Nadina Ruedls Weg zur "Die Pflanzerei"
"Ich bin nicht für die Quote da"

Die Salzburgerin Nadina Ruedl hat vor rund zwei Jahren "Die Pflanzerei" gegründet, die Schnitzel, Leberkäse und Co. herstellt – auf pflanzlicher Basis. | Foto: Die Pflanzerei
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Leberkäse ohne Tier und Käsekrainer ohne Milchprodukte: Was unmöglich klingt, hat die Salzburgerin Nadina Ruedl mit "Die Pflanzerei" möglich gemacht. An oberster Stelle steht für die alleinige Gründerin die Wertschätzung von (Gemüse-)Bauer, Tier und der Region. An eine Entmächtigung des Einzelnen glaubt sie nicht, denn jede und jeder hat die Veränderung mit seiner Kaufentscheidung selbst in der Hand.

ÖSTERREICH. Gemacht von einer Veganerin für Fleischessende hat es der "Gustl", wie der vegane Leberkäse heißt, heuer sogar auf das Münchner Oktoberfest geschafft. Er soll nicht nur geschmacklich begeistern, sondern auch mit seinen Werten überzeugen. Die Produkte der Pflanzerei werden in Oberösterreich produziert, das Gemüse in Österreich angebaut, auf Palmöl verzichtet und was es nicht in Österreich gibt, wird von anderen kleinen Produzenten bezogen. Ziel war es nie, das billigste Produkt auf den Markt zu bringen, wie die Gründerin, die eigentlich Marketing und Betriebswirtschaftslehre studiert hat, betont.

MeinBezirk.at: Welche Frage kannst du nicht mehr hören?
Nadina Ruedl: "Glaubst du echt, dass du was ändern kannst?" Ich habe oft diese Diskussion und antworte dann: "Ja, ich glaube, dass ich etwas verändern kann", weil ich bei Veranstaltungen und im Gespräch sehe, dass es viele gibt, die noch nie etwas Veganes probiert haben und auf einmal gehen sie dann zur heißen Theke und bestellen sich einen Gustl. Und wenn es nur die zwei, drei, vielleicht zehn Personen sind – ich kann etwas ändern! Und für das Tier sowieso.

Ich glaube, dass jeder Mensch etwas machen kann. Diese Entmächtigung, dass Menschen glauben, sie hätten keine Macht mehr, das stimmt nicht. Du entscheidest, was im Regal eingelistet wird und was nicht.

"Gustl" heißt der vegane Leberkäse, der in Oberösterreich produziert wird und aus heimischem Gemüse gemacht wird. | Foto: Die Pflanzerei
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Welche Ausbildung hast du gemacht?
Ich habe berufsbegleitend und selbstfinanziert studieren dürfen. Das war ein großes Glück, weil ich aus einer Arbeiterfamilie komme. Mein Papa hat immer gesagt, das Schlimmste wäre, wenn ich jemand werde, der etwas sagt, es aber selber nie gemacht habe. Also habe ich mir Jobs im Einkauf, im Marketing und den unterschiedlichsten Bereichen gesucht, wo ich machen konnte, was ich gelernt habe. Ich habe Betriebswirtschaftslehre im Bachelor und im Master studiert. Parallel dazu habe ich mich an der FH Wiener Neustadt zum Unterrichten beworben. Da habe ich mich zum ersten Mal mit Theorien beschäftigt. Irgendwann hat mir die Praxis gefehlt. Als Kommunikationsleiterin bei Donausoja bin ich dann in die Welt der Non-Profit Organisationen (NPO) eingetaucht und habe realisiert, dass das, was ich unterrichtet habe, keine Relevanz hat, wenn du kein Marketing machen darfst. Das Ziel einer NPO ist, Bewusstsein zu schaffen und Konsumenten die Entscheidungsmacht zu geben und nciht hervorzuheben wie toll das eigene Produkt ist. Es ging um nachhaltige, regionale, gentechnikfreie Eiweißversorgung mit Soja und das fand ich spannend, weil ich zu der Zeit selbst vegan wurde. Mir fehlte dann der Bezug zu meiner Region, weil mehr auf EU-Ebene agiert wurde und so fand ich zum Verein "Land schafft Leben". Da geht es darum, die Region zu stärken und Konsumbewusstsein zu schaffen. "In der Nähe kann ich etwas ändern, im Gespräch mit dir kann ich etwas ändern", ist der Ansatz.

