Bildungsminister Polaschek
Schummeln mit KI an Schulen nicht toleriert

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP):  Ich halte es für verkürzt, sich auf einzelne Reizwörter in einem Lehrplan zu konzentrieren. Wir haben sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die digitale Grundbildung unterrichten. | Foto: BKA/Dunker
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  • Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP): Ich halte es für verkürzt, sich auf einzelne Reizwörter in einem Lehrplan zu konzentrieren. Wir haben sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die digitale Grundbildung unterrichten.
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Im September enden für alle Schülerinnen und Schüler in ganz Österreich die Sommerferien und das neue Schuljahr startet. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gibt im Gespräch mit den RegionalMedien Austria eine Bilanz über das im Vorjahr eingeführte Schulfach Digitales Lernen und einen Ausblick auf Neuerungen im neuen Schuljahr. Martin Berger, Lehrer am BRG Erlgasse Wien u. a. für Digitale Grundbildung und Referent an der PH Wien, gibt zudem Einblicke in die Praxis bei diesem Pflichtfach. 

ÖSTERREICH. Laut einer Studie von SaferInternet holen sich Jugendliche Nachrichten vorwiegend über Soziale Netzwerke und nicht über klassische Quellen. Das 2022 eingeführte, zusätzliche Pflichtfach "Digitale Grundbildung", das jetzt in der Primarstufe startet, sollte neben zb Strategien gegen Cybermobbing SchülerInnen die Unterscheidung zwischen seriösen Nachrichten und Fakenews beibringen.

RegionalMedien Austria: An dem Fach "Digitale Grundbildung" gibt es Kritik: Im Lehrplan der digitalen Grundbildung kommt der Begriff Fake News in vier Unterrichtsjahren ein einziges Mal vor – in der siebten Schulstufe. Und laut Interessensgemeinschaft Politische Bildung (IGPB) berücksichtigen nur 18 Prozent der Kompetenzen die Reflexion gesellschaftlicher Auswirkungen der Digitalisierung. Wird da noch nachjustiert?

Martin Polaschek: Ich halte es für verkürzt, sich auf einzelne Reizwörter in einem Lehrplan zu konzentrieren. Wir haben sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die digitale Grundbildung unterrichten. In diesem Fach werden sehr wohl Anwendungskompetenzen im Bereich Medienkompetenz weitergegeben. Dabei spielen natürlich Fake News und Cybermobbing eine Rolle. Da braucht es keinen eigenen Katalog – der Lehrplan ist bewusst offen gehalten, damit die Lehrkräfte die Anforderungen in konkrete Anwendungen bringen.

Berger: In dem Moment, wo ich mich kritisch mit dem Thema Medien beschäftige, steht der Begriff Fake News klarerweise ganz oben auf der Tagesordnung. Aber ich würde mich nicht nur auf diesen Begriff stützen. Da geht es um viel mehr. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass Schülerinnen und Schüler wenig klassische Medien konsumieren, aber das hängt auch mit dem jeweiligen familiären Hintergrund zusammen. 

LehrerInnen kritisieren zudem: Der Fokus liege zu sehr auf Technologie. Vielleicht gibt es ein Missverständnis über den Begriff „digitale Grundbildung“?
Berger: Ich denke nicht, dass digitaler Unterricht rein auf Technologie reduziert wird, sondern es ist eine gute Mischung, nämlich ein Wechselspiel aller Perspektiven: technologisch, gesellschaftlich und der Umgang mit digitalen Agenden. 

Eine Umfrage der Johannes Kepler Universität zeigt, dass sich mehr als die Hälfte der zuständigen Lehrkräfte der Aufgabe, digitale Grundbildung zu vermitteln, nicht ausreichend gewachsen fühlt. "26 Prozent haben sich da als 'befriedigend' eingestuft, 18 Prozent als 'schlecht' und ungefähr 11 Prozent als 'sehr schlecht'". Zur Sicherstellung der Qualifizierung der Lehrenden für den neuen Pflichtgegenstand forciert das Bildungsministerium eine dreistufige Aus-, Fort- und Weiterbildungsinitiative: Wie sieht diese konkret aus?
Polaschek: Wir bieten diese Lehrgänge an den Pädagogischen Hochschulen an, die auch sehr gut angenommen werden. Wenn man bedenkt, dass von den rund 120.000 Lehrerinnen und Lehrern 50.000 und mehr Personen entsprechende Lehrgänge in Anspruch nehmen, dann sehen wir, dass hier durchaus ein sehr großes Interesse besteht. Bei dem weiterbildenden Angebot reagieren wir auf den Bedarf der Lehrerinnen und Lehrer und passen dieses regelmäßig an. Ich kann daher diese Bedenken nicht teilen.
 
