Reaktionen auf Pilnacek-Aufnahme
"System von Machtmissbrauch" der ÖVP

- Nachdem eine heimlich aufgenommene Tonbandaufnahme auftauchte, in der der Ex-Justizchef Christian Pilnacek die ÖVP schwer belasten und sich über politische Interventionen von Seiten der Türkisen beklagten soll, spricht die Opposition von einem "Systems von Machtmissbrauch und versuchter Einflussnahme auf die Justiz" vonseiten der ÖVP.
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Nachdem eine heimlich aufgenommene Tonbandaufnahme auftauchte, in der der Ex-Justizchef Christian Pilnacek die ÖVP schwer belastete und sich über politische Interventionen der Türkisen beklagte, ging die Volkspartei in die Offensive und konterte, dass an den Aussagen nichts dran sei. Die Opposition spricht hingegen von einem "System von Machtmissbrauch und versuchter Einflussnahme auf die Justiz" vonseiten der ÖVP.
ÖSTERREICH. "Man verlangt, dass ich Ermittlungen einstelle. Das kann ich nicht machen, das mache ich nicht", erklärte Pilnacek laut mehreren Medien auf der Tonbandaufnahme. Immer wieder habe die ÖVP den Ex-Justizchef gedrängt, in Verfahren einzugreifen. Konkret wird in dem Gespräch, das am 28. Juli ohne dem Wissen von Pilnacek aufgenommen worden sein soll, auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka genannt: "In jedem Gespräch sagt der Sobotka: Du hast selber versagt, du hast es nie abgedreht". Die Volkspartei könne froh sein, wenn er nicht auspacke, so Pilnacek laut Aufnahme.
"Wieder einmal steht die ÖVP im Mittelpunkt"
Als erste Oppositionspartei reagierten die NEOS auf die Vorwürfe gegen die ÖVP: "Der Wasserschaden in der Republik, den der Bundespräsident festgestellt hat, ist heute um einen Rohrbruch schlimmer geworden. Und wieder einmal steht die ÖVP dabei im Mittelpunkt", wird Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung zitiert. Die Aussagen des früheren Sektionschefs würden ein System nahelegen, "das eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig ist". Die Rede sei dabei von "von Machtmissbrauch, Druck und versuchter Einflussnahme auf die unabhängige Justiz durch ,die ÖVP‘ als Ganzes und namentlich durch den zweithöchsten Mann im Staat".
Vorfälle wie diese würden das Vertrauen der Menschen, "dass vor dem Gesetz jede und jeder gleich ist", zerstören, erklärte Hoyos. Die ÖVP habe die Pflicht, eine Aufklärung der mutmaßlichen Vorfälle "rasch und lückenlos" von sich aus zu liefern. In Zuge dessen führte der pinke Generalsekretär aus, dass die ÖVP vor über zehn Jahren versprochen habe, sich zu erneuern und einem Ehrenkodex zu folgen. "Von Ehre und Anstand ist heute in der ÖVP weniger denn je zu sehen", kritisierte Hoyos. Daher sei auch die Geduld der Menschen nun zu Ende; es sei aber kaum möglich, "das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie wiederherzustellen", solange die Volkspartei regiere.
Indirekte Rücktrittaufforderung an Sobotka
Auch SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer reagierte auf die Aufnahmen sichtlich geschockt: "Wir haben in den letzten zwei Untersuchungsausschüssen gesehen, wie die ÖVP ihre Macht in den Regierungsämtern missbraucht. Wir haben gesehen, wie sie den Staatsapparat für ihre eigenen Zwecke und für den Vorteil von Milliardären wie Benko und Wolf eingespannt hat", sagt Krainer, der in den beiden Untersuchungsausschüssen Fraktionsführer seiner Partei war.
Die neuen Enthüllungen fügen sich laut Krainer "nahtlos in dieses Bild über die ÖVP ein, sie steht für Machtmissbrauch, rechtswidrige Interventionen gegen Ermittlungen, Unterwanderung des Rechtsstaats".

- Die Tonbandaufnahme setzt die ÖVP zunehmend unter Druck.
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Dass Sobotka im Zentrum der neuen Enthüllungen steht, ist für Krainer ebenfalls nicht überraschend. "Wir haben ihn in zwei U-Ausschüssen erlebt, wie er sich mit Händen und Füßen gegen jede Aufklärung gestemmt hat", sagt Krainer. Er fügt hinzu: "Das Maß ist schon lange voll. Wenn Sobotka noch einen Funken politischer Verantwortung in sich verspürt, weiß er, was er zu tun hat."
