Töchtertag
Frauen stehen in Handwerksberufen ihren Mann

Jungfachkraft in der Metalltechnik/ Zerspanungstechnik Jessica Sperger, WK Wien Innungsmeister der Mechatroniker Peter Merten, Mechatronik-Lehrling Vanessa Schöbinger (17 Jahre) (v. li.) | Foto: F. Wieser
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  • Jungfachkraft in der Metalltechnik/ Zerspanungstechnik Jessica Sperger, WK Wien Innungsmeister der Mechatroniker Peter Merten, Mechatronik-Lehrling Vanessa Schöbinger (17 Jahre) (v. li.)
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Immer mehr Frauen fassen im Handwerk Fuß – Metalltechnik auf Platz sechs der beliebtesten Mädchen-Lehrberufe - Smodics-Neumann: „Alte Rollenbilder aufzubrechen gelingt immer öfter.“

Alle Jahre wieder soll der Wiener Töchtertag (28. April) Mädchen die Möglichkeit geben, zahlreiche neue Berufe zu entdecken und abseits von weiblichen Rollenklischees vielfältige Karrieremöglichkeiten kennenzulernen. Anlass genug, um der Frage nachzugehen, inwieweit Mädchen in typisch männlichen Lehrberufen schon angekommen sind und ob es Frauen wirklich gelingt, auch in sogenannten Männerdomänen Fuß zu fassen.

Ein Blick in die Lehrlingsstatistik (Quelle: WKW Statistik März 2022) zeigt: Aktuell sind von 4.572 Lehrlingen im Wiener Gewerbe und Handwerk immerhin 24 Prozent weiblich, genau sind es 1.093 Mädchen. Dem gegenüber stehen 3.479 männliche Lehrlinge in der Sparte Handwerk und Gewerbe, das entspricht einem Anteil von 76 Prozent.
Metalltechnik auf Platz sechs

Doch Mädchen wagen sich immer öfter in technische Bereiche vor: Metalltechnik liegt bei Mädchen österreichweit auf Platz sechs der beliebtesten Lehrberufe (Quelle WKO Lehrlingsstatistik 2021). In der Metalltechnik in Wien freut man sich immerhin schon über 55 weibliche Lehrlinge (das entspricht 15 Prozent), in der Mechatronik sind es 43 Mädchen (11 Prozent).

Mehr Mädchen in der Lehre

Es gibt auch Bereiche, in denen Mädchen die Zahl der Lehrburschen überholt hat: So gibt es etwa bei den Hörgeräteakustikern mit 63 Prozent (24/15) mehr Mädchen in der Lehre, ebenso bei den Gold- und Silberschmieden (16/10) und bei den Augenoptikern (184/116). Bei den technischen Zeichnern (77/40) und den Labortechnikern (58/30) stellen Mädchen eine knappe Mehrheit mit je 52 Prozent.

Knapp die Hälfte Lehrmädchen/Lehrburschen, je 46 Prozent, findet man bei den Zahntechnikern (63/29) oder in der Pharmatechnologie (31/14). Immerhin 31 Prozent weibliche Lehrlinge verzeichnet die Fahrradmechatronik (54/17), 30 Prozent zählt man in der Glasbautechnik (90/27), 29 Prozent in der Lebensmitteltechnik (17/5).
Noch Luft nach oben gibt es bei den Wiener Mädchen in den Lehrberufen KFZ-Technik (5 Prozent, 871/42), Metallbearbeitung (4 Prozent, 81/3), Tiefbau (62/1), Hochbau (221/4) und Spengler (45/1) mit je 2 Prozent.

Alte Rollenbilder aufbrechen

„Alte Rollenbilder aufzubrechen ist schwierig, aber gelingt immer öfter. Rechtzeitige Berufsorientierung ist dabei das Um und Auf. Das weibliche Potenzial ist jedenfalls unverzichtbar, wenn es darum geht, zusätzliche Lehrlinge zu gewinnen“, sagt Maria Smodics-Neumann, Spartenobfrau Gewerbe Handwerk der Wirtschaftskammer Wien.

Männerberuf? „Mir egal, ich habe Erfolg!“

Frauen, die sich in Handwerk und Technik vorwagen und denen traditionelle Rollenklischees egal sind, findet man immer öfter: Romana Stastna (30 Jahre) ist etwa eine von ihnen. Sie hat die Lehre der Lackiertechnikerin absolviert, obwohl die KFZ-Technik insgesamt stark männerdominiert ist. „Das hat mich aber nicht abgeschreckt“, so Stastna: „Meine Lehrjahre unter lauter Burschen waren unkompliziert und es hat alles reibungslos funktioniert. Im Betrieb, in dem ich gelernt habe, war ich überhaupt die einzige Frau. Persönlich glaube ich, dass der Mädchenanteil in den typischen Männerberufen von Jahr zu Jahr steigt und es einfach Zeit braucht, um den Anteil zu erhöhen. Toll in Wien ist jedenfalls, dass es für Mädchen eine große Auswahl an Lehrstellen auch für sogenannte typische Männerberufe gibt, und dass Mädchen diese leicht ausprobieren können, um zu sehen, ob sie diesen Beruf ausüben wollen.“ Stastna berichtet von ihrem eigenen Werdegang: „Zuerst besuchte ich eine Hotelfachschule, und zwar auf Wunsch meiner Eltern. Allerdings merkte ich rasch, dass dieser Beruf nicht richtig für mich war. Mich hat schon als Kind das Arbeiten mit Autos fasziniert. Der Beruf Lackiertechnikerin macht mir bis heute sehr viel Spaß! Als Frau in einem typischen Männerberuf hatte ich insgesamt auch keine großen Schwierigkeiten, das Arbeitsklima war und ist bis heute sehr gut. Ich kann den Beruf des Lackiertechnikers daher allen Mädchen nur wärmstens empfehlen!“

