BUWOG-Verfahren
Koalitionsstreit über Verjährungsfristen entbrannt
Nachdem einige Beschuldigte im BUWOG-Verfahren zuletzt die Verjährungsregelungen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) anfochten, ist sich die Regierungskoalition nun uneinig. Während die Grünen die aktuelle Regelung verteidigt sehen wollen, sieht die ÖVP in ihrer Beibehaltung keinen Nutzen, steht damit jedoch alleine da.
ÖSTERREICH. Im österreichischen Strafgesetzbuch ist geregelt, wann eine bestimmte Straftat verjährt. Je nach schwere des Delikts kann die Verjährungsfrist zwischen einem Jahr und 20 Jahren betragen – manche Delikte verjähren aber auch gar nicht. Zudem existieren bestimmte Regeln zur Verjährungshemmung: Das bedeutet, es gibt zahlreiche Gründe, durch die die Verjährung gehemmt, also die Verjährungsfrist verlängert werden kann. Genau diese Regelung haben nun Anwälte von im BUWOG-Prozess erstinstanzlich Verurteilten angefochten, wie die Austria Presse Agentur (APA) am Mittwoch berichtete.
Anlassfall Karl Heinz Grasser
Sollte der VfGH die Verjährungshemmung tatsächlich kippen, dann wären die Verurteilungen etwa vom ehemaligen ÖVP-Finanzminister Karl Heinz Grasser sowie seinen Mitbeschuldigten nichtig, weil die BUWOG-Vorwürfe nach zehn Jahren verjährt gewesen wären, das Verfahren bis zu seinem Abschluss jedoch länger andauerte. Davon betroffen wäre nicht nur der Fall BUWOG, sondern auch andere Strafverfahren mit entsprechend langer Dauer.
Uneinigkeit zwischen Grünen und ÖVP
Alma Zadic (Grüne) sprach sich am Mittwoch jedenfalls dafür aus, die bestehenden Regeln beizubehalten. Ansonsten sähe sie Probleme bei der Verfolgung von Korruptions- und Terrorbekämpfung sowie von organisierter Kriminalität. Seit Gründung der Zweiten Republik seien die Verjährungsfristen "ein Kernelement der Verbrechensbekämpfung". In fast allen westlichen Demokratien gebe es ähnliche Regeln, so Zadic.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hingegen sah Reformbedarf: Aus ihrem Büro hieß es gegenüber dem Ö1-Radio, dass es 2021 eine Einigung zwischen ÖVP und Grünen gegeben habe, die Beschuldigtenrechte zu stärken und die oft lange Verfahrensdauer zu kürzen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht sinnvoll, die aktuelle Rechtslage zur Verjährungshemmung zu verteidigen, wie es hieß. Das sei ein Punkt, an dem eine breiter angelegte Reform anknüpfen könnte, so Edtstadler, die vom Justizministerium nun Vorschläge verlangte.
SPÖ und NEOS auf Linie der Grünen
SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim meinte in einer Aussendung, sie sehe keine Veranlassung, die aktuelle Regelung aufzuheben: "Solange ermittelt wird, darf es auch keine Verjährung geben, das wäre völlig kontraproduktiv."
Auch die NEOS schlossen sich inhaltlich Zadic an. Dem Ansinnen sei "mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten", so Justizsprecher Johannes Margreiter. Die derzeitigen Verjährungsbestimmungen im Strafgesetzbuch haben sich seit dessen Inkrafttreten im Jahr 1972 durchaus bewährt. Das Manöver der ÖVP sei sehr durchschaubar – ihr wäre eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verjährungshemmung natürlich sehr willkommen, schließlich seien es ihre Leute, die die Korruptionsermittler am meisten beschäftigten.
Staatsanwälte und Expertin ebenfalls für Beibehaltung
Auch die Staatsanwältevereinigung sieht wie Zadic keinen Änderungsbedarf. Ihr Vizepräsident Bernd Ziska meinte dazu: "Das kann man nicht wollen." Problematisch sei nur, wenn Straftaten gar nicht verjähren, meinte Ziska. Das würden sie aber ohnedies – die Verjährung werde durch Ermittlungsschritte der Behörden bzw. der Gerichte nur gehemmt. Er hoffe jedenfalls, dass es keinen Anlass für eine Aufhebung gibt. Sollte das doch geschehen und vor allem ohne Frist zur Reparatur, hätte das weitreichende Konsequenzen.
Gegen eine Änderung der Verjährungsregeln sprach sich auch die stellvertretende Vorständin des Instituts für Strafrecht der Uni Wien, Ingeborg Zerbes, aus. Das halte sie nicht für angezeigt, meinte sie im Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch.
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