Wie bist du zur Pflanzerei gekommen?
Während meiner Zeit bei "Land schafft Leben" habe ich erkannt, dass großteils über tierische Produkte gesprochen wird und meine (veganen) Schnitzel, Leberkäse und Co. eigentlich keinen Platz finden. Da habe ich beschlossen, ich will das einfach selbst machen und bin weg vom Bewusstsein bilden hin zur Pflanzerei: Wo wollen wir hin? Was brauchen wir? Ein Produkt gab es damals noch nicht. Nur die Idee, wie die Produkte sein sollten.

Schnitzel, Würstel und andere tierische Produkte dominieren, die Debatte um Regionalität. Dabei sollte man sich auch bei pflanzlichen Alternativen mehr für Regionalität einsetzen. | Foto: Lena Bittenauer
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Siehst du dich oft mit Vorurteilen gegenüber pflanzlichen Produkten konfrontiert?
Ja. Der große Irrglaube ist, dass der Großteil pflanzlicher Fleisch- und Wurstprodukte von Fleischessern und Fleischreduzierern gekauft werden. Da wird immer diskutiert, warum es so aussehen und heißen muss wie das, wo Tier drin ist. Am Ende des Tages ist die Antwort immer: Damit es dir leicht gemacht wird, lieber Fleischesser. Damit du neben Leberkäse aus Pferd, Rind und Schwein auch einen aus Gemüse hast. Wie viele Tage, Stunden und Monate ich damit verbracht habe, diese Fragen zu beantworten, die bekomme ich nie wieder zurück. Aber es ist wichtig, diese Fragen immer wieder zu beantworten! Es ist Leberkäse. Da geht es mehr um die Wertevermittlung. Das ist auch unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir einen Gustl haben, der Werte vertritt. Nur die wenigsten veganen Ersatzprodukte werden in Österreich produziert. Wir versuchen weniger Plastik zu verwenden und die Dinge besser zu machen. Da sollte es hingehen.

Machst du den Geschmackstest dann auch mit Fleischessern? 
Immer. Man merkt aber schnell, dass zwischen Fleischesser und Fleischreduzierer ein deutlicher Unterschied beim Geschmackserlebnis ist. Für jemanden, der viel Felsich ist, ist der Gustl etwas ganz anderes, als für jemanden, der einmal in der Woche Fleisch ist. Du willst aber möglichst etwas für alle machen. Den Flexitarier kannst du aber leichter abholen. Das ist die Aufgabe, der sich – denke ich – jedes vegane Start-up stellen muss, denn Veganer gibt es einfach weniger. Es geht ja um eine Systemveränderung und dafür muss ich alle mitnehmen, nicht nur ein paar wenige Auserwählte. Man muss eine Lösung für alle finden und da liegt auch der Schlüssel.

Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen, ist eine der wichtigsten Lektionen, die Ruedl als Gründerin gelernt hat. | Foto: Die Pflanzerei
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Hast du Hürden bei der Gründung erlebt?
Ich habe alleine gegründet, in einer Nische, die vor zwei Jahren noch nicht wirklich Thema war. Da war es schwer, aufgrund der Rahmenbedingungen, die ich selbst mitgebracht habe. Ich habe mich damals beim Klima- und Energiefonds beworben und wurde unter die zehn nachhaltigsten Business-Ideen gewählt worden. Da habe ich 10.000 Euro bekommen und damit gestartet. Damit konnte ich die ersten Sachen kaufen und habe die Corona-Zeit genutzt, um produktiv zu sein. Ich glaube, dass in Österreich die Stimmung für Start-ups einfach nicht so einladend ist. Es gibt Förderungen bis zum Gründungszeitpunkt, aber danach fällt mir jetzt keine mehr ein.

Ich bin dann kurz darauf auf der Veganmania (Messe zum Thema Veganismus im Bereich Essen und Lifestyle, Anm.) gestanden, wo die Menschen Schlange gestanden sind, um einen Gustl zu bekommen. Das haben sie auf Instagram gepostet. Das war das aller coolste, weil man auch unsicher ist, ob die Begeisterung für das Produkt vielleicht nur bei einem selbst da ist. Man weiß vorher nicht, wie es ankommt. Ich bin mit einem vollen Kühlschrank auf die Messe, am Ende des Tages war der Inhalt ausverkauft und so habe ich mir das Startup finanziert. Hätte das nicht geklappt, dann wäre da nichts gewesen. Ich habe mich immer gegen Investoren entschieden und sehe mich heute darin bestätigt. Für mich war klar, das Produkt muss funktionieren. Es macht keinen Sinn, dass mir jemand Geld für etwas gibt, das am Markt nicht überleben würde. Wenn ich heute entscheide, ich kaufe mir einen Foodtruck um 20.000 Euro, dann ist das meine Entscheidung und das muss ich mit niemandem absprechen. Da frage ich mich maximal selbst in der Nacht, ob es gescheit war. Wenn es funktioniert, dann weil es jemand will, nicht weil ich immer mehr Geld im Hintergrund bekomme. 