"FPÖ: Erlösen Sie das Parlament von Sobotka"
Auch die FPÖ appelliert "an die besonnenen Kräfte in der ÖVP, das Parlament von Wolfgang Sobotka zu erlösen". Ziehen Sie endlich die längst nötige Konsequenz und machen Sie den Weg frei für eine integre Person an der Spitze des Nationalrats!", fordert FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.
Hafenecker erinnerte daran, dass Anfang 2021 unmittelbar vor einer behördlichen Sicherstellung von Akten in dem von Gernot Blümel geführten Finanzministerium zwölf Telefonate zwischen Sobotka und Pilnacek dokumentiert seien, heißt es weiter. Das sei bereits schon damals ein klares Indiz für den Versuch der Einflussnahme auf Verfahren gegen die ÖVP und ihre Spitzenpolitiker durch Sobotka gewesen.
Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist das "Maß voll". "Jeder, der Wolfgang Sobotka über Jahre hinweg in seinem politischen Handeln beobachtet hat, weiß ganz genau, dass Christian Pilnacek an diesem Abend im Juli 2023 nichts als die Wahrheit gesagt hat", so Kickl.
Grüne: "Das ist nichts Neues"
Gegenüber der APA reagierten die Grünen zunächst zurückhaltend: "Was das Tonband wieder einmal aufbringt, ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat", erklärte die Generalsekretärin Olga Voglauer. So habe es immer wieder Versuche gegeben, Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Wie in den Aufnahmen angedeutet werde, gehe dies mindestens ein Jahrzehnt zurück. "Das ist nichts Neues", betonte Voglauer, jedoch sei alleine der Eindruck, dass dies so gewesen sein könnte, "Gift für die Demokratie".
Angesprochen auf eine mutmaßliche Verwicklung des Nationalratspräsidenten in die Causa zeigte sich die grüne Generalsekretärin jedoch weniger zurückhaltend. Die Frage nach Sobotka hätten die Grünen bereits vor einiger Zeit und beim Aufkommen verschiedenster Skandale rund um dessen Person beantwortet, meinte Voglauer. "Ich an seiner Stelle, und das haben in der Vergangenheit bereits verschiedene hochrangige Grüne gesagt, hätte sogar früher, schon längst, den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen", so die Generalsekretärin der Grünen. Nun gehe es darum, den Vorfall aufzuklären.
Sobotka: "Pietätloser Akt"
Sobotka habe mit Pilnacek nie zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen, sagte ein Sprecher des Nationalratspräsidenten gegenüber dem "Standard" (online). "Wenn ein erst kürzlich, unter tragischen Umständen verstorbener Mensch nun in die Öffentlichkeit gezerrt werden soll, um politisches Kleingeld zu schlagen, dann werden wir uns an einem solch pietätlosen Akt nicht beteiligen", betonte man weiters. Das "rücksichtslose Instrumentalisieren eines Menschen, der sich heute nicht mehr erklären kann, ist ein absoluter Tiefpunkt der politischen Kultur in unserem Land".
Stocker: "KGB- und Stasi-Methoden"
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sieht die ÖVP durch die Aussage Pilnaceks im Untersuchungsausschuss entlastet und zeigte sich verärgert, dass einem "Wirtshausgespräch" mehr Glauben geschenkt werde als der Aussage. Das wiederholte Stocker am späten Dienstagabend auch in der "ZIB2". Vielmehr als an dem Inhalt stieß sich Stocker an der Art der Aufnahme: "Wenn wir ein Spitzelstaat werden wollen" und wenn man "KGB- und Stasi-Methoden" haben wolle, "dann werden wir sehen, wo wir hinkommen".
"Sie klingen jetzt genauso wie die FPÖ nach dem Ibiza-Video", konterte ORF-Moderator Armin Wolf. Auch die FPÖ habe nicht auf Inhalt eingehen wollen, sondern immer wieder betont, dass die Aufnahme unzulässig sei. Dass auch der frühere Kanzler Sebastian Kurz heimliche Tonbandaufnahmen von einem Telefonat mit Thomas Schmid anfertigte, verteidigte der ÖVP-Generalsekretär unterdessen. Kurz habe die Aufnahme gemacht, um sich in einem rechtlichen Verfahren "freibeweisen" zu können, das sei "etwas ganz anderes", so Stocker.
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