. Den Finanzmarkt kann man nicht allein auf österr. Ebene regulieren, erst recht nicht Maßnahmen gegen die Klimakrise oder die Energiewende. Dazu brauchen wir die Europäische Union.
Wir müssen die EU in Richtung Sozialunion fortentwickeln. Das bedeutet auch eine Reform der europäischen Verträge, wie es so viele sozialdemokratische Regierungschefs fordern. Auch Emmanuel Macron fordert dies zu Recht, weil Europa kein ,seelenloser Markt' sein dürfe.
Die EU-Kommission setzte zuletzt durchaus progressive Initiativen bei der Gestaltung des volkswirtschaftlichen Rahmens der Union. Auch konnte man sich auf einheitliche Regeln für Mindestlöhne und auf Arbeitsrechte der LKW-Fahrer:innen einigen.
Die weltweite Mindest-Umsatzsteuer wurde durch die EU koordiniert. Das Lieferkettengesetz soll bald beschlossen werden. Hier sehe ich das Potenzial für eine EU, die den Menschen verpflichtet ist - das muss unser Ziel sein!
Mit demokratischer Weiterentwicklung der Institutionen, der Stärkung des Parlaments und der europaweiten Mobilisierung von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, können wir das Kräfteverhältnis zwischen Konzerninteressen und Demokratie auf europäischer Ebene verschieben.

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