MechatronikerInnen auf der Überholspur

Bei der Firma Peter Merten GmbH im 22. Wiener Gemeindebezirk legt man besonderen Wert auf weibliche Mechatroniker-Lehrlinge. Vanessa Schöbinger ist 17 Jahre jung und Lehrmädchen im zweiten Lehrjahr im Beruf Mechatroniker/Automatisierungstechnik. Sie hat in ihrer Ausbildung mit ausschließlich männlichen Kollegen keine Probleme: „Im Gegenteil, ich komm super mit den Kollegen klar. Ich finde überhaupt, jeder sollte seinen Traumberuf ausüben und sich nicht so viele Gedanken machen, ob es sich nun um einen typischen Männerberuf oder Frauenberuf handelt.“ Schöbinger zeigte schon als Kind Interesse an Technik: „Ich hatte schon immer Spaß daran, Sachen zu bauen, zu zerlegen oder zu verkabeln. Daher ist der Job auch perfekt für mich! Ich möchte unbedingt in meinem Beruf aufsteigen und allen beweisen, dass auch Frauen Verständnis für Technik haben!“

Jessica Sperger, Angestellte bei der Firma Peter Merten, ist bereits Jungfachkraft in der Metalltechnik/ Zerspanungstechnik. „Ich hatte mich zuerst als Mechatronikerin im Maschinenbau beworben, da mein Vater Elektriker ist und es mir immer Spaß gemacht hat, ihm bei Arbeiten zu helfen. Doch nach einem Schnuppertag entschied ich mich für die Lehre in Zerspanungstechnik, denn mich begeisterten sofort die verschiedenen Techniken, die angewendet werden, wie feilen, schleifen, drehen, fräsen.“ Gab es Probleme, in einem eher männerdominierten Bereich zu arbeiten? „Ich hatte anfangs Sorge, die männlichen Kollegen würden mich nicht akzeptieren. Doch das stellte sich rasch als falsch heraus: Heute zählen viele der Kollegen zu meinen besten Freunden, ich verstehe mich mit allen gut.“ Wie könnte man mehr Mädchen für typisch technische Männerberufe begeistern? „Mädchen sollten sich schon in der Schule mehr für Technik und handwerkliches Arbeiten begeistern. Ich finde, dass man allen Schülerinnen die Möglichkeit geben sollte, in sogenannte typische Männerberufe hineinschnuppern zu können.“

Der größte Lehrlingsausbilder ist das Handwerk und Gewerbe

Mehr als ein Drittel aller 13.435 Lehrlinge, die derzeit in Wiener Betrieben ausgebildet werden, entfallen auf den Bereich Gewerbe und Handwerk. Maria Smodics-Neumann, Spartenobfrau Gewerbe Handwerk der Wirtschaftskammer Wien: „Es ist essentiell, jungen Menschen eine Hilfestellung bei der Berufswahl zu geben. Oft werden erst beim Hineinschnuppern in die konkreten Tätigkeiten die Talente sichtbar und damit auch die Leidenschaft für einen Beruf geweckt. Die Kombination von Handwerk und Technik in der Ausbildung ist die perfekte Basis für eine erfolgreiche Karriere und exzellente Karten am Arbeitsmarkt. Denn die Wirtschaft braucht technische Expertise in vielen Bereichen – das gilt heute und in Zukunft noch viel mehr. Umso bedeutsamer ist es, Jugendlichen die praktischen Erfahrungsmöglichkeiten dieser Berufe geben zu können.“

„Niemand muss aus Prestigegründen AHS-Matura machen“

Mit der Höheren Beruflichen Bildung wird aktuell ein eigenständiger berufspraktischer Bildungsweg geschaffen, der nahtlos an die Lehre anschließt und gleichwertig zum schulisch-akademischen Bildungsweg verläuft. Es werden formale Abschlüsse auf NQR-Stufe 5 (Anmerkung: Der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) ist ein Instrument zur Einordnung von Qualifikationen des österreichischen Bildungssystems) möglich sein, die gleichwertig zu einem HTL-Abschluss eingestuft werden. „Dank der Höheren Beruflichen Bildung wird die Lehre enorm aufgewertet. Junge Menschen haben im Betrieb künftig dieselben Entwicklungschancen wie auf der Schulbank oder an der Uni“, sagt Smodics-Neumann: „Es muss niemand mehr nur aus Prestigegründen eine AHS-Matura machen, der Weg zur Höherqualifizierung geht jetzt auch über die Lehre.“

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