Interview mit Marcus Wadsak
"Ist Umweltschutz nur etwas für Reiche?"

Marcus Wadsak im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko: "Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, also in 19 Jahren will Österreich nicht mehr CO2 oder andere Treibhausgase ausstoßen, als sie irgendwo gebunden werden können. Wenn wir das erreichen, sind wir Vorreiter, dann sind wir vorne dabei." | Foto: Markus Spitzauer
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  • Marcus Wadsak im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko: "Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, also in 19 Jahren will Österreich nicht mehr CO2 oder andere Treibhausgase ausstoßen, als sie irgendwo gebunden werden können. Wenn wir das erreichen, sind wir Vorreiter, dann sind wir vorne dabei."
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RMA: Brände in Mitteleuropa, ein Tornado an unserer Grenze, Überschwemmungen in Österreich: Werden solche Wetter-Phänomene künftig die Regel sein?

Marcus Wadsak: Davon bin ich überzeugt, das zeigt auch der eben veröffentlichte Bericht des Weltklimarats. Was wir heute als extrem erleben, wird in wenigen Jahren das neue Normal werden. Denn die Erderwärmung schreitet voran und sie beschleunigt sich gerade. Das heißt, was wir in diesem Sommer an allen Ecken und Enden gesehen haben, das werden wir künftig leider häufig erleben.

RMA: Laut dem Klimareport IPCC steuert die Welt auf ein Überschreiten des Ziels von maximal 1,5 Grad Erwärmung in den 2030er-Jahren zu. Reichen die Maßnahmen, die Österreich und Europa setzen, um die Kurve zu kratzen, oder gehört mehr gemacht?

Wenn die Maßnahmen umgesetzt werden, dann werden sie auch ausreichen. Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, also in 19 Jahren will Österreich nicht mehr CO2 oder andere Treibhausgase ausstoßen, als sie irgendwo gebunden werden können. Wenn wir das erreichen, sind wir Vorreiter, dann sind wir vorne dabei. Und wenn Europa, dieses Ziel bis 2050 umsetzt und alle anderen Nationen mitmachen, die sich im Pariser Abkommen dazu verpflichtet haben, dann geht die Rechnung auf, dann können wir verhindern, dass aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe wird.

RMA: Bundeskanzler Sebastian Kurz vertraut voll auf die Innovationskraft der Wirtschaft und will die Bevölkerung vor Einschnitten in ihrer bisherigen Lebensweise beschützen, er meint, Klimaschutz gehe auch ohne Verzicht. Experten geben ihm teilweise recht, meinen aber, dass Innovationen allein zu wenig sind. Auf welche Innovationen sollten wir vor allem setzen, um möglichst schnell klimaneutral zu werden?

Insgesamt sollte man die politischen Rahmenbedingungen so ändern, dass es einem einfach gemacht wird, ein paar Gewohnheiten zu ändern. Verzicht kann dann auch etwas Positives sein. Ich lege Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück und finde das viel bequemer, als mit dem Auto zu fahren. Man erspart sich auch die mühsame Parkplatzsuche.

RMA: Als studierter Meteorologe haben Sie ein Sachbuch über den Klimawandel geschrieben. Bei den Kommunalen Sommergesprächen im September in Bad Aussee werden Sie in Ihrer Rede daran erinnern, dass jede/r Einzelne dazu beitragen kann, den Klimawandel zu stoppen. Nennen Sie mir die Ihrer Meinung nach wichtigsten 3 Punkte.

Nach Möglichkeit auf Individualverkehr verzichten und vom Auto auf Öffis umsteigen, weniger Fleisch konsumieren, auf grünen Strom wechseln.

RMA: Zugtickets sind im Vergleich zu Flugtickets Luxus, biologische Nahrungsmittel kosten eklatant viel mehr als herkömmliche und auch der Umstieg auf alternative Energiequellen sind trotz Förderungen für die breite Masse unerschwinglich. Ist Umweltschutz nur etwas für Reiche?

Tatsächlich sollten Preise für Flugtickets teurer werden, solche für Bahntickets im Gegenzug günstiger. Die Einführung des Klimatickets, mit dem man 365 Tage im Jahr um 1 Euro mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, finde ich sehr gut. Und regionale und biologische Lebensmittel müssen billiger werden. Es kann nicht sein, dass ein Steak aus Argentinien weniger kostet als ein heimisches. Da müsste der ökologische Fußabdruck im Preis mitberücksichtigt werden.

RMA: Laut Experten ließe sich der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen aus dem motorisierten Individualverkehr durch einen autofreien Tag pro Woche wie bei der Erdölkrise in den 70er Jahren drastisch reduzieren. Was halten Sie davon?

Ich erinnere mich an diese Maßnahme. Ich bin absolut für eine autofreie Welt, wäre froh, wenn die Städte autofrei wären, wenn der öffentliche Raum für Gastgärten, Spielplätze, Grünflächen gewidmet wäre. Aber ich halte nichts von Zwangsmaßnahmen. Die Menschen müssen von selbst draufkommen, weil sie dann am Ende eine bessere Entscheidung treffen.

Marcus Wadsak im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko: "Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, also in 19 Jahren will Österreich nicht mehr CO2 oder andere Treibhausgase ausstoßen, als sie irgendwo gebunden werden können. Wenn wir das erreichen, sind wir Vorreiter, dann sind wir vorne dabei." | Foto: Markus Spitzauer
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RMA: Sie sind neben ORF-Wettermoderator und Autor auch Klimawandel-Botschafter, waren in dieser Funktion auch beim Austrian World Summit vertreten. Was bringt ein solcher Job mit sich?