Sie bieten ja auch ein neues Lehramtsstudium an.
Polaschek: In diesem Lehramtsstudium, das gerade in Ausarbeitung ist, wird konkret digitale Grundbildung, und eben nicht, wie bisher, nur Informatik unterrichtet. Denn die Studierenden sollen auch die sozialen und gesellschaftspolitischen Aspekte lernen, und damit begleitend auch den Umgang mit Cybermobbing oder Fake News.

Wie kann Künstliche Intelligenz Schülerinnen und Schülern dabei helfen, Fake News zu erkennen? Und fließt das dann auch in den Unterricht ein?
Polaschek: Zunächst einmal: Wie binden wir Künstliche Intelligenz ganz allgemein in den Unterricht ein? Das Thema entwickelt sich extrem rasch, wir können alle wahrscheinlich noch nicht wirklich abschätzen, was daraus noch entstehen wird, im Guten wie im Schlechten. Jede Lehrerin und jeder Lehrer kann KI jetzt schon nützen.

Aber gibt es da eine offizielle Richtlinie? Und wie schaut diese aus?

Polaschek: Wir haben im Frühling eine erste Handlungsempfehlung an die Schulen herausgegeben, wie man generell mit Künstlicher Intelligenz umgeht, dass man sie aktiv im Unterricht nützen kann und soll, dass wir den Einsatz nicht verbieten werden, aber haben auch ganz klar gestellt, sowohl für die Lehrerinnen und Lehrer als auch für die Schülerinnen und Schüler, dass das missbräuchliche Verwenden von künstlicher Intelligenz natürlich nicht toleriert wird. Das betrifft Schummeln oder das unerlaubte Erstellen von Texten. Aber man kann KI natürlich aktiv im Unterricht einsetzen. Das geschieht auch schon. Wir haben eine eigene Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten, mit Praktikerinnen und Praktikern eingerichtet, die sich sehr intensiv auch Gedanken darüber macht, was Künstliche Intelligenz für den Schulunterricht bedeutet. Auch hier im Positiven wie im Negativen. Und wir werden zum Beginn des Schuljahres auch entsprechende weitere Informationen an die Schulen geben. Ich hatte letzte Woche die Gelegenheit, mich mit meinen Arbeitskolleginnen aus Deutschland und der Schweiz auszutauschen, auch zu diesem Thema. Dabei geht es allen gleich. Es gibt sehr viele Gruppen, die darüber nachdenken, was KI bewirkt.

Können Sie Beispiele geben, wie bei Ihnen im Bereich KI im digitalen Lernen zum Einsatz kommt?
Berger: Sehr vielfältig. Eine Kollegin hat im Deutschunterricht eine Hausübung gegeben, bei der die Kinder eine von der KI erzeugten Geschichte analysieren mussten, und erkennen, wo die Schwachpunkte liegen. Sie mussten dann die Geschichte selbstständig strukturell, die Geschichte weiterentwickeln und durften dann aber auch zum Beispiel die Software nutzen, um sich zusätzliche Impulse zu holen, um weiter zu schreiben.

Mit der Geräteinitiative "Digitales Lernen" wurden seit dem Schuljahr 2021/22 digitale Endgeräte in der 5. und 6. Schulstufe ausgegeben. Jedes Kind (5. Schulstufe) bekommt ein Gerät, die Lehrkräfte auch: Bislang wurden 270.000 Geräte an Mittelschulen, AHS-Unterstufen und Sonderschulen verteilt im Wert von 105 Mio. Euro. Gibt es eine Evaluierung, ob und wie sehr damit die pädagogischen und technischen Voraussetzungen für einen IT-gestützten Unterricht geschaffen wurden?
 Polaschek: Wir verfolgen bei unseren routinemäßigen Messungen, wie sich Lernfortschritte bei Schülerinnen und Schüler entwickeln. Wir werden auch bei diesen Messungen entsprechend ein Auge darauf haben, ob es hier merkbare Veränderungen gibt.

200.000 Geräte wurden bereits ausgegeben. Wie viele sind im kommenden Schuljahr geplant?

Polaschek: Jedes Kind in der fünften Schulstufe bekommt weiterhin ein solches Gerät, ohne Enddatum. Das heißt, wir liefern jedes Jahr um die 75.000 Geräte aus.

Welche Neuerungen sind im kommenden Schuljahr sonst geplant?
Polaschek: Was uns heuer gelingt, ist, dass wir 100 Prozent Anschluss ans Glasfasernetz sowie WLAN in den Bundesschulen haben werden. Mit dem digitalen Schülerinnen- und Schülerausweis haben wir einen Pilotversuch gestartet. Ab dem kommenden Schuljahr ist dieser Ausweis auch Teil der E-Ausweis-App des Bundes.

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