Was möchtest du anderen, die gründen wollen, mit auf den Weg geben?
Die ganzen Märchengeschichten existieren in der Realität nicht. Es ist knallhart, man braucht Disziplin und muss durchhalten. Du musst den Umgang mit Fehlern lernen. Ich mache immer wieder Fehler, ich kenne die Branche ja nicht. Ich komme nicht aus der Lebensmitteltechnologie oder dem Handel und lerne das einfach jetzt gerade. Zu glauben, dass es eine "gmahde Wies'n" – ist es einfach nicht. Aber es ist so schön, weil du machst jeden Tag was dich begeistert und kannst dich verwirklichen. Ich habe noch nie so hart gearbeitet wie jetzt, aber es macht mir Spaß. Du kannst dir deine Leute selber aussuchen und suchst Menschen, die genauso wie du für das Thema brennen und das ist der größte Luxus. Ich fange teilweise um halb sechs an und mein Tag endet oft erst nach Mitternacht. Das bedeutet wenig Schlaf, wenig Freizeit – meine Freunde schimpfen oft, weil ich sie oft monatelang nicht sehe und dann auf Veranstaltungen mitnehme, damit wir reden können – das ist die Realität für mich als alleinige Gründerin.

Ich habe immer versucht andere zu finden, die etwas Ähnliches wie ich machen. Ich habe niemanden gefunden und mich gefragt, ob es normal ist, dass es so schwer ist, ob ich als einzige den Fehler, allein zu gründen, gemacht habe. Die Marketing-Märchenblase sagt dir nicht, dass du um drei Uhr früh im Keller sitzt und zum tausendsten Mal die Etiketten liest und nicht verstehst, warum die Nährwerte da hinkommen. Da bringen mir auch Marketing-Konzepte nichts, weil ich ein Produkt habe, das gekühlt und verkauft gehört, wo eine Logistik dahinter steckt. Da wurde mir klar, es gibt niemanden und dass ich diese Fehler selbst machen und versuchen muss zu teilen. Ich will niemanden abschrecken. *lacht*

Lotti und Mitzi heißen die veganen Alternativen für Fleischbällchen und Schnitzel aus Nadina Ruedls "Die Pflanzerei". | Foto: Lena Bittenauer
  • Lotti und Mitzi heißen die veganen Alternativen für Fleischbällchen und Schnitzel aus Nadina Ruedls "Die Pflanzerei".
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Hattest du als Gründerin schon einmal das Gefühl bevorzugt oder benachteiligt worden zu sein, weil du eine Frau bist?
Letztens wurde ich wieder zu einer Diskussionsrunde eingeladen und gefragt, ob ich die "Quotenfrau" bin. Darauf habe ich gesagt: Nein, ich habe alleine ein Unternehmen gegründet und aufgebaut. Für die Quote bin ich sicher nicht da. Unabhängig vom Geschlecht dachte ich mir, ich passe perfekt in die Runde. Es war eigentlich ganz witzig, weil ich die einzige Frau war und die einzige, die pflanzliche Produkte macht. Da war ich dann quasi die Quote in den Quoten. Es ist hart, aber ich denke, dass es für Männer genauso hart ist. Vielleicht macht man es ihnen in manchen Bereichen nur einfach leichter.

Ich kenne das noch aus dem HR-Bereich. Frauen haben das Gefühl, sie müssen sieben bis acht der Bewerbungskriterien erfüllen. Bei den Burschen reichen schon drei, dass sie denken: "Ich bin der richtige für den Job". Ich möchte aber niemanden abschrecken. Man muss sich trauen und aus Fehlern lernen.

Ich würde es immer wieder machen, warte aber bis heute auf den Zeitpunkt, wo ich mir denke "jetzt wird es leichter".

Ich suche aber auch die Herausforderung und will gar nicht in eine Routine verfallen. Für mein Team will ich aber, dass sie Freizeit haben. Wir haben beispielsweise eine Viertage-Woche, und das funktioniert super. Sie müssen nicht mein Leben führen, wo es keine Grenzen zwischen Beruf und Privatleben gibt. Ich freue mich auch das manchmal zu vermischen, wenn mich meine Freunde auf Messen besuchen kommen. Ich denke, wir sind nicht auf dem Holzweg und ich werde alles daran setzen, dass es mit der Pflanzerei weitergeht.

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