Diese Aufgabe bringt zusätzliche Arbeit, aber auch viel mehr zusätzliche Information. Ich habe schon vor einigen Jahren eine Klima-Plattform „climate without borders“ mitgegründet, ein globaler Zusammenschluss von TV- und Medienmeteorologen. Über diese Plattform kommt man schneller zu Informationen, etwa, was in anderen Regionen aufgrund des Klimawandels passiert. Als Klimabotschafter kann die Botschaft schneller an die Menschen bringen und best practise Beispiele liefern.

RMA: Wie wird man Klimabotschafter?

Man bewirbt sich einfach. Es ist eine gute Initiative. Der Gedankenaustausch ist enorm wichtig. Klimaschutz ist ein dringendes Anliegen, es ist auch viel Gegenwind da. Kollegen in Europa wurden stark angegriffen, weil sie sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren. Über die Vernetzung schöpft man Kraft, man stärkt einander den Rücken. Der Kampf ist bereits ein sehr langer, und jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit.

RMA: Sie leben am Neusiedler See im Burgenland. Dieses Bundesland gilt österreichweit als „Weltmeister“ in punkto Bodenversiegelung. Ist das für Sie subjektiv bemerkbar und wie kämpfen Sie in Ihrer Funktion als Klimabotschafter dagegen an?

Das ist absolut merkbar. Man muss immer das Positive voranstellen. Das Burgenland hat nämlich auch herausragende Eigenschaften, es ist seit einigen Jahren stromautark. Wir erzeugen mehr Strom mit Wind und Sonne, als wir verbrauchen. Das ist gut. Die Zersiedelung und der Straßenbau sind Riesenprobleme, wie etwa neue Einkaufscenter am Stadtrand, noch mehr Straßen, noch mehr Häuser, anstatt, dass alte Bestände neu bebaut werden. Auch da, wo ich wohne, nimmt dieser Trend leider kein Ende. Und das, obwohl die Bevölkerung nicht in diesem Ausmaß wächst. Ich versuche in meiner Gemeinde über die Bürgermeisterin meine Anliegen kundzutun. Es geht darum, mehr Raum für Fußgänger, Radfahrer, Kinder zu schaffen. Ich durfte auch schon im Landtag bei einer Klimaenquete sprechen. Das sind Möglichkeiten, auf die Probleme, die ich sehe, aufmerksam zu machen.

RMA: Im Herbst soll es eine große Raumordnungskonferenz geben, wo die Kompetenzen für die Freigabe von Bauland zur Sprache kommen könnte. Neos-Chefin Meinl-Reisinger hatte ja gefordert, dass die Zuständigkeiten von den Gemeinden auf den Bund übergehen. Was erwarten Sie davon?

Mir ist egal, wer politisch die Entscheidung trifft, solange es die richtige Entscheidung ist. Es wird von allen Klimaexperten gefordert, dass nicht mehr Boden versiegelt werden darf, als gleichzeitig irgendwo wieder freigegeben wird. Wir brauchen die Natur, einen Stopp. Mehr geht nicht. Die Natur braucht Platz, um sich regenerieren zu können. Die Zeiten sind vorbei, wo es sinnvoll und möglich war, dass wir wild drauflos bauen, und mit Straßen, Parkplätzen, Häusern alles zubetonieren.

Kommentar Maria Jelenko:

Immer wieder hört man, dass es doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, wenn man als Einzelner Maßnahmen setzt, um die Umwelt zu schützen. Österreich sei zudem viel zu klein, um irgendetwas bewirken zu können. Die großen Klimasünder würden in der Industrie und überhaupt in anderen Ländern oder Kontinenten zu finden sein. Das mag alles wahr sein. Doch die Uhr tickt.
Mit den verheerenden Unwettern ist der Klimawandel auch bei uns spürbar. Die europäischen Entscheidungsträger haben zum Glück erkannt, dass es Zeit zu handeln ist, und versuchen, die Bürger über Rahmenbedingungen und Anreize, wie etwa Förderungen, zu steuern. Jetzt kommt es aber auch auf den Willen und die freie Entscheidung aller Individuen an, denn die Nachfrage bestimmt den Markt mit. Verweigern weltweit immer mehr Konsumenten Umwelt belastende Produkte oder ändern ihre Lebensgewohnheiten, so hat dies unweigerlich Auswirkungen auf das Angebot und neue, umweltfreundlichere Produkte oder Services werden geschaffen. Durch diese Entwicklungen kann die Wirtschaft die politischen Rahmenbedingungen zugunsten unserer Umwelt mit beeinflussen. Der stete Tropfen höhlt den Stein, besagt ein Sprichwort. Die Masse an Individuen ist es also, die tatsächlich relevante Veränderungen herbeiführen kann. So bleibt die Hoffnung, dass die Klimakatastrophe doch noch rechtzeitig abgewendet wird – nämlich durch das Zutun jedes Einzelnen.

Marcus Wadsak im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko: "Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, also in 19 Jahren will Österreich nicht mehr CO2 oder andere Treibhausgase ausstoßen, als sie irgendwo gebunden werden können. Wenn wir das erreichen, sind wir Vorreiter, dann sind wir vorne dabei." | Foto: Markus Spitzauer
Marcus Wadsak: "Insgesamt sollte man die politischen Rahmenbedingungen so ändern, dass es einem einfach gemacht wird, ein paar Gewohnheiten zu ändern." | Foto: Markus Spitzauer

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